Im zweiten Teil des Herbstpakets des Europäischen Semesters legt die Europäische Kommission politische Leitlinien für die wirtschaftspolitische Steuerung im kommenden Jahr vor. Konkret veröffentlicht sie Vorschläge für eine Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets für 2025, den Warnmechanismus-Bericht 2025 und den Vorschlag der Kommission für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2025. Mit dem ersten Teil des Herbstpakets vom 26. November hatte der erste Umsetzungszyklus gemäß dem neuen Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung begonnen. Im Rahmen des Warnmechanismus Berichts für potenzielle makroökonomische Ungleichgewichte werden Deutschland und weitere EU-Länder eingehenden Prüfungen unterzogen.
Stéphane Séjourné, Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission für Wohlstand und Industriestrategie, erklärte: „Auf der Grundlage unserer Analysen haben wir politische Leitlinien zur Förderung von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität formuliert. Das bedeutet erstens die Schließung der Innovationslücke gegenüber unserer wirtschaftlichen Konkurrenz, zweitens einen gemeinsamen Plan, der sowohl die Dekarbonisierung als auch die Wettbewerbsfähigkeit angeht, um den Übergang zu beschleunigen und die Energiekosten zu senken, und drittens die Erhöhung der Sicherheit und den Abbau von Abhängigkeiten. Daher bilden unsere Empfehlungen und Analysen die Grundlage für die wichtige politische Initiative, die die Europäische Kommission im Januar veröffentlichen wird: den Kompass für Wettbewerbsfähigkeit.“
Roxana Mînzatu, Exekutiv-Vizepräsidentin für soziale Rechte und Kompetenzen, hochwertige Arbeitsplätze und Vorsorge: „Trotz der robusten Entwicklung am Arbeitsmarkt – einschließlich einer Erholung der Reallöhne – gibt es noch viel zu tun. Wir brauchen ehrgeizige Maßnahmen sowohl im Hinblick auf die Verteilung der Arbeitsplätze, insbesondere für benachteiligte und unterrepräsentierte Gruppen, als auch auf den weitverbreiteten Mangel an Fach- und Arbeitskräften und die ausbleibenden Erfolge in Bezug auf Armut. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit gezielt zu stärken, müssen wir Kompetenzen und hochwertige Arbeitsplätze fördern und eine umfassende Strategie zur Armutsbekämpfung ausarbeiten.“
Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar für Wirtschaft und Produktivität sowie für die Umsetzung und Vereinfachung, sagte: „Die EU steht vor schwerwiegenden strukturellen Herausforderungen, die unseren langfristigen Wohlstand bedrohen. Wir müssen dringend handeln.“
Warnmechanismus-Bericht: Eingehende Prüfungen unter anderem für Deutschland
Deutschland und weitere EU-Ländern werden im kommenden Jahr im Rahmen des Warnmechanismus-Berichts einer eingehenden Prüfung unterzogen. Der Bericht dient als Screening-Instrument für potenzielle makroökonomische Ungleichgewichte, die sich auf die Wirtschaft einzelner Mitgliedstaaten oder der EU insgesamt auswirken könnten. Er zeigt auf, bei welchen Mitgliedstaaten eingehende Überprüfungen möglicher Ungleichgewichte nötig sind. Im kommenden Jahr sind dies neben Deutschland auch Griechenland, Italien, Niederlande, Rumänien, Schweden, Slowakei, Ungarn und Zypern. Bei diesen wurden 2024 Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt.
Aus dem diesjährigen Warnmechanismus-Bericht geht hervor, dass auch Estland eingehend überprüft werden sollte, da dort spezifische Risiken neu entstehender Ungleichgewichte vorliegen. Estland ist aufgrund des starken Kostendrucks, einer sich verschlechternden Leistungsbilanz sowie steigender Wohnimmobilienpreise und Kreditaufnahme der privaten Haushalte mit weiteren Einbußen bei der Kostenwettbewerbsfähigkeit konfrontiert.
Vorschlag für eine Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets für 2025
Mit der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet erhalten dessen Mitgliedstaaten Ratschläge für Maßnahmen zu Themen, die die Funktionsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets insgesamt betreffen.
In der diesjährigen Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets werden dessen Mitgliedstaaten aufgefordert, sowohl einzeln – unter anderem durch die Umsetzung ihrer nationalen Aufbau- und Resilienzpläne – als auch gemeinsam im Rahmen der Euro-Gruppe Maßnahmen zu ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu stärken und die makroökonomische und finanzielle Stabilität weiterhin zu gewährleisten.
In der Empfehlung wird insbesondere Folgendes gefordert:
- Stärkung der Innovation, auch in Bezug auf kritische Technologien,
- verbesserte Rahmenbedingungen für Unternehmen, vereinfachter Zugang zu Finanzmitteln, weniger Verwaltungsaufwand und unkompliziertere Rechtsvorschriften,
- Unterstützung öffentlicher und privater Investitionen in Bereichen mit gemeinsamen Prioritäten wie dem grünen und dem digitalen Wandel und dem Aufbau von Verteidigungsfähigkeiten,
- Förderung von Weiterbildung und Umschulung von Arbeitskräften und gleichzeitige weitere Erhöhung der Erwerbsbeteiligung,
- Gewährleistung der Einhaltung des neuen haushaltspolitischen Rahmens, Verbesserung der Schuldentragfähigkeit und Überwachung der Risiken für die makrofinanzielle Stabilität.
Vorschlag für einen Gemeinsamen Beschäftigungsbericht
Der Vorschlag für einen Gemeinsamen Beschäftigungsbericht bestätigt, dass der EU-Arbeitsmarkt weiterhin bemerkenswert widerstandsfähig ist. Die Beschäftigungsquote in der EU erreichte 2023 einen Rekordhoch von 75,3 Prozent und stieg im zweiten Quartal 2024 weiter auf 75,8 Prozent. Gleichzeitig sank die Arbeitslosenquote im Jahr 2023 auf einen historischen Tiefstand von 6,1 Prozent, und dieser Trend setzt sich auch 2024 fort. Die Arbeitsproduktivität ist 2023 weiter zurückgegangen, nachdem sie zwischen 2010 und 2019 bereits deutlich abgenommen hatte. Dies könnte die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der EU beeinträchtigen und die Aufrechterhaltung des aktuellen Niveaus des Wirtschaftswachstums, der Schaffung von Arbeitsplätzen und des Lebensstandards erschweren.
In der zweiten Jahreshälfte 2023 begannen sich die Reallöhne dank des nachlassenden Inflationsdrucks zu erholen. Die in den Vorjahren erlittenen Einbußen bei der Kaufkraft sind jedoch noch nicht wieder vollständig ausgeglichen. Daher braucht es angemessene Mindestlöhne, um Geringverdiener zu schützen, Fälle von Armut trotz Erwerbstätigkeit zu bekämpfen, die Nachfrage anzukurbeln und Arbeit attraktiver zu machen. Der weitverbreitete Arbeits- und Fachkräftemangel behindert weiterhin Produktivitätssteigerungen, Innovation und die Wettbewerbsfähigkeit. Im März 2024 legte die Kommission einen Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels vor, der auf bestehenden Initiativen aufbaut und neue Maßnahmen enthält, die von der EU, den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern umzusetzen sind.
Wie im neuen Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vorgesehen, wird im Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2025 weiterhin ein starker länderspezifischer Schwerpunkt auf beschäftigungs-, kompetenz- und sozialpolitische Aspekte gelegt, der sich auf die Grundsätze des Rahmens für die soziale Konvergenz stützt. Im Rahmen des Berichts werden auch die Fortschritte bei der Verwirklichung der im Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte festgelegten Ziele für 2030 überwacht. Die EU ist auf einem guten Weg, ihr Kernziel einer Beschäftigungsquote von 78 Prozent bis 2030 zu erreichen. Es sind jedoch noch erhebliche Fortschritte erforderlich, um ihre Ziele einer jährlichen Weiterbildungsquote von 60 Prozent der Erwachsenen und einer Verringerung der Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen um mindestens 15 Millionen zu erreichen.
Nächste Schritte
Die Europäische Kommission fordert die Euro-Gruppe und den Rat auf, den zweiten Teil des Herbstpakets zu erörtern und die heute vorgelegten Leitlinien zu billigen. Die Kommission sieht einem konstruktiven Dialog mit dem Europäischen Parlament über den Inhalt dieses Pakets und alle weiteren Schritte im Zyklus des Europäischen Semesters sowie der weiteren Zusammenarbeit mit Sozialpartnern und Interessenträgern erwartungsvoll entgegen.
Hintergrund
Das Europäische Semester bietet einen bewährten Rahmen für die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten. Seit seiner Einführung im Jahr 2011 ist es zu einem etablierten Forum für die Erörterung der haushalts-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen der EU-Länder innerhalb eines festen jährlichen Zeitplans geworden.
Im Rahmen des Europäischen Semesters werden sozioökonomische Herausforderungen ermittelt und Leitlinien vorgegeben, mit welchen politischen Maßnahmen diese Herausforderungen bewältigt werden können. Dafür wird die analytische Grundlage des Zyklus des Europäischen Semesters 2025 verbessert und der Dialog mit den Mitgliedstaaten und anderen Interessenträgern über konkrete politische Maßnahmen ausgebaut. Auf dieser Grundlage werden im Rahmen des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters länderspezifische Empfehlungen zur Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen in den einzelnen Ländern gegeben, die in den Länderberichten ermittelt wurden.
Weitere Informationen
Fragen und Antworten zum zweiten Teil des Herbstpaket des Europäischen Semesters 2025
Herbstpaket des Europäischen Semesters 2025 – Dokumente
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 18. Dezember 2024
- Autor
- Vertretung in Deutschland