Besonderer Schutz für Kinder, Zugang zu Bildung, zu medizinischer Versorgung und zum Arbeitsmarkt: Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) erläutert, wie die EU-Mitgliedstaaten bei ihrer Hilfe für die Geflüchteten aus der Ukraine unterstützt werden. „Rund die Hälfte aller Neuankömmlinge seit Beginn des Krieges sind Kinder. Sie haben traumatisierende Erfahrungen gemacht und wurden von einem Tag zum anderen aus ihrem gewohnten Leben gerissen. Es ist unsere Pflicht und unsere Verantwortung dafür zu sorgen, dass sie angemessen aufgenommen und betreut werden. Dies gilt auch für Kinder mit Behinderungen“, sagte das für Demokratie und Demografie zuständige Kommissionsmitglied, Vizepräsidentin Dubravka Šuica.
„Unsere erste Priorität besteht nun darin, diesen Kindern einen Ort zu bieten, wo sie sich sicher fühlen können und wo sie schnell und unterschiedslos Zugang zu psychosozialer Unterstützung, medizinischer Versorgung, Nahrungsmitteln und Bildung erhalten. Unbegleitete Minderjährige, von den Eltern getrennte Kinder und Waisenkinder müssen unverzüglich registriert und in die Obhut von Kinderschutzdiensten genommen werden, um zu verhindern, dass sie Opfer von Menschenhandel und Missbrauch werden. Mit dieser Mitteilung stellen wir konkrete Maßnahmen zum Schutz dieser Kinder während des gesamten Verfahrens vor, so die Vizepräsidentin weiter.
Der für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständige Vizepräsident Margaritis Schinas fügte hinzu: „Die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes wurde aktiviert und gewährt Millionen Menschen unverzüglich Zugang zu medizinischer Versorgung, Schulen, Arbeitsplätzen und Wohnraum. Die Kommission stellt heute eine Reihe weiterer Maßnahmen vor, die den Mitgliedstaaten dabei helfen sollen, diese Rechte in die Praxis umzusetzen. Von einer Plattform für die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial über einen Mechanismus für EU-interne Verlegungen von Patienten und einen EU-Talentpool für Arbeitsuchende bis hin zu einer Initiative für sichere Wohnungen – dies alles sind Maßnahmen, mit denen die Hilfsbereitschaft der Europäerinnen und Europäer in praktische Unterstützung für die Millionen Menschen umgesetzt wird, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden.“
Die für Inneres zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson ergänzte: „Millionen Menschen wurden vertrieben, und wir müssen sämtliche Solidaritätserklärungen rasch in die Tat umsetzen. Die neue Solidaritätsplattform ist bereits in Betrieb, sodass wir die Bedürfnisse in den Mitgliedstaaten erfassen und mit den Kapazitäten abstimmen können. Diejenigen, die vor dem Krieg fliehen mussten, brauchen einen raschen Zugang zu dem, was ihnen zusteht. Sie müssen arbeiten dürfen und medizinische Versorgung erhalten können, sie brauchen ein Dach über dem Kopf und müssen ihre Kinder in die Schule schicken können.“
Schätzungen zufolge sind rund 6,5 Millionen Menschen im Land auf der Flucht. Die Hilfsbereitschaft der EU gegenüber denen, die in der EU angekommen sind, zeigt sich darin, dass erstmalig die Richtlinie über vorübergehenden Schutz aktiviert wurde, die schnelle Hilfe sowie einen eindeutigen Rechtsstatus gewährleistet.
Über die unmittelbare Hilfe in puncto Unterstützung an der Grenze, Aufnahme und Zivilschutz hinaus ergreift die EU heute weitere Schritte, um den Mitgliedstaaten zu helfen, damit die Schutzberechtigten ihre Rechte auf Bildung, medizinische Versorgung, Unterkunft und Beschäftigung – Dinge, die kennzeichnend für unsere europäische Lebensweise sind – wirksam wahrnehmen können.
Folgende Unterstützung ist verfügbar:
- Besonderer Schutz für Kinder: Kindern muss unterschiedslos ein rascher Zugang zu ihren Rechten garantiert werden. Dazu müssen sie bei der Ankunft in der EU registriert werden. Die EU-Kinderrechtsstrategie bietet einen umfassenden Rahmen für den Schutz und die Verwirklichung der Rechte von Kindern. Im Rahmen der Europäischen Garantie für Kinder wurden nationale Koordinatoren ernannt, denen nun eine zentrale Rolle bei der Verstärkung und Koordinierung der nationalen Bemühungen in Zusammenarbeit mit den regionalen und lokalen Behörden zukommt. In diesem Zusammenhang liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Kindern aus Einrichtungen (wie Waisenhäusern) und Kindern, die von Menschenhandel und Entführung bedroht sind. Zudem arbeitet die Kommission spezielle Standardverfahren für die Überstellung unbegleiteter Minderjähriger aus.
- Zugang zu Bildung: Eine der Prioritäten ist die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern, Studierenden und Lehrkräften in diesen schwierigen Zeiten. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten zusammenbringen, um einen Erfahrungsaustausch in Gang zu setzen und zu ermitteln, was notwendig ist, damit die vertriebenen Kinder ihre Schulausbildung fortsetzen können. Das School Education Gateway wird als zentrale Anlaufstelle für Lehrmaterial aus der Ukraine und Materialien der Mitgliedstaaten in ukrainischer Sprache dienen. Auch die Kapazitäten der unter den Neuankömmlingen befindlichen ukrainischen Lehrkräfte müssen unbedingt genutzt werden. Die eTwinning-Gemeinschaft kann Gruppen, die im geschützten Bereich der Plattform eingerichtet werden, bei der Unterstützung von Lehrkräften helfen. Außerdem soll die Flexibilität des Erasmus+-Förderprogramms genutzt werden, um die Ausbildung von geflüchteten Studierenden und die Integration von Hochschulmitarbeitern, die vor dem Krieg fliehen, zu fördern.
- Zugang zu medizinischer Versorgung: Dank eines von der Kommission eingerichteten Solidaritätsmechanismus können Menschen, die dringend eine spezielle Krankenhausbehandlung benötigen, schnell zwischen den Mitgliedstaaten verlegt werden. Dazu stehen bereits 10 000 Betten zur Verfügung. Das EDCD überwacht die Gesundheitslage vor Ort und hat Leitlinien zur Prävention und Bekämpfung von Infektionskrankheiten herausgegeben. Die Kommission unterstützt über die HERA die Bereitstellung von Impfstoffen, insbesondere zur Impfung von Kindern. Schließlich wird die Kommission gezielte Maßnahmen zur psychologischen Unterstützung und zur Verarbeitung der Traumata der durch den Krieg Vertriebenen ergreifen. Dazu gehört unter anderem die Einrichtung eines Netzes ukrainischsprachiger Fachkräfte für psychische Gesundheit.
- Zugang zu Arbeitsplätzen: Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um Neuankömmlingen zu helfen, ihr Recht auf Arbeit rasch wahrzunehmen oder sich beruflich weiterzubilden. Das heißt unter anderen, dass die Menschen über ihre Rechte nach der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes informiert werden, dass sie sprachliche Unterstützung oder Hilfe bei der Unternehmensgründung und Zugang zu Kinderbetreuung erhalten, wobei den öffentlichen Arbeitsverwaltungen eine Schlüsselrolle als Vermittler auf dem Arbeitsmarkt zukommt. Die Kommission hat die ukrainische Sprache zum EU-Instrument zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige hinzugefügt, damit ukrainische Arbeitsuchende und Studierende, die ihr Studium fortsetzen möchten, ihre Kompetenzen darstellen und Möglichkeiten und Beratung über die nächsten Schritte in Anspruch nehmen können. Die Kommission wird das Pilotprojekt eines neuen Talentpools zur Abgleichung von Kompetenzen mit offenen Stellen auf den Weg bringen. Weitere Initiativen der Kommission in diesem Bereich sind die Entwicklung neuer Leitlinien zur leichteren Anerkennung von in der Ukraine erworbenen Berufsqualifikationen und die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, um die Unternehmen über die im Rahmen des vorübergehenden Schutzes gewährten Rechte und die verfügbaren Programme zu informieren.
- Zugang zu Unterkünften und Wohnraum: Um dem dringenden Bedarf an angemessenem Wohnraum zu entsprechen, sollen Europäer/innen, die ihre Wohnung zur Verfügung stellen, im Rahmen einer neuen Initiative für sichere Wohnungen durch die bedarfsgerechte Mobilisierung von gezielten Finanzmitteln und Online-Ressourcen unterstützt werden. Zur Stärkung der öffentlichen Aufnahmesysteme werden zudem der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds sowie Mittel für die Kohäsionspolitik mobilisiert. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung soll längerfristig bei der Bereitstellung von Sozialwohnungen für Familien und Einzelpersonen in der Gemeinschaft helfen und kann sowohl den Kauf als auch die Renovierung von Unterkünften finanzieren. Der Europäische Sozialfonds kann gemeinschaftsbasierte Dienste und Unterkünfte, insbesondere für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder Behinderungen, Kinder und ältere Personen unterstützen.
Aktive Solidarität
Die Kommission hat eine Solidaritätsplattform für die Mitgliedstaaten und die EU-Agenturen eingerichtet, damit sie ihre Unterstützung für die Mitgliedstaaten, die sie benötigen, koordinieren können. Die Plattform soll helfen, die Verteilung der Menschen in den Mitgliedstaaten zu organisieren, die über Aufnahmekapazitäten verfügen. Außerdem kann sie dazu beitragen, Wege in Drittländer wie Kanada oder das Vereinigte Königreich zu öffnen, in denen bereits große ukrainische Gemeinschaften leben. Auch die Privatwirtschaft hat Solidarität gezeigt: Viele Verkehrsunternehmen haben humanitäre Züge organisiert und die flüchtenden Menschen kostenlos befördert. Die EU hilft nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen, die vom Krieg in der Ukraine überrascht wurden, in ihre Heimatländer zurückzukehren, beispielsweise durch die ersten von Frontex unterstützten humanitären Flüge zur freiwilligen Rückkehr aus Polen nach Tadschikistan und Kirgisistan.
Schnelle, flexible Lösungen zur Unterstützung der Solidarität
Die Kommission hat unverzüglich Maßnahmen getroffen, die dazu beitragen, finanzielle Unterstützung für Mitgliedstaaten zu mobilisieren, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehende Menschen aufnehmen. Dazu gehören der Vorschlag für den Einsatz von Kohäsionsmitteln zugunsten von Flüchtlingen in Europa (CARE) und Änderungen des Fonds im Bereich Inneres 2014-2020. Das Instrument für technische Unterstützung bietet den Mitgliedstaaten maßgeschneiderte Unterstützung für den Aufbau institutioneller und operationeller Kapazitäten zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, damit sie deren soziale und wirtschaftliche Integration verstärken und die verfügbaren EU-Mittel bestmöglich einsetzen können, um Familien oder unbegleitete Kinder unterzubringen. Überdies können die im Rahmen von REACT-EU verfügbaren Mittel, insbesondere die bis zu 10 Mrd. EUR umfassende Tranche von 2022, von den Mitgliedstaaten eingesetzt werden. Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten, insbesondere derjenigen, die am nächsten zur Grenze der EU mit der Ukraine gelegen sind, werden Vorfinanzierungszahlungen im Wert von 3,4 Mrd. Euro bereitgestellt, damit sie schneller Zugang zu Finanzmitteln erhalten. Zudem stehen im vereinbarten Finanzrahmen 2021-2027 beträchtliche Mittel sowohl für den Bereich Inneres als auch für die Kohäsionspolitik zur Verfügung.
Hintergrund
Die EU hat angesichts der grundlosen und ungerechtfertigten militärischen Invasion der Ukraine durch Russland direkte humanitäre Hilfe, Katastrophensoforthilfe und Unterstützung an der Grenze geleistet und gewährt Kriegsflüchtlingen einen klaren rechtlichen Status, damit sie sofortigen Schutz in der EU erhalten.
Die heutige Mitteilung folgt auf den Beschluss vom 4. März, den Vertriebenen vorübergehenden Schutz zu gewähren, der ihnen das Recht auf Unterkunft, medizinische Versorgung, Zugang zum Arbeitsmarkt und Bildung gewährt. Sie ergänzt die operativen Leitlinien der Kommission zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz und die Leitlinien der Kommission zur Erleichterung des Grenzübertritts, die den Grenzschutzbehörden der Mitgliedstaaten helfen sollen, die Grenzübertritte an der Grenze zur Ukraine wirksam zu bewältigen.
Weitere Informationen:
Mitteilung zur Aufnahme von Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen: Vorbereitung Europas zur Deckung des Bedarfs
Website – Solidarität der EU mit der Ukraine
Website – Informationen für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
Pressekontakt: fabian [dot] weberec [dot] europa [dot] eu (Fabian Weber). Tel.: +49 (0) 30 2280-2250. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 23. März 2022
- Autor
- Vertretung in Deutschland