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Presseartikel10. Februar 2021Vertretung in DeutschlandLesedauer: 5 Min

Kartellrecht: Kommission akzeptiert Verpflichtungszusagen von Aspen gegen exzessiv hohe Preise für patentfreie Krebsmittel

Die Europäische Kommission hat Verpflichtungszusagen des Pharmaunternehmens Aspen nach den EU‑Kartellvorschriften für rechtlich bindend erklärt. Demnach muss Aspen seine Preise für sechs unentbehrliche Krebsmedikamente in Europa um durchschnittlich...

„Aufgrund des heutigen Beschlusses muss Aspen seine Preise für sechs Arzneimittel, die für die Behandlung bestimmter schwerer Formen von Blutkrebs wie Myelom und Leukämie unerlässlich sind, in ganz Europa drastisch senken. Von diesen Medikamenten hängt die Behandlung vieler Patienten, unter anderem auch von Kleinkindern, ab. Dank der Verpflichtungszusagen, die Aspen einhalten muss, werden die europäischen Gesundheitssysteme viele Dutzend Millionen Euro einsparen, sodass diese wichtigen Arzneimittel verfügbar bleiben können“, sagte Vestager weiter.

Die Bedenken der Kommission

Am 15. Mai 2017 hatte die Kommission eine förmliche Untersuchung der Preispolitik von Aspen in Bezug auf sechs unentbehrliche patentfreie Krebsarzneimittel angekündigt, die hauptsächlich zur Behandlung von Leukämie und anderen hämatologischen Krebsarten eingesetzt werden. Nachdem Aspen die Krebsmedikamente von einem anderen Unternehmen erworben hatte, begann es 2012, deren Preise in allen Ländern Europas, in denen es die Arzneimittel verkaufte, schrittweise zu erhöhen – in vielen Fällen um mehrere hundert Prozent.

Eine von der Kommission durchgeführte Prüfung der Ertragsdaten von Aspen ergab, dass das Unternehmen durch den Verkauf dieser Medikamente in Europa nach den Preiserhöhungen durchweg Gewinne erzielte, die sowohl in absoluten Zahlen als auch im Vergleich zu den Erträgen ähnlicher Unternehmen der Branche sehr hoch waren. Die Preise von Aspen lagen selbst nach Berücksichtigung einer angemessenen Rendite durchschnittlich um fast dreihundert Prozent über den relevanten Kosten, wobei der Überschuss von Produkt zu Produkt und von Land zu Land unterschiedlich groß ausfiel.

Eine legitime Rechtfertigung für die durchgehend sehr hohen Gewinne von Aspen konnte die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung nicht entdecken, zumal die Arzneimittel von Aspen seit 50 Jahren patentfrei sind – was bedeutet, dass die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskosten bereits vollständig amortisiert sind.

Aspen konnte diese Preiserhöhungen durchsetzen, weil Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten in den meisten Fällen keine geeigneten Alternativprodukte zu diesen speziellen Krebsarzneimitteln zur Verfügung standen. Als nationale Behörden versuchten, sich den Preiserhöhungen zu widersetzen, drohte Aspen gar, die Medikamente aus den nationalen Listen erstattungsfähiger Arzneimittel streichen zu lassen, und gab in einigen Fällen sogar seine Absicht bekannt, die üblichen Lieferungen in den betreffenden Mitgliedstaat einzustellen.

Die Verhaltensweisen von Aspen betrafen den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum, wenngleich nicht jedes Arzneimittel in jedem Land verkauft wurde.

Daher äußerte die Kommission ernsthafte Bedenken, dass das Verhalten von Aspen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstößt, wonach es unter bestimmten Voraussetzungen verboten ist, Kunden exzessiv überhöhte Preise aufzuerlegen.

Die Verpflichtungszusagen von Aspen

Aspen bot an, die Bedenken der Kommission durch eine Reihe von Verpflichtungszusagen auszuräumen. Im Juli 2020 konsultierte die Kommission Interessenträger, um zu prüfen, ob die von ihr festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die angebotenen Verpflichtungszusagen ausgeräumt würden. Angesichts des Ergebnisses dieses Markttests passte Aspen seine Verpflichtungszusagen an.

Die Kommission stellte fest, dass die endgültigen Verpflichtungszusagen von Aspen eine rasche, umfassende und dauerhafte Lösung für die von ihr festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken darstellen, und erklärte die Verpflichtungszusagen daher für rechtsverbindlich.

Die Kernpunkte der Verpflichtungszusagen von Aspen sind:

  1. Aspen wird seine Preise für die betroffenen sechs Krebsarzneimittel europaweit um durchschnittlich etwa 73 Prozent senken, sodass die Preise im Durchschnitt unterhalb des Niveaus von 2012 liegen, als Aspen mit den Preiserhöhungen begann.
  2. Diese gesenkten Preise bilden die Preisobergrenze für die kommenden 10 Jahre und gelten bereits seit dem 1. Oktober 2019.
  3. Aspen garantiert die Lieferung der Arzneimittel für die kommenden fünf Jahre und wird weitere fünf Jahre entweder die Lieferungen fortsetzen oder anderen Herstellern die Marktzulassungen (MZ) für die Medikamente zur Verfügung stellen.

Die Verpflichtungszusagen bleiben zehn Jahre lang in Kraft. Unter der Aufsicht der Kommission wird ein Treuhänder für die Überwachung der Umsetzung und Einhaltung der Verpflichtungszusagen zuständig sein.

Aspen Pharma

Hintergrund

Aspen ist ein weltweit tätiges Pharmaunternehmen mit Sitz in Südafrika und mehreren Tochtergesellschaften in Europa.

Am 15. Mai 2017 leitete die Kommission ein Verfahren ein, um zu untersuchen, ob Aspen eine marktbeherrschenden Stellung missbraucht hat. Am 14. Juli 2020 ersuchte die Kommission Interessenträger, zu den angebotenen Verpflichtungszusagen Stellung zu nehmen, die Aspen am 9. Juli 2020 vorgelegt hatte.

In der EU können nationale Behörden Preisbindungen für Arzneimittel vorschreiben und entscheiden, welche Behandlungen über ihre Sozialversicherungssysteme erstattet werden. Jedes Land verfolgt eine unterschiedliche, am eigenen wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Bedarf ausgerichtete Preisregulierungs- und Erstattungspolitik. Die Preise für Arzneimittel werden in der Regel auf nationaler Ebene zwischen Pharmaunternehmen und den nationalen Behörden, die für die Preisregulierung und die Erstattung zuständig sind, ausgehandelt. Bei unentbehrlichen Arzneimitteln, zu denen es keine oder nur wenige therapeutische Alternativen gibt, ist die Verhandlungsmacht der Behörden relativ gering.

Die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Marktstellung, worunter auch die

Durchsetzung exzessiv überhöhter und somit unfairer Preise fällt, ist nach Artikel 102 AEUV untersagt. Wie dieser Artikel umzusetzen ist, regelt die EU-Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates), die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet wird.

Die EU-Wettbewerbsvorschriften greifen nicht in allen Fällen, in denen Bedenken hinsichtlich hoher Arzneimittelpreise bestehen. Unter bestimmten Umständen kann eine Verhaltensweise im Zusammenhang mit der Festsetzung von Preisen jedoch gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. In solchen Fällen kann die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften dazu beitragen, Medikamente erschwinglicher zu machen.

Nach Artikel 9 Absatz 1 der Kartellverordnung können Unternehmen, die von einer Untersuchung der Kommission betroffen sind, Verpflichtungszusagen anbieten, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Kommission kann diese Verpflichtungszusagen dann für bindend für die Unternehmen erklären. Artikel 27 Absatz 4 der Kartellverordnung sieht vor, dass die Kommission vor dem Erlass eines solchen Beschlusses Interessenträgern Gelegenheit geben muss, zu den Verpflichtungszusagen Stellung zu nehmen.

Sollte Aspen sich nicht an die Verpflichtungszusagen halten, könnte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent des gesamten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften nachweisen zu müssen.

Der vollständige Wortlaut des heutigen Beschlusses nach Artikel 9, die Verpflichtungszusagen sowie weitere Informationen können auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission über das öffentlich zugängliche Register unter der Nummer AT.40394 eingesehen werden.

Weitere Informationen:

Fragen und Antworten: Die Verpflichtungszusagen von Aspen

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu ( Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA perfrageaterlebnis-europa [dot] eu ( E-Mail) der telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
10. Februar 2021
Autor
Vertretung in Deutschland