Basierend auf einer eingehenden Analyse zum Status des Wolfs in der EU schlägt die Europäische Kommission den EU-Staaten vor, den internationalen Schutzstatus des Wolfs im Rahmen des Berner Übereinkommens von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu ändern. Das entspricht auch weitgehend dem Standpunkt, den das Europäische Parlament im vergangenen Jahr in einer Entschließung formuliert hatte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: „Die Rückkehr des Wolfs ist eine gute Nachricht für die Artenvielfalt in Europa. Die Dichte der Wolfsrudel in einigen europäischen Regionen ist inzwischen jedoch zu einer echten Gefahr geworden, insbesondere für die Nutztierhaltung. Die lokalen Behörden fordern größere Flexibilität für das aktive Management kritischer Wolfspopulationen. Dies sollte auf europäischer Ebene erleichtert werden, und der von der Kommission heute eingeleitete Prozess ist ein wichtiger Schritt dahin. Ich bin fest überzeugt, dass wir gezielte Lösungen finden können und werden, um nicht nur die biologische Vielfalt, sondern auch die Lebensgrundlage unserer Landbevölkerung zu schützen.“
Vorschlag zur Änderung im Rahmen des Übereinkommens von Bern
Konkret legt die Kommission einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates vor, mit dem der Schutzstatus des Wolfs im Rahmen des internationalen Übereinkommens von Bern über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume angepasst werden soll. Vertragsparteien des Übereinkommens sind die EU und ihre Mitgliedstaaten. Der Schutzstatus des Wolfs nach dem Übereinkommen wurde auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Aushandlung des Übereinkommens im Jahr 1979 verfügbaren wissenschaftlichen Daten festgelegt.
Ohne eine Änderung des Schutzstatus des Wolfs im Rahmen des Berner Übereinkommens – vorbehaltlich der Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten und anderer Vertragsparteien des Berner Übereinkommens –, kann sein Status auf EU-Ebene nicht geändert werden.
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sagte: „Mit dem Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im Rahmen des Berner Übereinkommens wird anerkannt, dass die Herausforderungen, die sich aus den wachsenden Wolfspopulationen ergeben, angegangen werden müssen, ohne das Ziel der Erhaltung der Artenvielfalt und eines günstigen Erhaltungszustands dieser Spezies aus den Augen zu verlieren. Die Kommission wird die nationalen und lokalen Behörden weiter mit finanziellen Mitteln und Leitlinien unterstützen, um die Koexistenz mit Wölfen und anderen großen Raubtieren zu fördern. Investitionen in Schadensverhütungsmaßnahmen bleiben von entscheidender Bedeutung für die Verringerung der Nutzviehrisse.“
Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski erklärte: „Aus Gesprächen mit Landwirten und ländlichen Gemeinschaften weiß ich, welche erheblichen Herausforderungen die Rückkehr des Wolfs in zahlreichen Gebieten insbesondere für die Weidewirtschaft in einem bereits komplizierten sozioökonomischen Kontext bedeutet. Der heutige Vorschlag trägt diesen Herausforderungen Rechnung und basiert auf einer eingehenden Analyse aller verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten. Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen und die Mitgliedstaaten auffordern, die verfügbaren EU-Finanzmittel in vollem Umfang zu nutzen, um Investitionen in Schadensverhütungsmaßnahmen zu fördern, die notwendig sind, um die Gefahren für die Viehbestände zu verringern.“
Aktuelle Datenlage
Die Kommission veröffentlicht gemeinsam mit ihrem Vorschlag eine eingehende Analyse des Status des Wolfs in der EU. Die Kommission hatte im September 2023 angekündigt, dass sie auf der Grundlage der gesammelten Daten über einen Vorschlag entscheiden würde, gegebenenfalls den Schutzstatus des Wolfs zu ändern und den Rechtsrahmen zu aktualisieren, um erforderlichenfalls größere Flexibilität zuzulassen.
Die Daten zeigen, dass die Wolfspopulationen in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen haben und immer größere Gebiete besiedeln. Es gibt mehr als 20.000 Wölfe mit meist wachsenden Populationen und expandierenden Streifgebieten sowie Rudel mit Welpen in 23 Mitgliedstaaten. Dies ist ein Erhaltungserfolg, der durch gesetzlichen Schutz, eine sensibilisierte Öffentlichkeit und die Verbesserung des Lebensraums ermöglicht wurde. Diese Zunahme bringt den Wolf jedoch zunehmend in Konflikt mit menschlichen Aktivitäten, insbesondere durch Nutzviehschäden. Bestimmte Gebiete und Regionen sind stark betroffen.
Da sich die Gegebenheiten geändert haben, ist nun eine Anpassung des rechtlichen Schutzstatus gerechtfertigt. Das gibt allen Vertragsparteien des Berner Übereinkommens größere Spielräume beim Wolfsmanagement und behält zugleich das übergeordnete rechtliche Ziel beiz, einen günstigen Erhaltungszustand für die Art zu erreichen und aufrechtzuerhalten.
Unterstützung der nationalen und lokalen Behörden
Die Kommission fordert die nationalen und lokalen Behörden weiterhin nachdrücklich dazu auf, mit Unterstützung der EU im derzeitigen Rahmen die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, und stellt ihnen gleichzeitig weitere Spielräume für das Wolfsmanagement in Aussicht, falls sich die bestehenden als unzureichend erweisen.
Die Rückkehr des Wolfs in EU-Regionen, in denen er seit langem nicht mehr anzutreffen war, hat ebenso wie die Zunahme seiner Populationen in neuen Gebieten zu Schwierigkeiten und Konflikten geführt, etwa durch Angriffe auf Nutzvieh und Konflikte mit Landwirten und Jägern, insbesondere dort, wo keine umfassenden Schadensverhinderungsmaßnahmen ergriffen werden. Wie in einem gemeinsamen Schreiben der Kommissionsmitglieder Sinkevičius und Wojciechowski an die EU-Ministerinnen und -Minister dargelegt, unterstützt die Kommission die nationalen und lokalen Behörden dabei, die Gefahr von Nutztierrissen zu verhindern oder erheblich zu verringern. Verschiedene Maßnahmen haben sich als wirksam erwiesen, sofern sie ordnungsgemäß umgesetzt und an die Situation vor Ort angepasst werden.
Es stehen EU-Mittel zur Verfügung, um angemessene Investitionen in geeignete Schadensverhütungsmaßnahmen zu fördern, die für die Verringerung der Nutzviehrisse durch den Wolf von entscheidender Bedeutung bleiben.
Nächste Schritte
Es ist nun an den Mitgliedstaaten, über den Kommissionsvorschlag zu entscheiden. Sobald der Vorschlag angenommen wurde, wird er von der EU dem Ständigen Ausschuss des Berner Übereinkommens vorgelegt.
Je nachdem, wie die Entscheidungen im Rat und im Ständigen Ausschuss des Berner Übereinkommens ausfallen, könnte die Kommission dann vorschlagen, den Schutzstatus des Wolfs in der EU anzupassen.
In der Zwischenzeit fordert die Kommission die lokalen und nationalen Behörden weiterhin nachdrücklich dazu auf, erforderlichenfalls Ausnahmeregelungen der geltenden Rechtsvorschriften und die verfügbaren EU-Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen in Präventions- und Ausgleichsmaßnahmen zu nutzen. Die Kommission veröffentlichte 2021 ausführliche Leitlinien mit Beispielen für bewährte Verfahren. Die Kommission wird nach wie vor eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Fortschritte bei der Erreichung des günstigen Erhaltungszustands des Wolfs und dessen Vereinbarkeit mit sozioökonomischen Tätigkeiten zu überwachen. Sie stellt auch weiterhin Investitionsförderungen für das Zusammenleben mit Großraubtieren und die Arbeit der einschlägigen Initiativen europäischer und regionaler Interessenträger bereit.
Hintergrund
Das Berner Übereinkommen ist ein 1979 geschlossener zwischenstaatlicher Vertrag des Europarats zur Erhaltung der wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume in Europa. Dabei geht es vor allem um jene Pflanzen und Tiere, deren Erhaltung die Zusammenarbeit mehrerer Staaten erfordert. Im April 2024 wird es 50 Vertragsparteien umfassen, alle EU-Mitgliedstaaten gehören dazu. Mit der Habitat-Richtlinie der EU wurden die Anforderungen des Berner Übereinkommens umgesetzt; in ihr ist ein strenger Schutz der meisten Wolfspopulationen in Europa vorgesehen, Ausnahmeregelungen sind möglich.
Weitere Informationen
Fragen und Antworten (europa.eu)
Eingehende Analyse des Status des Wolfs in der EU
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 20. Dezember 2023
- Autor
- Vertretung in Deutschland