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Presseartikel23. November 2021Vertretung in DeutschlandLesedauer: 10 Min

Belarus: EU schlägt schwarze Liste für Verkehrsunternehmen vor und hilft mit weiteren 200 Mio. Euro beim Grenzschutz

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Mit Blick auf die Lage an der EU-Außengrenze zu Belarus haben die Europäische Kommission und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell heute (Dienstag) eine „schwarze Liste“ für Verkehrsunternehmen vorgeschlagen, die sich an Menschenschmuggel beteiligen. Damit wird das Instrumentarium der EU erweitert, um die durch die hybriden Angriffe betroffenen Mitgliedstaaten unterstützen zu können. Zudem stellt die Kommission weitere 200 Mio. Euro für den Grenzschutz bereit, um Lettland, Litauen und Polen zu unterstützen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: „Es wird nicht gelingen, die EU zu destabilisieren, indem Menschen instrumentalisiert werden.“

Die EU stehe geeint und treffe verschiedene Maßnahmen, um eine Lösung für die Lage an der Grenze herbeizuführen. „Dass Menschen für politische Zwecke ausgebeutet werden, werden wir niemals hinnehmen“, so die Präsidentin. Bei einer Rede im Europäischen Parlament betonte sie heute erneut, es handele sich nicht um eine Migrationskrise, sondern um eine besonders perfide Form der hybriden Bedrohung des Lukaschenko-Regimes, die sich gegen die EU als Ganze richte. „Ganz Europa steht in dieser Frage solidarisch an der Seite Litauens, Polens und Lettlands. Und Europa handelt auf vier Ebenen: humanitäre Hilfe, diplomatische Kontakte mit den Herkunftsländern, Sanktionen gegen Personen und Unternehmen in Belarus und Sanktionen gegen Transportunternehmen, die Menschenhandel und Schleuserkriminalität begünstigen, Schutz der Grenze.“ Weiter sagte die Präsidentin: „Ich sage es noch einmal: Die EU erkennt dieses Regime, das sein eigenes Volk gewaltsam unterdrückt, nicht an.“

Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas ergänzte: „Das belarussische Regime und internationale Schleusernetzwerke haben den Menschen Lügen aufgetischt. Wir haben an unseren Grenzen kein Migrations-, sondern ein Sicherheitsproblem. Die EU wird nicht nachgeben.“ Durch umfassende Maßnahmen der EU in Zusammenarbeit mit ihren Partnern gebe es nun Verbesserungen, so Schinas. „Die schwarze Liste, die wir heute vorschlagen, ist ein weiterer Ausdruck unserer Entschlossenheit. Wir sind mit einem globalen Problem konfrontiert und müssen eine internationale Koalition gegen die Instrumentalisierung von Menschen zu politischen Zwecken bilden.“

Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell, erklärte: „Das belarussische Regime versucht von der verheerenden Lage im Land abzulenken, indem es die Unzufriedenheit der Menschen ausnutzt und sie in Richtung der Außengrenzen der EU drängt.“ Damit werde das Regime keinen Erfolg haben. „Wir haben daraufhin unsere Sanktionsregelungen ausgeweitet und nehmen ein weiteres Maßnahmenpaket gegen die Urheber dieses hybriden Angriffs des Lukaschenko-Regimes an. Gemeinsam mit den UN-Agenturen werden wir den Bedürftigen humanitäre Hilfe leisten. Wir werden unsere diplomatischen Bemühungen gegenüber unseren Partnern fortsetzen. Die EU verurteilt diesen hybriden Angriff aufs Schärfste.“

Gezielte Maßnahmen für Verkehrsunternehmen, die den Schmuggel erleichtern oder daran beteiligt sind

Die jüngsten Ereignisse an den Außengrenzen der EU zu Belarus hätten nicht ohne die Mitwirkung bestimmter Verkehrsunternehmen eintreten können. Sie haben wissentlich oder unwissentlich zur Ausbeutung von Menschen beigetragen. Dies ging mit hohen Kosten für die Sicherheit an den Außengrenzen der EU und die Stabilität in der Region einher.

Um sicherzustellen, dass die EU über die geeigneten Instrumente verfügt, um gegen die Instrumentalisierung von Menschen für politische Zwecke vorzugehen, schlägt die Kommission daher einen neuen Rechtsrahmen vor. Damit kann die EU unabhängig von der Beförderungsart (Straßen-, Luft-, Binnenschiffs- und Seeverkehr) gezielte Maßnahmen gegen Verkehrsunternehmen ergreifen, die sich am Schmuggel und Handel von Menschen in die Europäische Union beteiligen bzw. derartige Aktivitäten begünstigen. Solche Maßnahmen wären verhältnismäßig und werden von Fall zu Fall festgelegt. Sie könnten die Einschränkung des Betriebs auf dem Unionsmarkt, die Aussetzung von Betriebsgenehmigungen oder Lizenzen, die Aussetzung des Rechts auf Betankung oder Wartungsarbeiten und ein Flugverbot im EU-Luftraum sowie ein Verbot technisch bedingter Stopps in den Häfen bzw. das Anlaufen von Häfen der EU umfassen.

Diplomatische Bemühungen und auswärtiges Handeln

Am 15. November hatte der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ die EU-Sanktionen gegen Belarus ausgeweitet, um gegen Einzelpersonen und Einrichtungen vorzugehen, die die Instrumentalisierung von Menschen organisieren oder daran beteiligt sind. Dazu gehören auch Fluggesellschaften, Reisebüros und andere Mittlerorganisationen. Es wurde eine politische Einigung über ein fünftes Paket von Listen erzielt, um die Lage an den Grenzen, den Menschenhandel und die anhaltende Unterdrückung in Belarus anzugehen. Diese Einigung folgte auf den Beschluss der EU vom 9. November 2021, das Visaerleichterungsabkommen zwischen der EU und Belarus teilweise auszusetzen, sodass die Vorzüge des Abkommens nicht länger für belarussische Amtsträger gelten.

Die EU hat basierend auf einem Team Europe-Ansatz, bei dem die diplomatischen Kräfte der Mitgliedstaaten und der EU gebündelt wurden, sowie durch Reisen des Hohen Vertreters/Vizepräsidenten Borrell eine internationale Koalition gegen die Instrumentalisierung von Menschen gebildet. So ist Vizepräsident Margaritis Schinas in Abstimmung mit Josep Borrell in den letzten Wochen in die wichtigsten Herkunfts- und Transitländer gereist, um diese dafür zu sensibilisieren und ihre Staatsangehörigen davor zu schützen, in die Falle der belarussischen Behörden zu tappen. Die stetigen Bemühungen der EU zeigen erste Erfolge. Eine Reihe von Herkunfts- und Transitländern haben ihre Flüge nach Belarus ausgesetzt und an den Flughäfen die Kontrolle von Fluggästen verstärkt. Im Anschluss an die Gespräche zwischen dem Hohen Vertreter Borrell und dem belarussischen Außenminister haben die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst technische Gespräche auf Arbeitsebene mit UN-Agenturen (UNHCR und IOM) und belarussischen Amtskollegen eingeleitet, um die Rückführung von Migranten aus Belarus zu erleichtern.

Viele der vom belarussischen Regime in dieser Krise instrumentalisierten Migranten stammen aus Irak. Die EU arbeitet intensiv mit dem Land zusammen. Direktflüge von Bagdad nach Belarus wurden im August ausgesetzt, nachdem auch Flüge von Erbil über Drittstaaten nach Belarus ausgesetzt wurden. Mit Unterstützung durch die EU organisiert Irak Rückholflüge für irakische Staatsbürger; weitere finanzielle Hilfe für die Wiedereingliederung im Irak steht noch aus. 

Die Manipulation von Informationen ist ein zentrales Element, um Menschen falsche Versprechungen zu machen und sie folglich zu instrumentalisieren. Die Situation wurde von verschiedenen Akteuren ausgenutzt, um eine groß angelegte Kampagne zu inszenieren und das internationale Ansehen der EU zu diskreditieren. Der Europäische Auswärtige Dienst hat Schritte unternommen, um falsche und irreführende Informationen im Internet zu bekämpfen, und gezielte Kommunikationsmaßnahmen durch EU-Delegationen in den Ländern durchzuführen, aus denen die meisten Menschen nach Belarus gelockt wurden.

Aufstockung der humanitären Hilfe

Die EU hat humanitäre Hilfe in Höhe von 700.000 Euro für schutzbedürftige Flüchtlinge und Migranten, die an den Grenzen und im Hoheitsgebiet von Belarus gestrandet sind, bereitgestellt. Davon fließen als Teil des Gesamtbeitrags der EU zu dem von den IFRC verwalteten Nothilfefonds für Katastrophenhilfe 200.000 Euro direkt an die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC). Die EU unterstützt mit ihrem Beitrag die IFRC und deren nationale Gesellschaft, das Rote Kreuz Belarus, um die dringend benötigte Soforthilfe zu leisten und u. a. Lebensmittel, Hygieneartikel, Decken und Erste-Hilfe-Ausrüstungen zu liefern. Weitere 500.000 Euro werden für zusätzliche humanitäre Hilfe durch Partnerorganisationen der EU vor Ort eingesetzt.

Die Kommission ist bereit, weitere humanitäre Hilfe zu leisten, um den ermittelten humanitären Bedarf zu decken, sollte sich der Zugang für humanitäre Partnerorganisationen in Belarus weiter verbessern. Die humanitäre Hilfe der EU beruht auf den internationalen humanitären Grundsätzen. 

Unterstützung des Grenz- und Migrationsmanagements

Seit Beginn der Krise hat die EU Lettland, Litauen und Polen im Bereich Grenzmanagement unterstützt, unter anderem mit Soforthilfe, durch die Entsendung von Experten und die Bereitstellung von Sachleistungen aus europäischen Ländern im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens. Im Anschluss an den Besuch von Kommissionsmitglied Johansson in Litauen, gewährte die Kommission EU-Mittel in Höhe von 36,7 Mio. Euro, um die Umsetzung von Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen, darunter für schutzbedürftige Personen, in Litauen zu verbessern. Die Kommission koordinierte die Hilfe aus 19 Mitgliedstaaten und Norwegen, in Form von Zelten, Betten, Heizgeräten, Generatoren, Bettzeug, Lebensmitteln und anderen Sachleistungen. Das EU-Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration kommt wöchentlich für eine aktuelle Lageerfassung und zur Koordinierung einer wirksamen Reaktion zusammen. Seit Juli sind auch EU-Agenturen im Bereich Inneres mit Personal in den drei Mitgliedstaaten vor Ort und haben Ausrüstung nach Litauen und Lettland gesandt.

Die Kommission steht im Dialog mit Lettland, Litauen und Polen, um weiteren finanziellen und operativen Bedarf zu klären, und stellt weitere Mittel in Höhe von 200 Mio. Euro für das Grenzmanagement zur Verfügung. Zur weiteren Unterstützung durch die Agenturen könnten Soforteinsätze zu Grenzsicherungszwecken und/oder Rückführungseinsätze von Frontex und dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen im Bereich Migrationsmanagement und angemessene Aufnahmebedingungen gehören.

Die Kommission, Frontex und die IOM arbeiten mit Litauen zusammen, um die Rückführungskapazitäten durch den Austausch von Leitlinien, bewährten Verfahren und Kontakten mit Drittstaaten bei der Unterstützung der Rückübernahme zu verbessern. Polen hat Frontex um Unterstützung bei der Durchführung von Rückführungen ersucht. Das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung von Europol unterstützt strafrechtliche Ermittlungen und erleichtert den Informationsaustausch. Die vollständige Umsetzung des EU-Aktionsplans gegen die Schleusung von Migranten (für den Zeitraum 2021-2025) bietet wirksame Maßnahmen gegen die Instrumentalisierung von Menschen zu politischen Zwecken und für ein wirksames Management der EU-Außengrenzen in diesen Situationen.

Die Kommission arbeitet darüber hinaus an einem Vorschlag für vorübergehende Maßnahmen im Bereich Asyl und Rückkehr auf der Grundlage von Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Damit folgt die Kommission der Aufforderung des Europäischen Rates, erforderliche Änderungen am Rechtsrahmen der EU und konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, um eine unverzügliche und angemessene Reaktion im Einklang mit dem EU-Recht und den internationalen Verpflichtungen zu gewährleisten. Sie kommt damit auch dem Ersuchen der betroffenen Mitgliedstaaten nach, vorübergehende Maßnahmen einführen zu können, um migrationsbedingte Notlagen an den Außengrenzen der EU wirksam zu bewältigen.

Hintergrund

Die EU insgesamt und insbesondere Litauen, Polen und Lettland sind seit dem Sommer mit einer neuen perfiden Bedrohung konfrontiert, bei der verzweifelte Menschen instrumentalisiert werden. Diese wurde vom Lukaschenko-Regime initiiert und organisiert, um in Zusammenarbeit mit Schleusern und kriminellen Netzwerken Menschen an die Grenzen zur EU zu locken.

Belarus hat dadurch eine humanitäre Krise ausgelöst. Männer, Frauen und Kinder sitzen bei Temperaturen bei unter Null Grad Celsius in einem riesigen Waldgebiet fest. Mehrere Menschen, darunter auch Kinder, starben. Die Lage eskalierte am 8. November, als 2000 Menschen an der Grenze nicht mehr weiterkamen. Nach intensiven diplomatischen Bemühungen leistete die EU humanitäre Hilfe und unterstützt UN-Agenturen bei der Evakuierung. Belarus hat Menschen aus dem improvisierten Lager im Grenzgebiet in ein beheiztes Lager verbracht.

Weitere Informationen:

Vollständige Pressemitteilung vom 23. November

Rede von Kommissionspräsidentin von der Leyen im Europäischen Parlament vom 23. November

Mitteilung: Reaktion auf die staatlich unterstützte Instrumentalisierung von Migranten an den Außengrenzen der EU

Vorschlag für eine schwarze Liste von Verkehrsunternehmern, die Menschenhandel betreiben  

Factsheet: Europa schlägt Maßnahmen gegen Verkehrsunternehmer vor, die am Schmuggel oder der Einschleusung von Menschen in das Gebiet der EU beteiligt sind

Factsheet: EU-Maßnahmen gegen die staatlich unterstützte Instrumentalisierung von Migranten an den Außengrenzen der EU

Maßnahmen der EU zur Schaffung einer schwarzen Liste der Verkehrsunternehmen, die den Schmuggel oder die Einschleusung von Menschen in die EU unterstützen

Factsheet: EU-Soforthilfe für Migration und Grenzmanagement

EUvsDisinfo Reports

Pressekontakte: fabian [dot] weberatec [dot] europa [dot] eu (Fabian Weber), Tel.: +49 (0) 30 2280-2250 und katrin [dot] ABELEatec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (0) 30 2280-2140. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
23. November 2021
Autor
Vertretung in Deutschland