Zum Hauptinhalt
Vertretung in Deutschland
Presseartikel2. Februar 2017Vertretung in DeutschlandLesedauer: 5 Min

EU-Kartellwächter prüfen mutmaßlich wettbewerbswidrige Verhaltensweisen im Online-Handel

Die Europäische Kommission hat drei getrennte Untersuchungen eingeleitet, um zu prüfen, ob bestimmte Praktiken im Online-Handel Verbraucher daran hindern, Unterhaltungselektronik, Videospiele und Hotelübernachtungen über Grenzen hinweg auswählen und...

picture_2.jpg

(02.02.2017) - EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Der elektronische Handel sollte den Verbrauchern eine größere Auswahl an Waren und Dienstleistungen verschaffen und ihnen die Möglichkeit bieten, über Grenzen hinweg einzukaufen. Die drei Untersuchungen, die wir heute eingeleitet haben, konzentrieren sich auf Verhaltensweisen, bei denen wir den Verdacht haben, dass sie von den betreffenden Unternehmen eingesetzt werden, um den Verbrauchern diese Vorteile zu verwehren. Es geht um die Bereiche Unterhaltungselektronik, Videospiele und Hotelübernachtungen. Wir werden prüfen, ob die betroffenen Unternehmen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen, indem sie die Einzelhandelspreise in unlauterer Weise beschränken oder Kunden aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Standortes bestimmte Angebote vorenthalten.“

Obwohl immer mehr Waren und Dienstleistungen weltweit über das Internet gehandelt werden, wächst der grenzüberschreitende Onlinehandel innerhalb der EU nur langsam. In ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt nennt die Kommission eine Reihe rechtlicher Hindernisse für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel und schlägt verschiedene Initiativen vor, um diese auszuräumen.

Es gibt allerdings auch Hinweise darauf, dass Unternehmen selbst Hindernisse für den grenzüberschreitenden Online-Handel errichten, um so den EU-Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen aufzuteilen und Wettbewerb zu verhindern. Die Kommission hat daher eine Untersuchung eingeleitet mit dem Ziel, Marktinformationen zu erheben, um die Art, die Häufigkeit und die Auswirkungen dieser Hindernisse für den elektronischen Handel besser zu verstehen und auf der Grundlage des EU-Kartellrechts zu bewerten.

Die Kommission hat diese drei Untersuchungen heute eingeleitet, um folgende Probleme anzugehen: Einzelhandelspreisbeschränkungen, Diskriminierung auf der Grundlage des Standortes und Geoblocking. Die vorläufigen Ergebnisse der wettbewerbsrechtlichen Sektoruntersuchung der Kommission im elektronischen Handel zeigen, dass derartige Beschränkungen in der EU weit verbreitet sind.

Unter bestimmten Bedingungen können diese Verhaltensweisen grenzüberschreitende Einkäufe und Online-Einkäufe allgemein erschweren und letztlich den Verbrauchern schaden, da sie ihnen eine größere Auswahl und niedrigere Preise im elektronischen Handel verwehren. Diese Verhaltensweisen könnten gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen, nach denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen zwischen Unternehmen verboten sind (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV).

Hersteller von Unterhaltungselektronik

Die Kommission prüft zurzeit, ob Asus, Denon & Marantz, Philips und Pioneer gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben, indem sie die Möglichkeit der Online-Einzelhändler, eigene Preise für weit verbreitete Produkte der Unterhaltungselektronik wie Notebooks und Fi-Fi-Produkte festzulegen, eingeschränkt haben.

Die Auswirkungen dieser mutmaßlichen Preisbeschränkungen könnten noch dadurch verstärkt werden, dass viele Online-Einzelhändler Software zur Preisfestsetzung einsetzen, die die Einzelhandelspreise automatisch an jene führender Wettbewerber anpasst. Infolgedessen könnten die fraglichen Verhaltensweisen weitreichende Auswirkungen auf die Online-Preise der betreffenden Unterhaltungselektronik gehabt haben.

Die Kommission führt diese eingehende Untersuchung auf eigene Initiative durch.

Videospiele

Die Kommission prüft derzeit bilaterale Vereinbarungen zwischen der Valve Corporation, der Eigentümerin der Spiele-Vertriebsplattform Steam, und den fünf Videospiel-Herausgebern Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax. Die Untersuchung hat Geoblocking-Praktiken zum Gegenstand, bei denen die Unternehmen Verbraucher daran hindern, digitale Inhalte (in diesem Fall PC-Videospiele) zu kaufen, weil sich die Verbraucher im Ausland befinden bzw. dort ihren Wohnsitz haben.

Nach dem Kauf bestimmter PC-Videospiele müssen die Nutzer vor der Verwendung des Spiels bestätigen, dass es sich nicht um eine Raubkopie handelt. Dies geschieht über einen „Aktivierungsschlüssel“ auf der Vertriebsplattform Steam. Diese Vorgehensweise kommt bei einer breiten Palette von Spielen zum Einsatz, unter anderem bei Sport-, Simulations- und Actionspielen.

Die Untersuchung konzentriert sich auf die Frage, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen den Einsatz von Aktivierungsschlüsseln zum Zwecke des Geoblockings vorschreiben bzw. vorgeschrieben haben. Ein „Aktivierungsschlüssel“ kann nur den Verbrauchern in einem bestimmten EU-Mitgliedstaat (z. B. in der Tschechischen Republik oder in Polen) Zugang zu einem gekauften Spiel gewähren. Dies könnte einen Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften darstellen, da der grenzüberschreitende Wettbewerb infolge der Beschränkung des sogenannten „Parallelhandels“ im Binnenmarkt beeinträchtigt und Verbraucher daran gehindert werden, Spiele zu günstigeren Preisen aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen.

Die Kommission führt diese eingehende Untersuchung auf eigene Initiative durch.

Diskriminierung bei Hotelpreisen

Nach Beschwerden von Kunden prüft die Kommission nun Vereinbarungen in der Hotellerie zwischen den größten europäischen Reiseveranstaltern einerseits (Kuoni, REWE, Thomas Cook und TUI) und Hotels andererseits (Meliá Hotels). Die Kommission begrüßt zwar, dass Hotels innovative Preissetzungsmechanismen entwickeln und einführen, um ihre Zimmerauslastung zu maximieren, allerdings dürfen Hotels und Reiseveranstalter ihre Kunden nicht aufgrund ihres Standorts diskriminieren. Die in Rede stehenden Vereinbarungen könnten Bestimmungen enthalten, die zu einer Diskriminierung der Kunden aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Wohnsitzes führen. Infolgedessen würden den Kunden nicht alle verfügbaren Hotelzimmer angezeigt, und sie könnten die Zimmer nicht zu den günstigsten Preisen buchen.

Dies könnte gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen, da die Verbraucher allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Wohnsitzes daran gehindert werden, Hotelzimmer zu den von Reiseveranstaltern in anderen Mitgliedstaaten angebotenen günstigeren Konditionen zu buchen. Dies würde zu einer Fragmentierung des Binnenmarktes führen.

Hintergrund

Artikel 101 AEUV verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen.

Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis des Verfahrens nicht vor. Mit der Verfahrenseinleitung entfällt die Zuständigkeit der jeweiligen mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden für die Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts in der Sache.

Für den Abschluss einer kartellrechtlichen Untersuchung gibt es keine verbindliche Frist. Die Dauer einer solchen Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der Komplexität des Falls, der Bereitschaft des betroffenen Unternehmens zur Zusammenarbeit mit der Kommission sowie der Ausübung der Rechte auf Verteidigung.

Die heute angekündigten Untersuchungen in den Bereichen Unterhaltungselektronik und Videospiele sind die ersten, mit denen einigen der Probleme nachgegangen werden soll, die die Kommission im Rahmen ihrer Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel festgestellt hat.

Weitere Informationen zu diesen Untersuchungen werden im öffentlich zugänglichen Register auf der Website der GD Wettbewerb unter folgenden Nummern veröffentlicht: für die Untersuchung zu den Videospielen unter den Nummern 40413 (Focus Home), 40414 (Koch Media), 40420 (ZeniMax), 40422 (Bandai Namco) und 40424 (Capcom); für die Untersuchung zu den Hotelpreisen unter der Nummer 40308 und für die Untersuchung zu den Einzelhandelspreisabsprachen unter den Nummern 40465 (Asus), 40469 (Denon & Marantz), 40181 (Philips) und 40182 (Pioneer).

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
2. Februar 2017
Autor
Vertretung in Deutschland