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Vertretung in Deutschland
Presseartikel13. April 2016Vertretung in DeutschlandLesedauer: 6 Min

EU-Untersuchung zu Stromkapazitätsmechanismen macht erhebliche Unzulänglichkeiten deutlich

Die Sektoruntersuchung der europäischen Wettbewerbsaufsicht in Bezug auf die nationalen Maßnahmen zur Sicherung einer ausreichenden Stromversorgung (sogenannte Kapazitätsmechanismen) hat ergeben, dass diese zwar die Stromversorgungssicherheit erhöhen...

Energie

13.04.2016 - Dies geht aus einem heute (Mittwoch) veröffentlichten Zwischenbericht der EU-Kommission hervor.

Kapazitätsmechanismen, die nicht erforderlich oder schlecht konzipiert sind, können zu Wettbewerbsverzerrungen, Hindernissen für die grenzüberschreitende Durchleitung von Strom und überhöhten Strompreisen führen. Die Europäische Kommission fordert die Mitgliedstaaten, Interessenträger im Stromsektor und andere Beteiligte nun auf, zu ihren vorläufigen Feststellungen Stellung zu nehmen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Blackout sollte für die europäischen Unternehmen und Verbraucher ein Fremdwort sein. Kapazitätsmechanismen können dabei helfen, Stromausfälle zu vermeiden. Auf der anderen Seite sollten Verbraucher keine überhöhten Strompreise zahlen müssen, und es darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Wie der heute veröffentlichte Bericht zeigt, besteht in den Mitgliedstaaten erheblicher Verbesserungsspielraum bei der Bedarfsprüfung und der genauen Ausgestaltung von Kapazitätsmechanismen. Gut ausgestaltete Kapazitätsmechanismen zeichnen sich durch Offenheit und dadurch aus, dass die Möglichkeit, Strom aus dem Ausland zu beziehen, berücksichtigt wird. Auf diese Weise tragen sie auch zum Aufbau einer Energieunion in Europa bei."

Im April 2015 hat die Kommission eine beihilferechtliche Sektoruntersuchung in Bezug auf die nationalen Maßnahmen eingeleitet, mit denen sichergestellt werden soll, dass jederzeit angemessene Stromerzeugungskapazitäten zur Verfügung stehen und die Stromversorgung gesichert ist (sogenannte Kapazitätsmechanismen). Die Untersuchung zielt darauf ab, Informationen über die Kapazitätsmechanismen zu sammeln, damit insbesondere geprüft werden kann, ob sie eine ausreichende Stromversorgung gewährleisten, ohne den Wettbewerb oder den Handel im EU-Binnenmarkt zu verzerren. Die Untersuchung ergänzt die Strategie der Kommission für die Energieunion, mit der ein vernetzter, integrierter und sicherer Energiemarkt in Europa geschaffen werden soll.

Im Laufe des seither vergangenen Jahres sind bei der Kommission umfangreiche Informationen von mehr als 120 Marktteilnehmern und öffentlichen Stellen über die ehemaligen, bestehenden und geplanten Kapazitätsmechanismen in folgenden 11 Mitgliedstaaten eingegangen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal, Spanien und Schweden. In diesen Mitgliedstaaten bestehen 28 Kapazitätsmechanismen, die sechs Kategorien zugewiesen werden können. Der gängigste Mechanismus sind strategische Reserven, bei denen der Staat bestimmte Kraftwerke dafür bezahlt, dass sie im Bedarfsfall wieder ans Netz gehen. In der jüngeren Vergangenheit getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten lassen darauf schließen, dass es ferner eine Tendenz zur Einführung offenerer und inklusiver Mechanismen gibt, an denen sich Kapazitätsanbieter sämtlicher Kategorien beteiligen können. Dies ist eine positive Entwicklung: Wenn eine echte Energieunion geschaffen und die Kosten für Verbraucher und Unternehmen möglichst gering gehalten werden sollen, müssen diese Kapazitätsmechanismen allen in- und ausländischen Versorgern unabhängig von der verwendeten Technik offenstehen.

Aus dem heute veröffentlichten Zwischenbericht geht jedoch hervor, dass die Mitgliedstaaten in vielen Fällen nicht hinreichend und belastbar analysieren, ob sie Kapazitätsmechanismen wirklich benötigen. Außerdem lässt die Untersuchung erkennen, dass manche der bestehenden Mechanismen zielgerichteter und kosteneffizienter ausgestaltet werden könnten. Diese Erkenntnisse greifen der Beurteilung der Vereinbarkeit der einzelnen Kapazitätsmechanismen mit den EU-Beihilfevorschriften nicht vor, die einer Einzelfallprüfung unterliegt.

Kapazitätsmechanismen sind in bestimmten Fällen erforderlich,...

Einige Mitgliedstaaten bringen ihre Sorge darüber zum Ausdruck, dass das Stromangebot den Bedarf bald möglicherweise nicht mehr decken kann, da wegen Unsicherheiten am Markt und regulatorischen Eingriffen nicht ausreichend in die Stromversorgung investiert werde. Zudem muss der Bedarf auch dann vollständig gedeckt werden, wenn die Stromerzeugung aus den schwankungsanfälligen erneuerbaren Energiequellen nicht ausreicht (etwa weil gerade weniger Wind- oder Sonnenenergie zur Verfügung steht).

Nach den vorläufigen Untersuchungsergebnissen würde der Markt in bestimmten Regionen aus eigener Kraft derzeit keine angemessene Versorgungssicherheit gewährleisten. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass in mehreren Ländern eher niedrige Preisobergrenzen bestehen oder die Investoren offenbar davon ausgehen, dass die Strompreise in Zeiten von Strommangel nicht so stark steigen, als dass sich Investitionen in Erzeugungskapazitäten lohnen würden. Die aktuellen Reformpläne zur Umgestaltung des Strommarktes – eines der Hauptziele der EU im Bereich der Energieunion – zielen auf eine erhebliche Verbesserung des Funktionierens der Märkte ab. Kapazitätsmechanismen können jedoch in bestimmten Fällen erforderlich sein, beispielsweise um in Übergangszeiträumen auftretende Engpässe zu überbrücken.

... es muss jedoch ein tatsächlicher Bedarf bestehen...

Aus den vorläufigen Untersuchungsergebnissen der Kommission geht hervor, dass viele Kapazitätsmechanismen entworfen wurden, ohne dass vorher geprüft worden wäre, ob die Versorgungssicherheit auf dem betreffenden Markt überhaupt gefährdet ist. Fast die Hälfte der untersuchten Mitgliedstaaten hat nicht angemessen ermittelt, welches Versorgungsniveau in ihrem Hoheitsgebiet sichergestellt werden muss, bevor der Kapazitätsmechanismus eingerichtet wurde. Zudem sind die Methoden zur Bewertung der Versorgungssicherheit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich, was den Vergleich und die Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg erschwert. Viele Bedarfsprüfungen erfolgen aus rein nationaler Perspektive und lassen die Möglichkeit, dass Strom auch aus dem Ausland bezogen werden kann, unberücksichtigt. Solange kein detaillierter und einheitlicher Ansatz zur Feststellung von Problemen und Bewertung von Risiken vorliegt, besteht die Gefahr, dass öffentliche Mittel zur Finanzierung teurer, nicht erforderlicher Kapazitäten verwendet werden und höhere Preise für die Verbraucher und Unternehmen in der EU zur Folge haben.

... und die Ausgestaltung muss verbessert werden

Laut dem Zwischenbericht bestehen in einer Reihe von Mitgliedstaaten erhebliche Probleme in Bezug auf die Ausgestaltung der Kapazitätsmechanismen. Erstens stellte die Kommission fest, dass viele Mitgliedstaaten nicht angemessen geprüft hatten, auf welchem Weg die Versorgungssicherheit am besten gewährleistet werden kann. Zweitens wird der Preis für Stromkapazitäten in den meisten Mitgliedstaaten nicht durch ein wettbewerbliches Verfahren ermittelt, sondern entweder vom Mitgliedstaat festgesetzt oder bilateral zwischen dem Mitgliedstaat und dem Kapazitätsanbieter ausgehandelt. Dies birgt eine erhebliche Gefahr von Überkompensation und damit einhergehender Subventionierung des Stromanbieters. Drittens sind viele Kapazitätsmechanismen nicht für alle potenziellen Kapazitätsanbieter bzw. Technologien offen. Dies kann dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern unnötig eingeschränkt wird oder der für die Kapazitäten gezahlte Preis zu hoch ausfällt. Schließlich ergab die Untersuchung, dass Kraftwerke aus anderen Mitgliedstaaten meistens von der direkten oder indirekten Beteiligung an nationalen Regelungen ausgeschlossen sind.

Wenn sich diese Bedenken bestätigen, könnten die Kapazitätsmechanismen den Wettbewerb verzerren und zu höheren Energiepreisen führen, weil bestimmte Stromerzeuger bzw. Technologien übermäßig begünstigt werden, und sie zudem den grenzüberschreitenden Stromhandel beeinträchtigen.

Nächste Schritte

Der heute veröffentlichte Zwischenbericht wird nun einer öffentlichen Konsultation unterzogen. Die Kommission bittet die Mitgliedstaaten, Interessenträger im Stromsektor und andere Beteiligte, bis zum 6. Juli 2016 zu dem Zwischenbericht und dem beigefügten Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen Stellung zu nehmen. Unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen wird die Kommission noch in diesem Jahr einen Abschlussbericht über die Ergebnisse der Sektoruntersuchung veröffentlichen. Bis dahin wird die Kommission prüfen, inwieweit die Kapazitätsmechanismen mit den EU-Beihilfevorschriften und insbesondere den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 vereinbar sind.

Außerdem trägt die Sektoruntersuchung zu den Zielen der Kommission im Bereich der Energieunion bei. So werden die Ergebnisse der Untersuchung in die Legislativvorschläge zur Umgestaltung der Strommärkte einfließen, die im Laufe dieses Jahres vorgelegt werden sollen.

Weitere Informationen:

Detailliertere Informationen sind dem Factsheet zu entnehmen.

Der Zwischenbericht und das Arbeitsdokument sind hier abrufbar.

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet der Infopunkt der Berliner Vertretung der Europäischen Kommission per infoateuropa-punkt [dot] de (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
13. April 2016
Autor
Vertretung in Deutschland