
Die Europäische Kommission hat Verpflichtungszusagen von Vifor nach den EU‑Kartellvorschriften für rechtlich bindend erklärt. Mit den Verpflichtungszusagen werden die Wettbewerbsbedenken der Kommission im Zusammenhang mit einer möglichen Diskreditierung von Monofer durch Vifor ausgeräumt. Monofer ist der engste – und möglicherweise einzige – Wettbewerber des intravenösen Eisenpräparats Ferinject, das Vifor in Europa anbietet.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager sagte: „Millionen von Menschen in ganz Europa leiden unter Eisenmangel. Der Zugang zu sicheren, wirksamen und bezahlbaren Arzneimitteln ist daher sehr wichtig. Vifor hat sich verpflichtet, die Auswirkungen seiner möglicherweise irreführenden Angaben zur Sicherheit des intravenösen Eisenpräparats, mit dem sein Produkt im engsten Wettbewerb steht, rückgängig zu machen. Mit dem heutigen Beschluss werden diese Verpflichtungen für Vifor rechtsverbindlich und im Interesse der Verbraucher gleiche Wettbewerbsbedingungen wiederhergestellt.“
Vorläufige Bedenken der Kommission
Die Kommission stellte vorläufig fest, dass Vifor möglicherweise auf mehreren nationalen Märkten für die Bereitstellung intravenöser Eisenpräparate – Deutschland, Finnland, Irland, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien, Niederlande und Österreich – eine beherrschende Stellung innehat.
Sie befürchtet, dass Vifor über viele Jahre hinweg den Wettbewerb auf den genannten Märkten eingeschränkt haben könnte: indem es möglicherweise irreführende Informationen über die Sicherheit des Arzneimittels Monofer verbreitet hat, das von Vifors engsten Wettbewerber in Europa, Pharmacosmos, zur Behandlung von Eisenmangel angeboten wird.
Diese Informationen, die in erster Linie an Angehörige der Gesundheitsberufe gerichtet waren, könnten die Akzeptanz von Monofer im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in unzulässiger Weise beeinträchtigt haben. Sie zielten offenbar darauf ab, Vifors Blockbuster-Medikament Ferinject, ein hochdosiertes Präparat zur intravenösen Eisenbehandlung, gegen Wettbewerb abzuschirmen.
Nach vorläufiger Auffassung der Kommission kann das Verhalten von Vifor den Wettbewerb auf dem Markt für intravenöse Eisenpräparate eingeschränkt haben und möglicherweise einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen. Dies würde gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen.
Die Verpflichtungszusagen
Um die vorläufigen Bedenken der Kommission auszuräumen, bot Vifor bestimmte Verpflichtungen an. Die Kommission unterzog diese Verpflichtungszusagen vom 22. April bis zum 22. Mai 2024 einem Markttest, um Stellungnahmen aller betroffenen Dritten dazu einzuholen, ob die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die angebotenen Verpflichtungen ausgeräumt würden. Im Anschluss an den Markttest passte Vifor die ursprünglichen Verpflichtungsangebote an und sagte zu,
- eine umfassende, über verschiedene Kanäle betriebene Kommunikationskampagne einzuleiten, um die Folgen seiner möglicherweise irreführenden Informationen über die Sicherheit von Monofer zu korrigieren und zurückzunehmen. Insbesondere verpflichtet sich Vifor, i) in den neun Mitgliedstaaten, in denen Vifor nach der vorläufigen Auffassung der Kommission eine beherrschende Stellung innehat, per E‑Mail, auf dem Postweg und in Präsenzsitzungen eine kurze Mitteilung zur Klärung des Sachverhalts an zahlreiche Angehörige von Gesundheitsberufen zu richten, ii) die Mitteilung an gut sichtbarer Stelle auf seiner Website zu veröffentlichen, iii) sie in führenden medizinischen Fachzeitschriften in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten zu veröffentlichen und iv) Dritten, einschließlich Pharmacosmos, die Möglichkeit zu geben, diese Mitteilung bei Kontakten mit Angehörigen von Gesundheitsberufen zu verwenden;
- im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum in externer Werbung oder medizinischer Kommunikation keine Informationen zum Sicherheitsprofil von Monofer schriftlich oder mündlich zu verbreiten, die nicht auf der Packungsbeilage des Arzneimittels basieren oder aus eigens für den Vergleich von Ferinject und Monofer konzipierten klinischen Studien stammen;
- eine Reihe von Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, um die Einhaltung der Verpflichtungen zu gewährleisten. Vifor wird u. a. interne Mechanismen einrichten, mit denen im Vorfeld sichergestellt wird, dass alle einschlägige externe Werbung und medizinische Kommunikation sowie internes Schulungsmaterial mit den Verpflichtungen vereinbar sind.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die endgültigen Verpflichtungszusagen von Vifor ihre Wettbewerbsbedenken hinsichtlich der möglichen Diskreditierung von Monofer durch Vifor ausräumen würden. Daher hat sie beschlossen, die Verpflichtungen für Vifor rechtsverbindlich zu machen.
Ein von Vifor bestimmter Überwachungstreuhänder wird die Umsetzung der Verpflichtungszusagen zehn Jahre lang überwachen.
Hintergrund
Eisen unterstützt die Bildung gesunder roter Blutkörperchen, die Sauerstoff im Körper transportieren. Eisenmangel ist recht häufig, insbesondere bei Frauen und Personen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen, Krebserkrankungen oder Blutverlust (z. B. nach einem Unfall oder während eines chirurgischen Eingriffs). In schweren Fällen kann Eisenmangel schwerwiegende Komplikationen wie Herzinsuffizienz, Lungenprobleme, Schwangerschaftskomplikationen sowie eine schlechte kognitive und motorische Entwicklung bei Kindern verursachen. Er ist weltweit eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität.
Die Arzneimittel Ferinject (Vifor Pharma) und Monofer (Pharmacosmos) sind hochdosierte Eisenpräparate zur intravenösen Anwendung. Sie sind zur Behandlung von Eisenmangel indiziert, wenn beispielsweise orale Präparate nicht wirken oder nicht angewendet werden können.
Vifor ist ein weltweit tätiges Pharmaunternehmen, das zum Biotechnologiekonzern CSL gehört und weltweit Arzneimittel zur Behandlung von Eisenmangel und Nierenkrankheiten sowie für kardiorenale Therapien entwickelt, herstellt und vertreibt.
Das Pharmaunternehmen Pharmacosmos ist ein dänisches Familienunternehmen, das sich auf die Behandlung von Eisenmangel spezialisiert hat.
Die Kommission leitete im Juni 2022 eine förmliche kartellrechtliche Untersuchung des Verhaltens von Vifor ein, nachdem Pharmacosmos eine Beschwerde bei der Kommission eingereicht hatte. Im Februar 2024 vereinbarten Vifor und Pharmacosmos in dieser Angelegenheit einen vertraulichen Vergleich, der von der Kommission in ihrem Beschluss über die Anwendung des Verpflichtungsverfahrens in diesem Fall berücksichtigt wurde. Im April 2024 nahm die Kommission eine vorläufige Beurteilung an, in der die wichtigsten Fakten des Falles zusammengefasst und die vorläufigen Wettbewerbsbedenken dargelegt wurden.
Artikel 102 AEUV, der auch von den nationalen Wettbewerbsbehörden angewandt werden kann, verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder beschränken kann. Wie diese Bestimmung anzuwenden ist, regelt die Verordnung Nr. 1/2003.
Nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung 1/2003 können Unternehmen, die von einer Untersuchung der Kommission betroffen sind, Verpflichtungen anbieten, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Kommission kann einen Beschluss erlassen, durch den diese Verpflichtungszusagen für die Unternehmen bindend werden. Artikel 27 Absatz 4 der Verordnung 1/2003 sieht vor, dass die Kommission vor dem Erlass eines solchen Beschlusses Interessenträgern Gelegenheit geben muss, zu den Verpflichtungsangeboten Stellung zu nehmen.
Ergibt der Markttest, dass die Verpflichtungszusagen die Wettbewerbsbedenken der Kommission hinreichend ausräumen, kann die Kommission einen Beschluss erlassen, mit dem die angebotenen Verpflichtungen dem betreffenden Unternehmen gegenüber für bindend erklärt werden. Gegenstand eines solchen Beschlusses wäre nicht die Feststellung eines Verstoßes gegen die EU-Kartellvorschriften; er dient lediglich dazu, die Unternehmen zur Einhaltung ihrer Zusagen zu verpflichten.
Sollte das betreffende Unternehmen gegen die Verpflichtungen verstoßen, könnte die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens oder ein Zwangsgeld von 5 Prozent seines Tagesumsatzes für jeden Tag der Nichteinhaltung verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften feststellen zu müssen.
Diese Untersuchung ist das zweite Verfahren der Kommission, in dem es um die Diskreditierung von Konkurrenzprodukten im Pharmasektor geht. So übermittelte die Kommission im Oktober 2022 Teva eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen Missbrauchs des Patentsystems und Diskreditierung eines konkurrierenden Multiple-Sklerose-Medikaments mit dem Ziel, den Markteintritt und die Marktakzeptanz des Medikaments zu behindern.
Weitere Informationen
Weitere Informationen sowie der vollständige Wortlaut des heutigen Beschlusses der Kommission und der Verpflichtungen sind auf der Website der Kommission zum Thema Wettbewerb im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer AT.40577 abrufbar.
Pressekontakt: Martha Schillmöller, Tel.: +49 30 2280-2200. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 22. Juli 2024
- Autor
- Vertretung in Deutschland