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Vertretung in Deutschland
Infoblatt9. Mai 2019Vertretung in Deutschland

Mythos: „Die EU ist eine intransparente Lobbykratie“

Lobbyisten bestimmen die europäische Politik, lautet ein gängiges Vorurteil. Fakt ist: Die EU-Organe interagieren mit vielen Gruppen, die Sonderinteressen vertreten. Dies ist ein legitimes Element der demokratischen Entscheidungsfindung. Wichtig ist.

Die Entscheidungen der Europäischen Union wirken sich auf den Alltag von hunderten Millionen Menschen aus. Der Entscheidungsprozess muss also transparent sein, um die Kontrolle und Rechenschaftspflicht der EU-Organe zu gewährleisten.

Das EU-Transparenzregister umfasst Daten zu mehr als 30.000 Personen, die in Brüssel Lobbyarbeit betreiben und Einfluss auf die Politikgestaltung nehmen wollen; darunter Verbände, professionelle Lobbyisten, Anwaltskanzleien und Think-Tanks. Es ist das größte und umfassendste Register seiner Art weltweit.

Transparenzregister macht sichtbar, wer Einfluss auf europäische Politik nimmt

Wer einen Zugangsausweis für das EU-Parlament oder einen Termin mit Entscheidern der EU-Kommission haben möchte, muss sich eintragen. Außerdem verpflichten sich die Organisationen mit ihrer Registrierung auf einen Verhaltenskodex, zum Beispiel dürfen sie sich nicht auf unehrlichem Wege Informationen beschaffen.

Seit 2014 veröffentlicht die Kommission Informationen über alle Treffen von Kommissionsmitgliedern, ihren Kabinettsmitgliedern und Generaldirektoren der Kommission mit Interessenvertretern. Auch Abgeordnete in Schlüsselpositionen (Ausschussvorsitzende, Berichterstatter und Schattenberichterstatter) haben sich verpflichtet, ihre Lobbytreffen offenzulegen. Damit ist Brüssel transparenter als zum Beispiel Berlin.

Durch das Transparenzregister wird sichtbar: Wer verfolgt bei wem welche Interessen? Welche Finanzmittel stehen diesen Leuten zur Verfügung? Das Register ist damit eine wichtige Informationsquelle für Medien, Organisationen sowie Bürgerinnen und Bürger, um nachzuvollziehen, wer Einfluss auf europäische Politik nimmt. Es erschwert verdeckte Einflussnahme.

Derzeit wird mit den Mitgliedstaaten darüber verhandelt, das Register auch für Kontakte zu Vertretern der Mitgliedstaaten verbindlich zu machen. Dies wäre der größte Fortschritt seit seiner Einführung im Jahr 2011 und ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger der EU, dass nicht nur Kommission und Parlament, sondern allen drei EU-Organen gemeinsam an einem hohen Maß an Rechenschaftspflicht gelegen ist.

Informationen über EU-Rechtssetzung sind öffentlich – jeder kann sich beteiligen

Transparenz trägt dazu bei, die europäischen Bürgerinnen und Bürger zu einer aktiveren Teilnahme am demokratischen Leben der EU anzuregen. Zur Vorbereitung von Gesetzesvorschlägen lädt die Kommission alle Interessierten ein, an Konsultationen teilzunehmen und Stellung zu nehmen. Die Menschen haben das Recht zu erfahren, wie die EU-Organe ihre Entscheidungen treffen, wer am Entscheidungsprozess beteiligt ist und welche Dokumente bei der Vorbereitung und Annahme von Rechtsakten hervorgebracht werden. Die Kommission führt ein Register der sie beratenden Expertengremien. Außerdem haben die Bürger das Recht zu erfahren, wer Mittel aus dem EU-Haushalt erhält. Die Kommission führt eine Online-Datenbank, die Angaben zu den Begünstigten und der Höhe der Zuwendungen enthält.

Verhandlungen über Handelsabkommen werden transparenter geführt

Handelspolitik war über Jahrzehnte ein Thema, für das sich vor allem Experten interessiert haben. Mit den 2013 gestarteten Gesprächen über ein transatlantisches Handelsabkommen hat das öffentliche Interesse stark zugenommen. Die Juncker-Kommission hat daher die Art, wie Handelsverhandlungen geführt werden, grundlegend verändert. Es gibt ein bisher nicht dagewesenes Maß an Transparenz. Dazu gehören regelmäßige Treffen mit der Zivilgesellschaft, die Veröffentlichung der den Mitgliedstaaten vorgelegten Entwürfe der Verhandlungsmandate und aller Textvorschläge, die die EU in Handelsgespräche einbringt.

Ehemalige Kommissare müssen ihre neuen Jobs genehmigen lassen

Mitglieder der Europäischen Kommission müssen strenge Regeln zu Ethik und Integrität befolgen. Bezahlte Nebenjobs jeglicher Art sind verboten. Außerdem müssen die EU-Kommissare Auskunft geben über ihre finanziellen Interessen. Geschenke, die mehr 150 Euro wert sind, dürfen nicht angenommen werden.

Laut EU-Vertrag haben EU-Kommissare auch nach dem Ende ihrer Tätigkeit in der Brüsseler Behörde die Pflicht, „ehrenhaft und zurückhaltend zu sein“. Zuletzt sorgte der Wechsel von Ex-Kommissionschef José Manuel Barroso zu der Investmentbank Goldman Sachs für Wirbel. Der Verhaltenskodex für EU-Kommissare wurde daraufhin verschärft. In den ersten zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Amt müssen ehemalige Kommissionsmitglieder eine neue berufliche Tätigkeit durch die Kommission genehmigen lassen. Sie dürfen keine Lobbytätigkeiten aufnehmen, die mit ihrer früheren Zuständigkeit zu tun haben. Für ehemalige Präsidenten gilt eine „Abkühlungsphase“ von drei Jahren.

Korruption und Misswirtschaft werden bekämpft

Um Betrug und Korruption zu verhindern, hat die EU immer mehr getan, um Missbrauch von EU-Geldern aufzudecken und zu verfolgen. So prüft der eigene Europäische Rechnungshof als Kontrollorgan der europäischen Steuerzahler, ob bei den Einnahmen und Ausgaben der EU alles mit rechten Dingen zugeht. Seit 1999 gibt es das unabhängige Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf), das Misswirtschaft mit EU-Geldern verfolgt.

21 Mitgliedstaaten haben sich zudem auf eine gemeinsame Europäische Staatsanwaltschaft verständigt. Diese wird ab Ende 2020 einsatzbereit sein und bei der Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts – darunter Betrug, Korruption, Geldwäsche und schwerer grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug – tätig werden.

Grundsatz der Kommission: Transparenz

EU-Transparenzregister

Ethikkodex der EU-Kommission

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2. SEPTEMBER 2021
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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
9. Mai 2019
Autor
Vertretung in Deutschland