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Vertretung in Deutschland
Presseartikel19. Dezember 2018Vertretung in Deutschland

Brexit: EU-Kommission setzt „No deal“-Aktionsplan um und trifft Vorsorge unter anderem für Luftverkehr, Bürgerrechte und Finanzdienstleistungen

Das Vereinigte Königreich wird die Europäische Union in 100 Tagen verlassen. Angesichts der anhaltenden Unsicherheit in Bezug auf die Ratifizierung des zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich am 25. November 2018 vereinbarten...

Das heute vorgelegte Paket umfasst 14 Maßnahmen für eine begrenzte Anzahl von Bereichen, in denen ein „No deal“-Szenario größere Störungen für Bürger und Unternehmen in der EU-27 nach sich ziehen würde. Zu diesen Bereichen gehören unter anderem Finanzdienstleistungen, Luftverkehr, Zoll und Klimapolitik.

Die Kommission hält es für wichtig und dringend erforderlich, diese Maßnahmen heute anzunehmen, um sicherzustellen, dass die Notfallmaßnahmen am 30. März 2019 in Kraft treten können, um die größten Nachteile, die ein „No deal“-Szenario in diesen Bereichen mit sich bringen würde, einzudämmen.

Diese Maßnahmen werden – und können – weder die Gesamtauswirkungen eines „No deal“-Szenarios abfedern noch die unzureichende Vorbereitung der Interessenträger ausgleichen. Sie können auch nicht sämtliche Vorteile einer EU-Mitgliedschaft oder die im Entwurf des Austrittsabkommens vorgesehenen Bedingungen für den Übergangszeitraum nachbilden.

Sie sind auf bestimmte Bereiche begrenzt, in denen es absolut erforderlich ist, die vitalen Interessen der EU zu schützen, und in denen Vorbereitungsmaßnahmen allein nicht ausreichen. Ferner sind sie grundsätzlich zeitlich befristet, von begrenzter Tragweite und werden einseitig von der EU erlassen. Die Maßnahmen tragen den Diskussionen mit den Mitgliedstaaten Rechnung und ergänzen die in der zweiten Mitteilung zur Vorbereitung auf den Brexit dargelegten und bereits getroffenen Vorbereitungsmaßnahmen.

Die Kommission wird ihren Aktionsplan für den Notfall in den kommenden Wochen weiter umsetzen und prüfen, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Darüber hinaus wird sie die Mitgliedstaaten bei ihren Vorbereitungen weiter unterstützen.

Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle: Bleiberecht und Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Die Kommission hat die Bürgerinnen und Bürger im Laufe der Verhandlungen sowie bei ihren Vorbereitungen und ihrer Notfallplanung für ein „No deal“-Szenario stets an erste Stelle gestellt. In der heutigen Mitteilung appelliert die Kommission an die Mitgliedstaaten, in Bezug auf die Rechte der Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs in der EU einen großzügigen Ansatz zu verfolgen, sofern das Vereinigte Königreich diesen Ansatz ebenfalls annimmt.

Insbesondere sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die britischen Staatsangehörigen, die zum Zeitpunkt des Austritts rechtmäßig in der EU wohnhaft sind, auch weiterhin als Personen mit rechtmäßigem Wohnsitz gelten werden. Die Mitgliedstaaten sollten bei der Gewährung eines vorläufigen Aufenthaltsrechts einen pragmatischen Ansatz verfolgen. Die Kommission hat bereits einen Vorschlag für eine Verordnung angenommen, mit dem die Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs von der Visumpflicht befreit werden, sofern alle Unionsbürger ebenso von der Visumpflicht im Vereinigten Königreich befreit werden.

Was die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit betrifft, so hält es die Kommission für erforderlich, dass die Mitgliedstaaten alle möglichen Schritte unternehmen, um für Rechtssicherheit zu sorgen und die Ansprüche der Staatsangehörigen von EU-27-Mitgliedstaaten und des Vereinigten Königreichs, die diese in Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit vor dem 30. März 2019 erworben haben, zu schützen.

Sektorspezifische Vorschriften

Finanzdienstleistungen

Nach eingehender Prüfung der Risiken im Zusammenhang mit einem „No deal“-Szenario im Finanzsektor hat die Kommission festgestellt, dass nur eine begrenzte Zahl von Notfallmaßnahmen erforderlich ist, um die Finanzstabilität in der EU-27 zu gewährleisten.

Die Kommission hat daher heute folgende Rechtsakte angenommen:

  • Einen auf 12 Monate befristeten und an Bedingungen geknüpften Gleichwertigkeitsbeschluss, um sicherzustellen, dass es beim zentralen Clearing von Derivaten nicht unmittelbar zu Störungen kommt.
  • Einen auf 24 Monate befristeten und an Bedingungen geknüpften Gleichwertigkeitsbeschluss, um sicherzustellen, dass es bei den von Zentralverwahrern im Vereinigten Königreich für Wirtschaftsbeteiligte in der EU erbrachten Diensten nicht zu Störungen kommt.
  • Zwei auf 12 Monate befristete delegierte Verordnungen‚ mit denen die Umwandlung bestimmter OTC-Derivatekontrakte durch Übertragung von einer Gegenpartei im Vereinigten Königreich auf eine Gegenpartei in der EU-27 erleichtert wird.

Verkehr

Die Kommission hat heute zwei Maßnahmen angenommen, mit denen verhindert werden soll, dass der Luftverkehr zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in einem „No deal“-Szenario vollständig zum Erliegen kommt. Diese Maßnahmen werden lediglich die Aufrechterhaltung grundlegender Verkehrsverbindungen gewährleisten und keinesfalls Ersatz für die erheblichen Vorteile der Mitgliedschaft im einheitlichen europäischen Luftraum bieten. Voraussetzung dafür ist, dass das Vereinigte Königreich Luftfahrtunternehmen aus der EU gleichwertige Rechte überträgt und faire Wettbewerbsbedingungen gewährleistet.

  • Ein Vorschlag für eine Verordnung zur Gewährleistung der Erbringung bestimmter Luftverkehrsdienste zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU (auf 12 Monate befristet).
  • Ein Vorschlag für eine Verordnung zur Verlängerung bestimmter Lizenzen für die Flugsicherheit (auf 9 Monate befristet).

Darüber hinaus hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung angenommen, mit dem Kraftverkehrsunternehmen im Vereinigten Königreich vorläufig (für neun Monate) die Erlaubnis zur Verbringung von Waren in die EU gewährt wird, sofern das Vereinigte Königreich Kraftverkehrsunternehmen der EU gleichwertige Rechte zugesteht und faire Wettbewerbsbedingungen gewährleistet.

Zölle und Warenausfuhr

In einem „No deal“-Szenario werden für Waren, die zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich befördert werden, alle einschlägigen EU-Rechtsvorschriften über die Warenein- und -ausfuhr gelten. Die Kommission hat heute folgende technischen Maßnahmen angenommen:

  • Eine delegierte Verordnung zur Einbeziehung der Gewässer um das Vereinigte Königreich in die Bestimmungen über Fristen, innerhalb deren summarische Eingangsanmeldungen und Vorabanmeldungen vor Verlassen des bzw. Einreise in das Zollgebiet der Union abzugeben sind.
  • Einen Vorschlag für eine Verordnung zur Aufnahme des Vereinigten Königreichs in die Liste der Staaten, für die EU-weit eine allgemeine Ausfuhrgenehmigung für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck gilt.

Es ist jedoch von wesentlicher Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Schritte unternehmen, um den Zollkodex der Union und die einschlägigen Vorschriften über indirekte Steuern in Bezug auf das Vereinigte Königreich anwenden zu können.

EU-Klimapolitik

Die Kommission hat heute die folgenden EU-Rechtsakte im Bereich Klimaschutz verabschiedet, um sicherzustellen, dass ein „No deal“-Szenario das reibungslose Funktionieren und die Umweltwirksamkeit des Emissionshandelssystems nicht beeinträchtigt:

  • Einen Kommissionsbeschluss zur vorübergehenden Aussetzung der kostenlosen Zuweisung von Emissionszertifikaten, der Versteigerung und des Tausches internationaler Gutschriften für das Vereinigte Königreich mit Wirkung vom 1. Januar 2019.
  • Einen Durchführungsbeschluss zur Zuteilung angemessener jährlicher Quoten an Unternehmen des Vereinigten Königreichs für den Zugang zum Markt der EU-27 (bis zum 31. Dezember 2020).
  • Eine Durchführungsverordnung, mit der gewährleistet werden soll, dass in den Berichten der Unternehmen zwischen dem EU-Markt und dem Markt des Vereinigten Königreichs unterschieden wird, um eine korrekte Quotenzuteilung für die Zukunft zu ermöglichen.

PEACE-Programm

Die Kommission hat heute ihren festen Willen bekräftigt, dafür zu sorgen, dass die laufenden Programme im Grenzgebiet Irlands und Nordirlands unabhängig vom letztendlich eintreffenden Szenario fortgesetzt werden. Die Kommission hat heute einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, mit der das PEACE-Programm in Nordirland – angesichts seiner Bedeutung – im Falle eines „No deal“-Szenarios bis Ende 2020 fortgesetzt werden soll. Für den Zeitraum nach 2020 hat die Kommission bereits im Rahmen ihrer Vorschläge für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vorgeschlagen, die grenzübergreifende Förderung von Frieden und Versöhnung in den Grenzgebieten Irlands und Nordirlands fortzusetzen und zu stärken.

Andere Themen

Die Kommission hat auch eine delegierte Verordnung über die Auflistung des Vereinigten Königreichs in Statistiken über Zahlungsbilanzen, internationalen Handel mit Dienstleistungen und ausländische Direktinvestitionen angenommen.

Nächste Schritte

Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, die vorgeschlagenen Rechtsakte anzunehmen, damit sie bis zum 29. März 2019 in Kraft treten können. Die Kommission weist das Europäische Parlament und den Rat zudem darauf hin, dass es insbesondere im Falle von delegierten Rechtsakten wichtig ist, dass sie so rasch wie möglich in Kraft treten. Bei delegierten Rechtsakten beträgt der normale Prüfungszeitraum des Europäischen Parlaments und des Rates in der Regel zwei bis drei Monate (zwei Monate für die Delegierte Verordnung über summarische Anmeldungen und Vorabanmeldungen; drei Monate für die Delegierte Verordnung über die Einbeziehung des Vereinigten Königreichs in EU-Statistiken; höchstens drei Monate für die delegierten Verordnungen über bestimmte Arten von Kontrakten, einschließlich OTC-Derivatekontrakten). Weitere Informationen über die Mindestfristen für die Annahme solcher Rechtsakte sind hier in Anhang 5 zu finden. Delegierte Rechtsakte können zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft treten, wenn das Europäische Parlament und der Rat die Kommission vor Ablauf des Prüfungszeitraums davon in Kenntnis setzen, dass sie keine Einwände gegen den Rechtsakt erheben werden.

Hintergrund

Am 14. November 2018 einigten sich die Verhandlungsführer der Kommission und des Vereinigten Königreichs auf den Wortlaut des Austrittsabkommens. Am 22. November 2018 billigte die Kommission das vollständige Austrittsabkommen. Am 25. November 2018 billigte der Europäische Rat (Artikel 50) das Austrittsabkommen und ersuchte die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass das Abkommen am 30. März 2019 in Kraft treten kann, sodass der Austritt geordnet erfolgt.

Am 5. Dezember 2018 nahm die Kommission zwei Vorschläge für Beschlüsse des Rates über die Unterzeichnung bzw. den Abschluss des Austrittsabkommens an. Damit das Austrittsabkommen in Kraft treten kann, muss der Rat die Unterzeichnung des Textes im Namen der Union genehmigen. Anschließend muss das Europäische Parlament seine Zustimmung erteilen, bevor das Abkommen vom Rat abgeschlossen werden kann. Das Austrittsabkommen muss vom Vereinigten Königreich im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert werden.

Die Ratifizierung des Austrittsabkommens ist und bleibt Ziel und Priorität der Kommission. Wie die Kommission in ihrer ersten Mitteilung zur Vorbereitung auf den Brexit vom 19. Juli 2018 betont hat, wird der Beschluss des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu verlassen, unabhängig vom geplanten Szenario erhebliche Störungen verursachen.

Die Interessenträger sowie die nationalen und EU-Behörden müssen sich daher auf zwei mögliche Hauptszenarien vorbereiten:

  • Wird das Austrittsabkommen vor dem 30. März 2019 ratifiziert, tritt das EU-Recht ab dem 1. Januar 2021, d. h. nach einer Übergangsphase von 21 Monaten, für das Vereinigte Königreich und in dessen Hoheitsgebiet außer Kraft.
  • Wird das Austrittsabkommen hingegen nicht vor dem 30. März 2019 ratifiziert, gibt es keine Übergangsphase und das EU-Recht tritt ab dem 30. März 2019 für das Vereinigte Königreich und in dessen Hoheitsgebiet außer Kraft. Dieses Szenario wird als „No deal“ oder als „Sturz in den Abgrund“ bezeichnet.

Im vergangenen Jahr hat die Kommission 78 sektorspezifische Mitteilungen zur Vorbereitung auf den Brexit veröffentlicht, um die Öffentlichkeit über die Folgen eines Austritts des Vereinigten Königreichs ohne Austrittsabkommen zu informieren. Sie sind in sämtlichen Amtssprachen der EU erhältlich. Die Kommission hat auch technische Beratungen mit den Mitgliedstaaten der EU-27 über die Vorbereitung auf den Brexit geführt, sowohl zu allgemeinen Fragen als auch zu besonderen sektorspezifischen, rechtlichen und verwaltungstechnischen Schritten. Die in diesen Seminaren verwendeten Präsentationen sind online verfügbar.

Weitere Informationen:

Text der Mitteilung

Überblick über die heute angenommenen Texte

Fragen und Antworten zur heutigen Mitteilung

Website der Europäischen Kommission zur Vorbereitung auf den Brexit (mit Link zu den Mitteilungen zur Vorbereitung auf den Brexit)

Präsentationen über die Vorbereitung auf den Brexit

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
19. Dezember 2018
Autor
Vertretung in Deutschland