Es ist Aufgabe der Europäische Kommission, die korrekte Anwendung von EU-Recht durch die EU-Mitgliedstaaten zu überwachen.
NGO-Recht: Kommission fordert Ungarn auf, das Urteil des Gerichtshofs zum ungarischen Gesetz über ausländische NGOs umzusetzen
Die Kommission richtet ein Aufforderungsschreiben an Ungarn, weil das Land dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-78/18, Kommission/Ungarn, nicht nachgekommen ist. Hierbei handelt es sich um ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV, d. h. die Kommission kann den Gerichtshof erneut anrufen und Geldstrafen beantragen, nachdem sie dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. In seinem Urteil vom 18. Juni 2020 befand der Gerichtshof, dass das ungarische Gesetz über Nichtregierungsorganisationen („Transparenzgesetz“) gegen die EU-Vorschriften über den freien Kapitalverkehr (Artikel 63 AEUV) sowie gegen das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten und die Vereinsfreiheit verstößt, die durch die EU-Grundrechtecharta geschützt sind. Der Gerichtshof unterstrich insbesondere, dass das Recht auf Vereinigungsfreiheit eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft ist und dass dies das Recht zivilgesellschaftlicher Organisationen einschließt, finanzielle Mittel einzuwerben, zu sichern und zu nutzen. Der Gerichtshof befand, dass das ungarische Gesetz die Rolle der Zivilgesellschaft als unabhängiger Akteur in demokratischen Gesellschaften bedroht, indem es das Recht auf Vereinigungsfreiheit untergräbt, ein Klima des Misstrauens gegenüber NGOs schafft und die Privatsphäre der Geber einschränkt. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union sind unmittelbar bindend für den betreffenden Mitgliedstaat.
Nach Auffassung der Kommission hat Ungarn trotz wiederholter, dringender Aufforderungen nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um dem Urteil nachzukommen. So hat Ungarn das Transparenzgesetz nicht zurückgezogen, das gegen das EU-Recht verstößt. Die Kommission fordert Ungarn daher heute mit einem Aufforderungsschreiben auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen. Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, um den von der Kommission vorgebrachten Bedenken Rechnung zu tragen. Andernfalls kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union erneut anrufen und finanzielle Sanktionen beantragen.
Migration: Kommission fordert Ungarn zur Einhaltung des EU-Asylrechts auf
Die Kommission hat heute beschlossen, Ungarn eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu den Rechtsvorschriften zu übermitteln, die im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie erlassen wurden und nach Auffassung der Kommission den Zugang zum Asylverfahren rechtswidrig einschränken. Nach den Rechtsvorschriften müssen Drittstaatsangehörige, bevor sie in Ungarn internationalen Schutz beantragen können, zunächst eine Absichtserklärung abgeben, in der sie ihren Wunsch bekunden, Asyl bei einer ungarischen Botschaft außerhalb der Europäischen Union zu beantragen, und hierfür eine besondere Einreisegenehmigung erhalten, deren Ausstellung im Ermessen der ungarischen Behörden liegt.
Nach Auffassung der Kommission verstößt das im ungarischen Recht vorgesehene neue Asylverfahren gegen die im Lichte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgelegte Asylverfahrensrichtlinie. Am 30. Oktober 2020 hatte die Kommission wegen dieses neuen Gesetzespakets ein Aufforderungsschreiben an Ungarn gerichtet. In der Antwort der ungarischen Behörden wurden die Bedenken der Kommission nicht angemessen ausgeräumt. Die Kommission ist weiterhin der Auffassung, dass eine solche Rechtsvorschrift gegen EU-Recht verstößt, da sie Personen, die sich im Hoheitsgebiet Ungarns, auch an der Grenze, aufhalten, daran hindert, internationalen Schutz zu beantragen. Die ungarischen Behörden haben zwei Monate Zeit, um der Kommission mitzuteilen, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um diese Bedenken auszuräumen. Andernfalls kann die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage einreichen.
Naturschutz: Kommission fordert Polen zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs zum Naturschutz im Forstbezirk Białowieża auf
Die Kommission ergreift weitere Schritte im Verfahren gegen Polen, damit das Land das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union umsetzt, dem zufolge es seinen Verpflichtungen aus der Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) in Bezug auf den Schutz des Forstbezirks Białowieża nicht nachgekommen ist. Gemäß den Richtlinien sind die Mitgliedstaaten unter anderem verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verschlechterung von Lebensräumen und die Störung von Arten zu vermeiden, vor der Genehmigung eines Projekts zu prüfen, ob signifikante Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebiet zu erwarten sind, und ein strenges Schutzsystem für eine Reihe von Arten einzurichten. Auch im europäischen Grünen Deal und in der EU-Biodiversitätsstrategie wird jeweils darauf hingewiesen, dass es extrem wichtig ist, dem Verlust der Artenvielfalt in der EU Einhalt zu gebieten, indem Biodiversität geschützt und wiederhergestellt wird.
Der Gerichtshof hatte in seinem Urteil vom 17. April 2018 befunden, dass Polen gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, weil es nicht sichergestellt hat, dass der Waldbewirtschaftungsplan für den Forstbezirk Białowieża die Integrität der Natura-2000-Gebiete nicht beeinträchtigt. Polen hat es außerdem versäumt, die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen für die geschützten Arten und Lebensräume festzulegen und den strengen Schutz geschützter Arten und Vögel vor ihrer absichtlichen Tötung oder Störung oder der Beschädigung oder Vernichtung ihrer Fortpflanzungsstätten oder Nester im Forstbezirk Białowieża zu gewährleisten.
Polen ist dem Urteil noch immer nicht vollständig nachgekommen. Vor allem hat Polen den 2016 erlassenen Anhang des Waldbewirtschaftungsplans für den Forstbezirk Białowieża nicht aufgehoben und durch Maßnahmen ersetzt, die die Integrität des Schutzgebiets erhalten und die Erhaltung und den Schutz der Arten und Lebensräume gewährleisten würden. Die von Polen geplanten Maßnahmen weder mit den Richtlinien noch mit dem Urteil des Gerichtshofs im Einklang. Trotz der Treffen und Gespräche auf Fachebene, bei denen die Kommission ihre Bedenken vorgebracht und Ratschläge zur ordnungsgemäßen Umsetzung des Urteils gegeben hat, hat sich die Lage in Polen nicht geändert.
Die Kommission fordert Polen daher heute in einem Aufforderungsschreiben auf, alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Polen hat nun zwei Monate Zeit, um auf die von der Kommission vorgebrachten Beanstandungen zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union erneut Klage einreichen und finanzielle Sanktionen vorschlagen.
Weitere Informationen:
Vertragsverletzungsverfahren im Februar: wichtigste Beschlüsse
Vertragsverletzungen: Häufig gestellte Fragen
Pressekontakt: katrin [dot] ABELEec [dot] europa [dot] eu ( Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 18. Februar 2021
- Autor
- Vertretung in Deutschland