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Vertretung in Deutschland
Pressemitteilung15. Februar 2023Vertretung in Deutschland

Rechtsstaatlichkeit: Kommission verklagt Polen wegen Verstößen gegen EU-Recht durch den polnischen Verfassungsgerichtshof

Ein Gerichtshammer liegt auf dem entsprechenden Resonanzblock.

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Polen wegen Verstößen gegen EU-Recht durch den polnischen Verfassungsgerichtshof und seine Rechtsprechung vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Ziel der Kommission ist es, dafür zu sorgen, dass die Rechte der polnischen Bürgerinnen und Bürger geschützt werden und dass sie die Vorteile der EU in gleicher Weise nutzen können wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger in der EU. Der Vorrang des EU-Rechts gewährleistet die gleiche Anwendung des EU-Rechts in der gesamten Union.

Am 22. Dezember 2021 hatte die Kommission durch Übermittlung eines Aufforderungsschreibens ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Dies erfolgte im Anschluss an Urteile des polnischen Verfassungsgerichtshofs vom 14. Juli 2021 und vom 7. Oktober 2021, in denen er Bestimmungen der EU-Verträge für mit der polnischen Verfassung unvereinbar erklärt und den Vorrang des EU-Rechts ausdrücklich in Frage gestellt hatte.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit diesen Urteilen gegen die allgemeinen Grundsätze der Autonomie, des Vorrangs, der Wirksamkeit, der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts und der verbindlichen Wirkung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs verstoßen.

Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Urteile auch gegen Artikel 19 Absatz 1 EUV, der das Recht auf wirksamen Rechtsschutz garantiert, verstoßen, da diese Bestimmung zu restriktiv ausgelegt wird. Damit gesteht der Verfassungsgerichtshof Rechtsunterworfenen vor polnischen Gerichten nicht in vollem Umfang die in dieser Bestimmung vorgesehenen Garantien zu.

Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass der Verfassungsgerichtshof die Anforderungen an ein zuvor durch Gesetz errichtetes unabhängiges und unparteiisches Gericht nicht mehr erfüllt. Dies ist auf die Unregelmäßigkeiten bei den Ernennungsverfahren für drei Richter im Dezember 2015 und bei der Auswahl seines Präsidenten im Dezember 2016 zurückzuführen.

Am 15. Juli 2022 beschloss die Kommission, Polen eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln, auf die Polen am 14. September 2022 antwortete; das Land wies dabei die Begründung der Kommission zurück. In der Antwort Polens werden die Bedenken der Kommission nicht ausgeräumt. Die Kommission hat daher heute beschlossen, Polen vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.

Hintergrund

Das Rechtsstaatsprinzip ist einer der Grundwerte der Europäischen Union. Es ist von wesentlicher Bedeutung für das Funktionieren der EU als Ganzes im Hinblick auf den Binnenmarkt und die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres sowie dafür, dass mitgliedstaatliche Richterinnen und Richter, die ja zugleich „EU-Richterinnen und -Richter“ sind, ihrer Aufgabe, die Anwendung des EU-Rechts sicherzustellen, nachkommen und ordnungsgemäß mit dem Europäischen Gerichtshof zusammenarbeiten können.

Wie aus dem Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 hervorgeht, bestehen nach wie vor ernste Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der polnischen Justiz. In den Jahren 2019 und 2020 leitete die Kommission zwei neue Vertragsverletzungsverfahren ein, um die Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten. Zwischenzeitlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Disziplinarordnung für Richterinnen und Richter in Polen nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Das Gericht hat ferner einstweilige Maßnahmen erlassen, um die Befugnisse der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts in Disziplinarsachen, die Richterinnen und Richter betreffen, auszusetzen.

Polen hat sich in seinem Aufbau- und Resilienzplan verpflichtet, die Disziplinarregelung für Richterinnen und Richter zu reformieren, die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts aufzulösen und Überprüfungsverfahren für Richterinnen und Richter einzuführen, die von Entscheidungen dieser Kammer betroffen sind, um bestimmte Aspekte der Unabhängigkeit der Justiz zu stärken.

Weitere Informationen

Vollständige Pressemitteilung

Vertragsverletzungsverfahren: Entscheidungen im Februar (Zusammenfassung)

Fragen und Antworten zu Vertragsverletzungsverfahren

Datenbank über Vertragsverletzungsverfahren

EU-Vertragsverletzungsverfahren

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
15. Februar 2023
Autor
Vertretung in Deutschland