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Vertretung in Deutschland
  • Presseartikel
  • 29. Januar 2021
  • Vertretung in Deutschland
  • Lesedauer: 2 Min

Diskussion zur Vielfalt der Erinnerungskulturen: Wer erinnert wie an wen?

Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, hat die Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin zu einem Gespräch über die Art und Weise unseres Erinnerns geladen. Unter der Überschrift „Wer erinnert wie an wen –...

Jörg Wojahn erinnerte eingangs daran, dass die Europäische Union letztlich auf der Erfahrung der Shoa gründe und die EU-Kommission sicher daher der Erinnerung an die Shoa besonders verpflichtet fühle. Hetty Berg unterstrich, dass sich Erinnern nicht in Gedenktagen und staatlichem Erinnern erschöpfen dürfe und wies darauf hin, wie unterschiedlich bereits die Erinnerungskulturen der jüdischen Gemeinschaft sei. Sie betonte, wie wichtig es sei, die unterschiedlichen Formen der Erinnerungskultur zu respektieren, gleichzeitig aber an der Erinnerung anderer teilzuhaben, weil das Erinnerte letztlich alle Menschen in ihrem Menschsein beträfe.

Aladin El-Mafaalani sagte, kein anderes Land sei mit dem Erinnern so herausgefordert wie Deutschland und habe gleichzeitig in so kurzer Zeit seine Gesellschaft so stark geöffnet wie Deutschland. Das müsse Folgen für das Erinnern haben, denn eine wachsende Zahl von Menschen in Deutschland fehle es an familiären Bezügen zum Holocaust. Esra Küçük sah eine steigende Sensibilität der postmigrantischen Gesellschaft für die Frage, wem Erinnerungspraktiken dienten, für wen sie ritualisiert worden seien. Es brauche ein gleichberechtigtes Nebeneinander verschiedener Erinnerungskulturen, in Deutschland und in Europa, die nicht in Konkurrenz zueinander treten dürften.

Jo Frank mahnte an, dass man angesichts des Verlustes der letzten Zeitzeugen an neuen Formen der Erinnerungen arbeiten müsse, die idealerweise dynamisch und dialogisch seien. Das Bedürfnis nach Vergessen präge die Erinnerungskulturen in Deutschland immer noch zu stark. Dem wiederkehrenden Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft sei auch mit Mitteln des pluralistischen Erinnerns entgegenzutreten.

Erinnern diene vor allem einer besseren Zukunft, seine Formen müssten sich daher an den Zielen orientieren, welche eine Gesellschaft sich für die Zukunft setze. Um das zu leisten, müsse Erinnerungskultur konkret genug sein, das heißt in individuelles Handeln übersetzt werden können und auch in einer pluralistischen Gesellschaft Verbindlichkeit , betonten die Gäste.

Sylvia Löhrmann, Generalsekretärin des Festjahrs „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, in dessen Rahmen das Gespräch stattfand, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Pluralismus nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden dürfe. Grundwerte und Grundrechte seien nicht verhandelbar. Esra Küçük wünschte sich vor diesem Hintergrund eine Demokratie, die gleichzeitig pluralistisch und wehrhaft sei. Es müsse dennoch Ziel bleiben, Leugner und Hetzer soweit wie möglich einzubeziehen, so Hetty Berg. Am Ende formulierte Jo Frank den Wunsch, die Strategie gegen den Antisemitismus, welche die EU-Kommission Ende 2021 vorlegen wird, möge sich auch eine Pluralisierung der Erinnerungskulturen in Europa zum Ziel setzen.

Weitere Informationen

Der Mitschnitt der Veranstaltung

Kontakt: nikolaus [dot] von-peteratec [dot] europa [dot] eu (Nikolaus von Peter), Tel.: +49 (30) 2280-2230

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
29. Januar 2021
Autor
Vertretung in Deutschland