Ungarn hat nach Auffassung der EU-Kommission in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und den Schutz des EU-Haushalts noch keine ausreichenden Fortschritte erzielt, um Gelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zu erhalten. Zwar bewertete die Kommission den ungarischen Aufbau- und Resilienzplan positiv. Es sind allerdings keine Zahlungen möglich, solange Ungarn die vereinbarten 27 „Super-Etappenziele“ nicht ordnungsgemäß erreicht hat. Auch Kohäsionsmittel in Höhe von 7,5 Milliarden Euro sollen zunächst nicht freigegeben werden.
Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte: „Der umfassende Aufbau- und Resilienzplan Ungarns wird von uns heute positiv bewertet. Im Bereich der Rechtsstaatlichkeit hat sich Ungarn zu wichtigen Reformen verpflichtet. Erst wenn diese vollständig umgesetzt sind, werden die Mittel des EU-Aufbaufonds freigegeben.“ Der Ministerrat kann nun bis zum 19. Dezember über den Kommissionsvorschlag abstimmen, wobei die effektive Aussetzung der Mittel ein Votum mit qualifizierter Mehrheit erfordert.“
Verbleibende Risiken für EU-Haushalt
Die Kommission hat eine Bewertung im Rahmen der Konditionalitätsregelung vorgelegt. Die Kommission stellt fest, dass trotz der unternommenen Schritte nach wie vor ein Risiko für den EU-Haushalt besteht, da die noch nicht umgesetzten Abhilfemaßnahmen struktureller und horizontaler Art sind.
Obwohl Ungarn eine Reihe von Reformen durchgeführt hat oder dies im Gange ist, hat Ungarn zentrale Aspekte der erforderlichen 17 Abhilfemaßnahmen, die im Rahmen der allgemeinen Konditionalitätsregelung beschlossen wurden, nicht wie vereinbart bis zum 19. November angemessen umgesetzt. Diese betreffen insbesondere die Wirksamkeit der neu eingerichteten Integritätsbehörde und das Verfahren für die gerichtliche Überprüfung staatsanwaltlicher Entscheidungen.
Die Kommission ist zu dem Schluss gelangt, dass die Bedingungen für die Anwendung der Regelung nach wie vor gegeben sind und dass weitere wesentliche Schritte erforderlich sind, um die in Ungarn verbleibenden Risiken für den EU-Haushalt zu beseitigen. Daher hat die Kommission beschlossen, an ihrem ursprünglichen Vorschlag vom 18. September festzuhalten, für drei operationelle Programme im Rahmen der Kohäsionspolitik 65 Prozent der Mittelbindungen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro auszusetzen. Die Kommission hält auch an ihrem Vorschlag fest, rechtliche Verpflichtungen mit Trusts von öffentlichem Interesse nicht zuzulassen.
Nachdem die Kommission durchgesetzt hatte, dass wesentliche Etappenziele in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und den Schutz des EU-Haushalts in den Aufbau- und Resilienzplan Ungarns aufgenommen wurden, hat sie heute den Plan gebilligt, wobei die vollständige und wirksame Erreichung der erforderlichen Etappenziele eine wichtige Voraussetzung ist.
Mit Blick auf die Behebung der Verstöße, die den EU-Haushalt gefährden, hat sich Ungarn im Aufbau- und Resilienzplan zu 17 Abhilfemaßnahmen sowie zu anderen Reformen der Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Justiz verpflichtet, die zusammen ein klar festgelegtes Paket von 27 „Super-Etappenzielen“ bilden. Das bedeutet, dass im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität keine Zahlungen möglich sind, solange Ungarn diese 27 „Super-Etappenziele“ nicht vollständig und ordnungsgemäß erreicht hat.
Unabhängigkeit der Justiz und Schutz des EU-Haushalts als Etappenziele im Aufbau- und Resilienzplan verankert
Die Kommission hat den ungarischen Plan nach den Kriterien der ARF-Verordnung bewertet. Der ungarische Plan enthält ein umfassendes Paket einander verstärkender Reformen und Investitionen, die dazu beitragen, alle oder einen wesentlichen Teil der im Rahmen des Europäischen Semesters in den länderspezifischen Empfehlungen an Ungarn skizzierten Herausforderungen wirksam zu bewältigen.
Der Plan ist eine umfassende und ausgewogene Antwort auf die wirtschaftliche und soziale Lage Ungarns und leistet so einen angemessenen Beitrag zu allen sechs Säulen der Aufbau- und Resilienzfazilität.
Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Plan sämtliche einschlägigen Kriterien erfüllt und – entsprechend den Anforderungen der Verordnung über die Aufbau- und Resilienzfazilität – keine seiner Maßnahmen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Umwelt führen dürfte.
Der Plan umfasst ferner ein umfassendes Paket wichtiger institutioneller Reformen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Mit diesen Reformen werden die an Ungarn gerichteten länderspezifischen Empfehlungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit wirksam umgesetzt und zudem der Schutz der finanziellen Interessen der Union verbessert. Diese Reformen dürften außerdem durch den Ausbau der Korruptionsbekämpfung, die Förderung des Wettbewerbs im öffentlichen Auftragswesen und die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz die Effizienz und die Resilienz der Wirtschaft verbessern.
Zu diesen Reformen wurden insgesamt 27 „Super-Etappenziele“ festgelegt, die vollständig und ordnungsgemäß erreicht werden müssen, bevor Zahlungen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität an Ungarn geleistet werden können.
Nächste Schritte
Im Rahmen der Konditionalitäts-Verordnung wird die Kommission nun dem Rat ihre Analyse der Umsetzung der 17 Abhilfemaßnahmen durch Ungarn übermitteln. Anschließend hat der Rat bis zum 19. Dezember Zeit, um einen Beschluss über den Kommissionsvorschlag zu fassen. Die Kommission wird auch das Europäische Parlament auf dem Laufenden halten.
Die Kommission hat heute in Bezug auf die ARF einen Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates angenommen, in dem die positive Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Ungarns gebilligt wird. Der Rat hat nun grundsätzlich vier Wochen Zeit, um seinen Durchführungsbeschluss anzunehmen. Die ARF-Verordnung sieht vor, dass 70 Prozent der den Mitgliedstaaten zugewiesenen ARF-Mittel vor dem 31. Dezember 2022 gebunden sein müssen. Dies betrifft auch die Zuweisung von Mitteln an Ungarn.
Die Kommission wird die Auszahlung von 5,8 Milliarden Euro genehmigen, wenn die im Aufbau- und Resilienzplan festgelegten Etappenziele und Zielwerte, an denen die Fortschritte bei der Umsetzung der Investitionen und Reformen gemessen werden, zufriedenstellend erfüllt sind.
Bevor im Rahmen der ARF Zahlungen an Ungarn geleistet werden können, müssen insgesamt 27 Etappenziele erreicht werden, mit denen ein wirksamer Schutz der finanziellen Interessen der Union gewährleistet werden soll. Eine spätere Abkehr von diesen Etappenzielen würde nachfolgende ARF-Zahlungen blockieren.
Die Kommission wird zu allen genannten Aspekten in engem und konstruktivem Kontakt mit den ungarischen Behörden bleiben, um weiter an einer raschen und substanziellen Lösung der im Rahmen beider Verfahren festgestellten Probleme zu arbeiten.
Hintergrund
Seit dem Jahr 2021 gibt es für den Fall, dass ein Verstoß gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit die finanziellen Interessen der Europäischen Union gefährdet oder gefährden könnten, einen zusätzlichen Schutz für den Haushalt der Union. Diese neue Konditionalitätsregelung ermöglicht es der EU, Maßnahmen zum Schutz des Haushalts zu ergreifen (z. B. Aussetzung von Zahlungen oder Finanzkorrekturen).
Aus der ARF – dem wichtigsten, mit 723,8 Milliarden Euro ausgestatteten Instrument von NextGenerationEU – werden bis zu 800 Milliarden Euro (zu jeweiligen Preisen) bereitgestellt, um überall in der EU Investitionen und Reformen zu fördern. Der ungarische Plan ist Teil einer beispiellosen koordinierten Reaktion der EU auf die COVID-19-Krise, mit der gemeinsame europäische Herausforderungen bewältigt werden sollen, indem der ökologische und digitale Wandel vollzogen wird und die wirtschaftliche und soziale Resilienz sowie der Zusammenhalt im Binnenmarkt gestärkt werden. Mit der künftigen Aufnahme von REPowerEU-Kapiteln in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne wird der ARF eine zentrale Rolle zukommen, wenn es darum geht, gegen die Manipulation der Energiemärkte durch Russland nach dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine vorzugehen.
Weitere Informationen:
Fragen und Antworten: Europäische Kommission billigt Aufbau- und Resilienzplan Ungarns
Aufbau- und Resilienzfazilität: Fragen und Antworten
Factsheet zum Aufbau- und Resilienzplan Ungarns
Aufbau- und Resilienzfazilität
Verordnung zur Einrichtung einer Aufbau- und Resilienzfazilität
Pressekontakt: laura [dot] bethkeec [dot] europa [dot] eu (Laura Bethke), Tel.: +49 (0) 30 2280-2200 und renke [dot] deckarmec [dot] europa [dot] eu (Renke Deckarm), Tel.: +49 1520 919 28 20. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 30. November 2022
- Autor
- Vertretung in Deutschland