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Vertretung in Deutschland
Pressemitteilung8. Juni 2023Vertretung in DeutschlandLesedauer: 2 Min

Rechtsstaatlichkeit: EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein

Zu sehen sind EU-Flaggen.
European Union 2018

Nach Ansicht der Europäischen Kommission verstößt ein neues polnisches Gesetz zur Prüfung des Einflusses Russlands auf die innere Sicherheit des Landes gegen EU-Recht. Die Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet und dem Land in einer ersten Stufe ein Aufforderungsschreiben übermittelt. Basis ist eine eingehende Bewertung des am 31.Mai 2023 in Kraft getretenen Gesetzes.

Das Gesetz setzt einen neuen staatlichen Ausschuss ein, der den Einfluss Russlands auf die innere Sicherheit Polens zwischen 2007 und 2022 prüft. Die Kommission ist zu der Auffassung gelangt, dass das neue Gesetz in unzulässiger Weise in den demokratischen Prozess eingreift. Der Ausschuss könnte etwa den Ruf von Personen schwer beschädigen, die bei demokratischen Wahlen antreten. Kommt das Gremium zu dem Schluss, dass diese Personen unter russischem Einfluss gehandelt haben, könnte das die politischen Rechte der Gewählten einschränken.

Zu den Bedenken der Kommission schrieb Justizkommissar Didier Reynders auf Twitter, das Gesetz könnte die Kandidatur von Einzelpersonen für ein öffentliches Amt beeinträchtigen – ohne dass es die Chance auf einen fairen Prozess gebe.

Die Kommission ist der Auffassung, dass das neue Gesetz gegen Folgendes verstößt:

  • gegen den Grundsatz der Demokratie (Artikel 2 und 10 EUV);
  • gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und des Rückwirkungsverbots von Sanktionen (Art. 49 der Charta) sowie die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtskraft;
  • gegen das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Artikel 47 der Charta), den Grundsatz ne bis in idem (nicht zwei Mal in derselben Sache) und den Schutz des Berufsgeheimnisses (Artikel 7 der Charta);
  • gegen die Anforderungen des Unionsrechts an den Datenschutz (DSGVO und Art. 8 der Charta).

Nächste Schritte

Polen hat 21 Kalendertage Zeit, um auf das Aufforderungsschreiben zu antworten. Geht die polnische Antwort nicht auf die Beschwerden der Kommission ein, kann diese beschließen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Das ist dann der nächste Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren.

Hintergrund

Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte gehören zu den Grundwerten der Europäischen Union (Artikel 2 EUV). Sie sind für das Funktionieren der EU insgesamt von wesentlicher Bedeutung.

Am 26. Mai hatte das polnische Unterhaus, der Sejm, das Gesetz verabschiedet. Drei Tage später wurde es vom Präsidenten des Landes unterzeichnet. Am 30. Mai gab die Kommission eine Erklärung ab, in der sie ihre Besorgnis benennt und sich zu einer sorgfältigen Prüfung verpflichtete. Am darauf folgenden Tag richtete Justiz- Kommissar Didier Reynders ein Schreiben an den polnischen Minister für europäische Angelegenheiten und bat unverzüglich um weitere Informationen über das neue Gesetz. Am 1. Juni erhielt die Kommission eine Antwort Polens, die in die Analyse des Gesetzes einfloss. Am 2. Juni hat der Präsident der Republik einige Gesetzesänderungen vorgelegt, die Rechtslage bleibt jedoch unverändert.

Weitere Informationen

Pressemitteilung

Ablauf eines Vertragsverletzungsverfahrens

Datenbank der Vertragsverletzungsverfahren

Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips

Twitter-Thread von Justizkommissar Reynders

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
8. Juni 2023
Autor
Vertretung in Deutschland