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Vertretung in Deutschland
Presseartikel9. Dezember 2021Vertretung in DeutschlandLesedauer: 7 Min

Kommission will Arbeitsbedingungen und Rechte für Plattformbeschäftigte verbessern

Press conference by Valdis Dombrovskis, Executive Vice-President of the European Commission, and Nicolas Schmit, European Commissioner, on  improving the working conditions in platform work and on the Action Plan for the Social Economy

Die Europäische Kommission hat heute (Donnerstag) vorgeschlagen, wie die Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit verbessert und das nachhaltige Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der EU unterstützt werden können. Die neuen Regeln sollen sicherstellen, dass Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, etwa für Liefer- und Fahrdienste, die ihnen zustehenden Arbeitnehmerrechte und Sozialleistungen in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus erhalten sie zusätzlichen Schutz bei der Verwendung des so genannten algorithmischen Managements, also automatisierten Systemen, die Managementfunktionen bei der Arbeit unterstützen oder ersetzen. Europäisches Parlament und Rat müssen dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit noch zustimmen.

Im Rahmen des heutigen Pakets legt die Kommission Folgendes vor:

  • eine Mitteilung über die Vorgehensweise und Maßnahmen der EU im Bereich Plattformarbeit. Die EU-Maßnahmen sollten durch Maßnahmen der nationalen Behörden, der Sozialpartner und anderer einschlägiger Akteure auf ihrer jeweiligen Ebene ergänzt werden. Ein weiteres Ziel ist, die Grundlagen für die Arbeit an künftigen globalen Standards für hochwertige Plattformarbeit zu schaffen;
  • einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit. Dieser Vorschlag umfasst Maßnahmen zur korrekten Feststellung des Beschäftigungsstatus von Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, sowie neue Rechte für Arbeitnehmer/innen und Selbstständige in Bezug auf algorithmisches Management;
  • einen Entwurf für Leitlinien, um die Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge von Solo-Selbstständigen zu klären, die ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen. Dies schließt auch Personen ein, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, erklärte: „Unser Vorschlag für eine Richtlinie wird auf Plattformen arbeitende Scheinselbstständige dabei unterstützen, ihren Beschäftigungsstatus korrekt zu bestimmen und alle damit verbundenen sozialen Rechte in Anspruch nehmen zu können. Echte Selbstständige auf Plattformen werden durch mehr Rechtssicherheit in Bezug auf ihren Status geschützt, und es werden neue Schutzvorkehrungen gegen die Fallstricke des algorithmischen Managements getroffen. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer sozialeren digitalen Wirtschaft.“

Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit fügte hinzu: „Wir müssen das Arbeitsplatzpotenzial digitaler Plattformen optimal nutzen. Wir sollten aber auch dafür sorgen, dass es sich um hochwertige Arbeitsplätze handelt, durch die keine prekären Beschäftigungsverhältnisse gefördert werden, damit über Plattformen arbeitende Menschen über Sicherheit verfügen und ihre Zukunft planen können. Der Vorschlag der Kommission enthält klare Kriterien dafür, wie festzustellen ist, ob eine Plattform ein Arbeitgeber ist; ist dies der Fall, so haben die dort tätigen Arbeitnehmer/innen Anspruch auf einen gewissen Sozialschutz und gewisse Arbeitnehmerrechte. Der technologische Fortschritt muss fair und inklusiv sein, weshalb der Vorschlag auch die Transparenz und die Überwachung der Algorithmen der Plattformen behandelt.“

Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

  • Beschäftigungsstatus

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie soll sichergestellt werden, dass Personen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, den rechtmäßigen Beschäftigungsstatus erhalten, der ihren tatsächlichen Arbeitsregelungen entspricht. Sie enthält eine Liste von Kontrollkriterien, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob es sich bei der Plattform um einen „Arbeitgeber“ handelt. Erfüllt die Plattform mindestens zwei der Kriterien, wird rechtlich davon ausgegangen, dass sie ein Arbeitgeber ist. Den über sie arbeitenden Personen würden daher die mit dem Status „Arbeitnehmer/in“ verbundenen Arbeitnehmerrechte und sozialen Rechte zustehen. Die als „Arbeitnehmer/in“ eingestuften Personen hätten damit gegebenenfalls Anspruch auf den Mindestlohn (sofern vorhanden), Tarifverhandlungen, geregelte Arbeitszeiten und Gesundheitsschutz, bezahlten Urlaub und verbesserten Zugang zum Schutz vor Arbeitsunfällen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Krankheit sowie beitragsabhängige Altersrente. Plattformen haben das Recht, diese Einstufung anzufechten oder „zu widerlegen“, wobei sie nachweisen müssen, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht. Die von der Kommission vorgeschlagenen klaren Kriterien bringen den Plattformen größere Rechtssicherheit und geringere Prozesskosten und erleichtern die Geschäftsplanung.

  • Algorithmisches Management

Die Richtlinie erhöht die Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen durch digitale Arbeitsplattformen, gewährleistet eine Überwachung der Einhaltung der Arbeitsbedingungen durch Menschen und sieht das Recht vor, automatisierte Entscheidungen anzufechten. Diese neuen Rechte werden sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch echten Selbstständigen gewährt.

  • Durchsetzung, Transparenz und Rückverfolgbarkeit

Die nationalen Behörden haben nur schwer Zugang zu Daten in Bezug auf Plattformen und die Personen, die über diese Plattformen arbeiten, umso mehr, wenn Plattformen in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, wodurch nicht klar ist, wo und von wem Plattformarbeit geleistet wird.

Der Vorschlag der Kommission wird für mehr Transparenz in Bezug auf die Plattformen sorgen, indem die bestehenden Verpflichtungen zur Anmeldung von Arbeitsverhältnissen gegenüber nationalen Behörden klargestellt und die Plattformen aufgefordert werden, den nationalen Behörden wichtige Informationen über ihre Tätigkeiten und die über sie tätigen Personen bereitzustellen.

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung „Bessere Arbeitsbedingungen für ein stärkeres soziales Europa: die Vorteile der Digitalisierung für die Zukunft der Arbeit in vollem Umfang nutzen“ die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner und alle einschlägigen Akteure aufgefordert, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vorzuschlagen. Sie will damit die Vorteile des digitalen Wandels voll ausschöpfen und die soziale Marktwirtschaft in Europa schützen. Die EU möchte außerdem mit gutem Beispiel vorangehen und einen Beitrag zu künftigen globalen Standards für hochwertige Plattformarbeit leisten. Plattformen sind grenzüberschreitend tätig und erfordern daher auch einen grenzübergreifenden Regulierungsansatz.

Entwurf von Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts

Die Kommission leitet heute außerdem eine öffentliche Konsultation zum Entwurf von Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge für Solo-Selbstständige ein, d. h. Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben und keine Mitarbeiter beschäftigen. Dieser Leitlinienentwurf wird für Rechtssicherheit sorgen und sicherstellen, dass das EU-Wettbewerbsrecht die Bemühungen bestimmter Solo-Selbstständiger nicht behindert, ihre Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts, per Tarifvertrag zu verbessern, wenn sie sich in einer relativ schwachen Position befinden, z. B. aufgrund einer äußerst ungleichen Verteilung der Verhandlungsmacht. Der Entwurf der Leitlinien deckt sowohl Online- als auch Offline-Situationen ab.

Nächste Schritte

Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit wird nun vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert. Nach der Annahme des Vorschlags haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Der Entwurf der Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts durchläuft eine achtwöchige öffentliche Konsultation, um Rückmeldungen von Interessenträgern einzuholen; danach werden die Leitlinien von der Kommission angenommen. Die Leitlinien sind für die Kommission bei der anschließenden Auslegung und Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften verbindlich.

Hintergrund

Die digitale Plattformwirtschaft wächst rasant. Bereits heute arbeiten über 28 Millionen Menschen in der EU über digitale Arbeitsplattformen. Im Jahr 2025 wird mit 43 Millionen Beschäftigten gerechnet. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen ist tatsächlich selbstständig. Allerdings wird davon ausgegangen, dass 5,5 Millionen fälschlicherweise als Selbstständige eingestuft werden. Zwischen 2016 und 2020 verfünffachten sich die Einnahmen in der Plattformwirtschaft annähernd, von schätzungsweise 3 Mrd. Euro auf rund 14 Mrd. Euro.

Digitale Arbeitsplattformen schaffen Chancen für Unternehmen, Arbeitnehmer/innen und Selbstständige und verbessern den Zugang der Verbraucher/innen zu Dienstleistungen. Neue Arbeitsweisen bringen jedoch auch neue Herausforderungen mit sich. Es wird immer schwieriger, den Beschäftigungsstatus von Personen korrekt zu bestimmen, was in einigen Fällen zu unzureichenden Arbeitnehmerrechten und unzureichendem Sozialschutz führt. Darüber hinaus kann die Verwendung von Algorithmen in der Plattformarbeit Fragen der Rechenschaftspflicht und Transparenz aufwerfen.

Präsidentin von der Leyen hat in ihren politischen Leitlinien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „der digitale Wandel rasche Veränderungen mit sich bringt, die sich auf unsere Arbeitsmärkte auswirken.“ Sie verpflichtete sich zu „prüfen, wie die Arbeitsbedingungen von auf Online-Plattformen Beschäftigten verbessert werden können“. Im Arbeitsprogramm der Kommission für 2021 wurde im Anschluss an eine zweistufige Konsultation der Sozialpartner eine Gesetzgebungsinitiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Plattformarbeit für Ende 2021 angekündigt. Der Vorschlag ist eine der wichtigsten Initiativen des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte.

Gemäß Artikel 154 Absatz 2 AEUV führte die Kommission eine zweistufige Konsultation der europäischen Sozialpartner durch. Die erste Phase der Konsultation fand vom 24. Februar bis zum 7. April 2021 statt. Die zweite Phase der Konsultation wurde am 15. Juni eingeleitet und endete am 15. September 2021. Darüber hinaus stand die Kommission im Zusammenhang mit dieser Initiative im Austausch mit vielen einschlägigen Parteien; so fanden unter anderem gezielte Treffen mit Plattformunternehmen, Verbänden von Plattformarbeitern, Gewerkschaften, Vertretern der Mitgliedstaaten, Sachverständigen aus Hochschulen und internationalen Organisationen sowie Vertretern der Zivilgesellschaft statt. Die Ergebnisse des Konsultationsprozesses sind im Anhang der Folgenabschätzung zum Richtlinienvorschlag enthalten.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung: Vorschläge der Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten

Fragen und Antworten: Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

Informationsblatt: Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Plattformarbeit

Pressemitteilung: Entwurf von Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts

Fragen und Antworten: Entwurf von Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts

Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit

Mitteilung „Bessere Arbeitsbedingungen für ein stärkeres soziales Europa: die Vorteile der Digitalisierung für die Zukunft der Arbeit in vollem Umfang nutzen

Entwurf von Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Solo-Selbstständige in einer schwachen Position

Pressekontakt: gabriele [dot] imhoffatec [dot] europa [dot] eu (Gabriele Imhoff), Tel.: +49 (30) 2280-2820. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
9. Dezember 2021
Autor
Vertretung in Deutschland