(1.6.2016) - „Das Rechtsstaatsprinzip ist einer der Grundpfeiler der Europäischen Union. Es wurden konstruktive Gespräche geführt, die nun in konkrete Schritte zur Behebung der systembedingten Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Polen umgesetzt werden sollten. Die heute angenommene Stellungnahme enthält auf der Grundlage des im Januar begonnenen Dialogs unsere Bewertung der fraglichen Punkte“, sagte Timmermanns.
Nachdem sie seit dem 13. Januar einen intensiven Dialog mit der polnischen Regierung geführt hatte, hält es die Kommission für erforderlich, ihre Bewertung der gegenwärtigen Lage in dieser Stellungnahme zu formalisieren. Gemäß dem Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips ist dies der erste von der Kommission ergriffene Schritt in diesem Verfahren. Die Stellungnahme soll dazu beitragen, dass der laufende Dialog mit den polnischen Behörden zu einer Lösung führt.
Die Rechtsstaatlichkeit ist einer der gemeinsamen Werte, auf die sich die Europäische Union gründet. Sie ist in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankert. Nach den Verträgen ist die Europäische Kommission zusammen mit dem Europäischen Parlament und dem Rat dafür zuständig, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit als eines Grundwerts der Union zu garantieren und für die Achtung des Rechts, der Werte und der Grundsätze der EU zu sorgen.
Die jüngsten Ereignisse in Polen, die insbesondere das Verfassungsgericht betreffen, haben die Europäische Kommission veranlasst, einen Dialog mit der polnischen Regierung aufzunehmen, damit die Rechtsstaatlichkeit in Polen uneingeschränkt gewahrt bleibt. Nach Auffassung der Kommission muss das polnische Verfassungsgericht in der Lage sein, eine vollumfängliche wirksame Normenkontrolle zu gewährleisten.
Die derzeitigen Bedenken der Europäischen Kommission betreffen folgende Punkte:
- die Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts und die Umsetzung der einschlägigen Urteile des Verfassungsgerichts vom 3. und 9. Dezember 2015,
- das Gesetz vom 22. Dezember 2015 zur Änderung des Gesetzes über das Verfassungsgericht, das Urteil des Verfassungsgerichts vom 9. März 2016 in Bezug auf dieses Gesetz und die Missachtung der seit dem 9. März 2016 ergangenen Urteile des Verfassungsgerichts,
- die Wirksamkeit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit neuer Rechtsvorschriften, die 2016 verabschiedet wurden und in Kraft getreten sind.
Die polnischen Behörden sind nun aufgefordert, ihrerseits Bemerkungen zu der Stellungnahme vorzulegen. Die Kommission würde den konstruktiven Dialog mit der polnischen Regierung auf der Grundlage dieser Bemerkungen fortsetzen, um die dargelegten Bedenken einer Lösung zuzuführen. Werden die Bedenken nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ausgeräumt, kann die Kommission eine Empfehlung zur Rechtsstaatlichkeit abgeben. Hierdurch würde die zweiten Phase des Rahmens zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips eingeleitet.
Der – am 11. März 2014 eingeführte – Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips umfasst drei Stufen. Das gesamte Verfahren basiert auf einem kontinuierlichen Dialog zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat. Die Kommission informiert das Europäische Parlament und den Rat eingehend und in regelmäßigen Abständen.
- Sachstandsanalyse der Kommission: Die Kommission holt alle relevanten Informationen ein und prüft sie darauf hin, ob es klare Anzeichen für eine systembedingte Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit gibt. Gelangt die Kommission auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass in der Tat eine systembedingte Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, tritt sie mit dem betroffenen Mitgliedstaat in einen Dialog, indem sie eine „Stellungnahme zur Rechtsstaatlichkeit“ an den Mitgliedstaat richtet, in der sie ihre Bedenken begründet. Diese Stellungnahme dient als Warnung an den Mitgliedstaat und gibt diesem die Möglichkeit zu reagieren.
- Empfehlung der Kommission: In der zweiten Verfahrensphase kann die Kommission eine „Empfehlung zur Rechtsstaatlichkeit“ an den Mitgliedstaat richten, sofern die Angelegenheit in der Zwischenzeit nicht zufriedenstellend geregelt werden konnte. In diesem Fall setzt die Kommission dem Mitgliedstaat eine Frist, innerhalb deren er die beanstandeten Probleme zu beheben hat, und der Mitgliedstaat informiert die Kommission über die hierzu von ihm unternommenen Schritte. Die Kommission veröffentlicht ihre Empfehlung.
- Folgemaßnahmen zur Empfehlung der Kommission: In der dritten Verfahrensphase verfolgt die Kommission die Maßnahmen, die der Mitgliedstaat auf die Empfehlung hin getroffen hat. Kommt der Mitgliedstaat der Empfehlung innerhalb der gesetzten Frist nicht zufriedenstellend nach, können die Kommission, das Europäische Parlament oder eine Gruppe von 10 Mitgliedstaaten erwägen, ein Verfahren nach Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union einzuleiten.
Weitere Informationen:
Pressemitteilung: Kommission nimmt Stellungnahme zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen an
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 1. Juni 2016
- Autor
- Vertretung in Deutschland