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Vertretung in Deutschland
Presseartikel27. November 2019Vertretung in DeutschlandLesedauer: 9 Min

EU-Parlament bestätigt von der Leyen-Kommission 2019-2024

Das Europäische Parlament hat die neue Europäische Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen heute (Mittwoch) in Straßburg mit großer Mehrheit gewählt. Nach Zustimmung des Rates kann die neue Kommission nun am 1. Dezember 2019 ihre...

Für die neue Kommission votierten in einer namentlichen Abstimmung 461 Abgeordnete, 157 dagegen. 89 Abgeordnete enthielten sich. Das Parlament hatte Ursula von der Leyen bereits im Juli als künftige Präsidentin gewählt. In den vergangenen Wochen folgten die Anhörungen der einzelnen Kommissarsanwärterinnen und –anwärter, die von den Mitgliedstaaten nominiert worden waren. Heute folgte die Wahl des gesamten Kollegiums, das nun vom Rat noch einmal formell bestätigt wird und damit ab dem kommenden Sonntag, den 1. Dezember im Amt sein wird.

In ihrer Rede vor den Abgeordneten präzisierte von der Leyen ihr Programm, das sie im Juli vor ihrer Wahl vorgestellt hatte. Dabei bestätigte sie auch eine Reihe von Änderungen von Aufgabenbereichen, die das Parlament nach den Anhörungen gefordert hatte.

Eingangs erinnerte von der Leyen an die Wende vor 30 Jahren und die Lehren aus dieser Zeit für die kommenden Jahre. „Wenn ich auf unsere Zukunft blicke, kommt mir vor allem ein Zitat des großen Vaclav Havel – einer der Helden von 1989 – in den Sinn: , Arbeiten Sie für eine Sache, weil Sie von ihr überzeugt sind, nicht nur, weil sie Aussicht auf Erfolg hat.‘ Dieses Zitat habe ich ausgewählt, weil unsere Union in den kommenden fünf Jahren gemeinsam eine Transformation einleiten wird, die alle Teile unserer Gesellschaft und Wirtschaft erfasst. Und dies werden wir tun, weil wir davon überzeugt sind. Und nicht, weil es leicht ist. Wir vergessen mitunter, dass unsere größten Errungenschaften stets das Ergebnis mutiger Entscheidungen waren“, sagte von der Leyen mit Blick etwa auf die Einführung des Euro oder die Osterweiterung.

In den vergangenen Jahren habe Europa Krisen bewältigen und den Bestand seiner Einheit und Solidarität kämpfen müssen. „Wenn wir daraus gestärkt hervorgegangen sind – und ich glaube, das sind wir – so ist dies zu einem großen Teil der Führungs- und Überzeugungskraft meines Vorgängers zu verdanken“, sagte von der Leyen. „Jean-Claude Juncker ist ein großer Europäer. Er hat sein Herz, seine Seele und sein Leben unserer Union verschrieben und sein Erbe spricht für sich selbst.“

Die neue EU-Kommission: Ein Team aus fast gleich vielen Frauen und Männern

In der neuen EU-Kommission sind Lehrer und Landwirte, Bürgermeister und Minister, Ärzte und Diplomaten, Ingenieure und Unternehmer vertreten. „Einige wurden vor Errichtung der Berliner Mauer, andere nach deren Fall geboren. Einige haben Diktaturen erlebt, andere junge Demokratien auf ihrem Weg in unsere Union begleitet. Es ist ein Team mit fast gleich vielen Frauen und Männern - wir sind nur eine Frau von einem ausgewogenen Verhältnis entfernt. Dies zeigt, dass wir echte Fortschritte erzielt haben, aber nach wie vor mehr tun müssen. Als erste Frau an der Spitze der Kommission habe ich dafür gesorgt, dass die Kabinette aller Kommissionsmitglieder zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen – zum allerersten Mal. Und bis zum Ende unserer Amtszeit werden wir auf allen Führungsebenen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis vorweisen können – zum allerersten Mal. Dies wird das Gesicht der Kommission verändern“, sagte von der Leyen.

„Wir können diejenigen sein, die die Weltordnung zum Besseren hin formen“

Zu den anstehenden Herausforderungen für Europa in der Welt sagte die gewählte Präsidentin: „Wir leben in einer unruhigen Welt, in der zu viele Mächte nur die Sprache der Konfrontation und des Unilateralismus sprechen. Doch gehen in dieser Welt auch Millionen Menschen auf die Straße, um gegen Korruption zu demonstrieren oder demokratischen Wandel einzufordern. Die Welt braucht unsere Führung mehr denn je. Wir müssen in dieser Welt auch weiterhin eine verantwortungsvolle Macht bleiben. Treibende Kraft für Frieden und Veränderungen zum Besseren hin sein.

Wir müssen unseren Partnern bei den Vereinten Nationen zeigen, dass sie sich auf uns als einen Vorreiter des Multilateralismus verlassen können. Wir müssen unseren Freunden im westlichen Balkan zeigen, dass wir demselben Kontinent angehören, eine Geschichte und eine Kultur teilen und auch unser Schicksal teilen werden. Unsere Tür bleibt offen.

Auch mit unseren transatlantischen Partnern verbindet uns ein gemeinsames Schicksal. Ja, es gibt Meinungsverschiedenheiten – ganz ohne Frage. Doch unsere Bande haben den Prüfungen der Zeit standgehalten. Während wir hier sprechen, bahnen Tausende Studenten, Wissenschaftler, Unternehmer und Künstler auch weiterhin zahllose Freundschaften, Geschäftskontakte und Forschungsprojekte an.

Diese unzähligen feinen Bande ergeben zusammengenommen eine Verbindung, die jede Meinungsverschiedenheit übersteht. Von Ost nach West und von Süd nach Nord brauchen die Länder dieser Welt Europa als echten Partner. Wir können diejenigen sein, die die Weltordnung zum Besseren hin formen. Wir werden in Allianzen und Koalitionen investieren, um unsere Werte voranzubringen. Wir werden die Interessen Europas durch einen offenen und fairen Handel fördern und schützen. Wir werden unsere Partner durch Kooperation stärken, denn starke Partner stärken auch Europa.

Meine Kommission wird sich nicht scheuen, selbstbewusst und bestimmt aufzutreten. Doch werden wir es auf unsere, die europäische Art tun. Dies ist die geopolitische Kommission, die ich im Sinn habe und die Europa dringend braucht.“

Klimaschutz: „Der europäische Grüne Deal ist ein Muss“

Die Welt benötige Europas Führung im Klimaschutz, der für Europa und für den Rest der Welt von existenzieller Bedeutung sei, so von der Leyen. „Wie kann dies anders sein, wenn 85 Prozent der ärmsten Menschen in den 20 am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern leben? Wie kann dies anders sein, wenn Venedig unter Wasser steht, Portugals Wälder brennen und Litauens Ernten aufgrund von Trockenheit um die Hälfte eingebrochen sind? Natürlich hat es all dies auch vorher schon gegeben, aber noch nie in dieser Häufigkeit und dieser Stärke.

Wir haben keine Zeit zu verschwenden. Je schneller Europa sich bewegt, desto besser wird dies für unsere Bürgerinnen und Bürger, unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand sein. Der europäische Grüne Deal ist ein Muss, wenn wir die Gesundheit unserer Erde und unserer Menschen – und nicht zuletzt auch unserer Wirtschaft schützen wollen.“

Der europäische Grüne Deal, den Frans Timmermans als Exekutiver Vizepräsident federführend umsetzen soll, sei auch eine Wachstumsstrategie und werde helfen, Emissionen zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen. Von der Leyen stellte eine entsprechende Industriestrategie in Aussicht. „Bis zur Mitte des Jahrhunderts wollen wir einen Generationen übergreifenden Übergang zur Klimaneutralität schaffen. Doch dieser Übergang muss gerecht und inklusiv sein, sonst wird er nicht gelingen .“

Digitalisierung: „Europa kann das“

Um die großen Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Risiken einzudämmen, müsse die Europäische Union klug ausgleichen, wo es der Markt nicht könne, sagte von der Leyen. „Wir müssen sowohl unseren europäischen Wohlstand als auch unsere Werte schützen. Wir müssen unseren europäischen Weg auch im digitalen Zeitalter weitergehen.“

Konkret bedeute dies, Europa müsse Schlüsseltechnologien beherrschen und besitzen. Dazu gehören Quantencomputer, Künstliche Intelligenz, Blockchain, und kritische Chiptechnologien. Europa habe alle Wissenschaftler und industriellen Kapazitäten, um auf diesen Feldern wettbewerbsfähig zu sein. „Lassen wir uns das nicht klein reden“, sagte von der Leyen.

Zu einer zukunftsfähigen Infrastruktur zählte von der Leyen gemeinsame Standards, Gigabit-Netzwerke und sichere Clouds der heutigen und der nächsten Generation. Das Rohmaterial der Digitalisierung, die Daten, müsse Europa verantwortungsvoll, aber besser nutzen: „So wie wir bei der Datenschutzgrundverordnung den Rahmen für die Welt gesetzt haben, so müssen wir dieses auch bei der Künstlichen Intelligenz tun. Weil wir in Europa vom Menschen her denken. Es geht nicht darum, den Datenfluss einzudämmen. Es geht darum, dass wir die Regeln setzen, wie verantwortungsvoller Umgang mit Daten geht. Für uns hat der Schutz der digitalen Identität oberste Priorität. Gleichzeitig wollen wir Innovationen. Heute werden 85 Prozent aller nicht-personen bezogenen Daten nicht ein einziges Mal genutzt. Das ist Verschwendung. Die in den Daten schlummernden Erkenntnisse müssen wir nutzen. Wir müssen einen Rahmen beschreiben, damit Regierungen und Unternehmen Daten teilen und in einem sicheren Pool zur Verfügung stellen können“, sagte von der Leyen. Diese Datenstrategie werde Kommissar Thierry Breton entwickeln.

„Das alles kann uns gelingen, wenn wir gemeinsam vorgehen, wenn wir auf unseren europäischen Werten aufbauen. Und dann bin ich zuversichtlich, dass Europa auch im digitalen Zeitalter eine führende Rolle spielen wird. Europa kann das!“

Für eine faire Wirtschaft

Seit Jahren schon investieren Europa weniger in Innovation als globale Konkurrenten, sagte von der Leyen. „Deshalb sollten wir den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen nicht als bloße Rechenübung betrachten. Vor sieben Jahren sah die Welt vollkommen anders aus, als sie in sieben Jahren sein wird.Unser Haushalt muss grundlegend modernisiert werden.“

„Doch öffentliche Mittel allein werden nicht reichen. Wir müssen sicherstellen, dass Investitionen dorthin fließen können, wo sie gebraucht werden, und zu diesem Zweck die Kapitalmarktunion vollenden. (…) Gleiches gilt für die Bankenunion. Wir müssen sie vollenden, damit unser Finanzsystem stärker und widerstandsfähiger wird.“ Diese Aufgabe habe sie Valdis Dombrovskis anvertraut, der für eine Wirtschaft eintreten werde, deren Rechnung für die Menschen aufgeht mit hochwertigen Arbeitsplätzen, Chancengleichheit, fairen Arbeitsbedingungen und Inklusion.

Neustart in der Migrationspolitik

Die Frage der Migration habe Europa gespalten, sagte von der Leyen. Sie bekräftigte ihre Absicht, einen Neustart für eine Asylreform zu machen. „Wir sollten jetzt einen Schritt nach vorn tun. Wir brauchen Lösungen, die für alle funktionieren“, sagte von der Leyen. „Die Migration wird nicht aufhören – sie wird uns weiter beschäftigen. Deshalb muss ein Europa, das so viel auf seine Werte und auf Rechtsstaatlichkeit hält, in der Lage sein, eine Antwort zu finden, die sowohl human als auch nachhaltig ist.“

„Europa wird im Kampf gegen den Krebs die Führung übernehmen“

„Als ich ein junges Mädchen war und in Brüssel lebte, starb meine kleine Schwester mit elf Jahren an Krebs. Ich erinnere mich an das Gefühl der völligen Hilflosigkeit meiner Eltern – aber auch an die Ärzte und Pfleger, die sich so rührend um sie kümmerten. Ein jeder von uns hat Ähnliches erlebt – oder kennt jemanden, dem es ähnlich ergangen ist. Die Zahl der Krebserkrankungen nimmt zu, aber bei Diagnose und Behandlung werden wir besser. Europa wird im Kampf gegen den Krebs die Führung übernehmen. Anfang nächsten Jahres wird Stella Kyriakides einen ehrgeizigen Plan zur Krebsbekämpfung auflegen.“

„Gemeinsam können wir es schaffen“

Abschließend sagte von der Leyen: „Wenn wir unsere Arbeit gut machen, wird Europa bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein. Es wird eine digitale Weltmacht sein. Es wird weiterhin die Wirtschaftsmacht mit der besten Balance zwischen Markt und Sozialem sein. Es wird bei der Lösung der großen Fragen der Weltpolitik eine Führungsrolle übernehmen. Der Weg dorthin ist beschwerlich, die Aufgabe nicht leicht. Aber gemeinsam können wir es schaffen.“

Weitere Informationen:

Vollständige Rede der gewählten Kommissionspräsidentin von der Leyen im Europäischen Parlament anlässlich der Debatte zur Vorstellung ihres Kollegiums und ihres Programms

Überblick über die Mitglieder der von der Leyen-Kommission

Wahl der von der Leyen-Kommission im Europäischen Parlament: Fotos und Videos

Pressekontakt: Reinhard [dot] HOENIGHAUSatec [dot] europa [dot] eu ( Reinhard Hönighaus ) , Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
27. November 2019
Autor
Vertretung in Deutschland