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Presseartikel25. April 2022Vertretung in DeutschlandLesedauer: 6 Min

Russische Kriegsverbrechen in der Ukraine: EU-Kommission will Eurojust-Mandat stärken

Dargestellt ist ein Piktogram auf einem lila Hintergrund. Das Piktogram besteht aus einem weißen Kreis. Innerhalb des Kreises befinden sich Darstellungen zum Thema Justiz und Recht. Auf der linken Seite oben sieht man einen Gerichtshammer, parallel dazu auf der rechten Seite die Darstellung einer Waage, die von einer Hand gehalten wird (Justizsymbol). Der untere Teil des Kreises zeigt einge Hand, die eine kleinere Hand in ihrer hält.

Die EU-Kommission will Eurojust die rechtliche Möglichkeit geben, Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln, aufzubewahren und auszutauschen. Dazu hat sie heute (Montag) eine Änderung der Eurojust-Verordnung vorgeschlagen. „Der Kampf der Ukraine ist unser Kampf. Wir müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Kriegsverbrecher vor Gericht kommen. Wir müssen Eurojust stärken und ihm die nötigen Werkzeuge an die Hand geben, damit es dem Ausmaß der Gräueltaten in der Ukraine gerecht werden kann“, so Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová.

Aufgrund der anhaltenden Kampfhandlungen ist es schwierig, Beweismittel in der Ukraine sicher aufzubewahren. Damit die Urheber der in der Ukraine begangenen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden können, ist es notwendig, die sichere Aufbewahrung von Beweismitteln außerhalb der Ukraine zu gewährleisten und die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen durch verschiedene europäische und außereuropäische Justizbehörden zu unterstützen.

Seit März unterstützt Eurojust eine gemeinsame Ermittlungsgruppe der EU, die sich mit möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine befasst. Eurojust verfügt zwar über praktische Erfahrungen im Bereich der internationalen Kriminalität, doch wurde die Gründungsverordnung nicht für Lagen wie die derzeitige und Straftaten dieser Größenordnung konzipiert. Deshalb hält es die Kommission für erforderlich, die Rechtsgrundlage von Eurojust zu aktualisieren.

Verstärktes Mandat für Eurojust

Schon heute werden Beweise für mögliche Straftaten in der Ukraine von den nationalen Behörden gesammelt. Da die Kampfhandlungen andauern, können Beweismittel in der Ukraine nicht sicher aufbewahrt werden. Daher muss ein zentraler Backup-Speicher eingerichtet werden, in dem Beweismittel, die von den Agenturen und Einrichtungen der Union sowie von nationalen und internationalen Behörden oder Dritten wie Organisationen der Zivilgesellschaft gesammelt wurden, aufbewahrt werden können. Die Eurojust-Verordnung schreibt zwar vor, dass Eurojust die Mitgliedstaaten bei der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von schweren Straftaten, insbesondere auch schweren völkerrechtlichen Verbrechen, unterstützt. Sie sieht bislang aber weder vor, dass Eurojust solche Beweise dauerhaft aufbewahrt, noch dass es sie auswertet und bei Bedarf weitergibt oder dass es unmittelbar mit internationalen Justizbehörden wie dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zusammenzuarbeitet.

Damit Eurojust seine Aufgaben im Zusammenhang mit solchen Straftaten ordnungsgemäß wahrnehmen kann, schlägt die Kommission eine Änderung der Eurojust-Verordnung vor. Sollte der Vorschlag vom Gesetzgeber verabschiedet werden, wird Eurojust in der Lage sein,

  • Beweise für schwere völkerrechtliche Verbrechen aufzubewahren, auszuwerten und zu archivieren,
  • Beweismittel wie Videos, Tonaufzeichnungen und Satellitenbilder zu verarbeiten und an die zuständigen nationalen und internationalen Behörden, insbesondere auch an den Internationalen Strafgerichtshof, weiterzugeben. Die Weitergabe solcher Beweismittel würde nur dann erfolgen, wenn dies angemessen ist und die EU-Datenschutzvorschriften uneingeschränkt eingehalten werden.

Eurojust wird sich auch mit Europol abstimmen und im Rahmen der jeweiligen Mandate mit Europol zusammenarbeiten.

Nächste Schritte

Der Vorschlag geht nun zur Beratung und Verabschiedung an das Europäische Parlament und den Rat.

Hintergrund

Nach den Gräueltaten im ukrainischen Butscha sprach Präsidentin von der Leyen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und stimmte einer engen Zusammenarbeit zu. Präsidentin von der Leyen beauftragte das für Justiz zuständige Kommissionsmitglied Didier Reynders, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen und die Bemühungen der EU zur Untersuchung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine zu koordinieren.

Inzwischen hat Kommissar Reynders sich mit dem ukrainischen Generalstaatsanwalt, dem Justizminister und dem Präsidenten von Eurojust in Verbindung gesetzt, um den Bedarf vor Ort und die erforderliche Unterstützung zu bewerten.

Am 12. April rief Kommissar Reynders die EU-Justizministerinnen und -minister in einem Schreiben auf, sich in dieser Sache auf politischer Ebene weitergehend abzustimmen. Nachdem die Taskforce „Freeze and Seize“ (Einfrieren und Beschlagnahmen) ihre Arbeit inzwischen aufgenommen hat, ist die Sammlung von Beweisen und die Unterstützung von Ermittlungen zu Kriegsverbrechen ein weiterer Bereich, in dem ein gemeinsames Handeln von Kommission, Mitgliedstaaten und Partnern angebracht ist. Der Kommissar hat die Minister um Unterstützung bei der Bearbeitung einer Liste von Ersuchen gebeten, die er vom ukrainischen Generalstaatsanwalt erhalten hat. Dazu gehören beispielsweise die Bereitstellung von Ermittlern zur Dokumentation von Kriegsverbrechen, Kriminaltechniker, Ausrüstung für die sichere Aufbewahrung von Beweismitteln, sichere Kommunikationswege oder praktische Einsatzbegleitung für Ermittler.

Die Kommission unterstützt diese Bemühungen auch, indem sie Ausrüstung, Sachverständige und die Arbeit des Genozid-Netzes finanziert, das die Justizbehörden bei der Beweiserhebung im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen ausbildet. Darüber hinaus hat die EU ein mit 7,5 Mio. Euro ausgestattetes Projekt in die Wege geleitet, bei dem zur Unterstützung dieser Ermittlungen umfangreiche Daten über vermisste und verschwundene Personen gesammelt werden. 

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat ferner angekündigt, dass die Beratungsmission der Europäischen Union (EUAM), die sich bereits vor dem Krieg in der Ukraine befand, nun auch beauftragt werden soll, mit dem ukrainischen Generalstaatsanwalt zusammenzuarbeiten, um Ermittlungen und die Beweiserhebung vor Ort sicherzustellen.

Die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine, 11 EU-Mitgliedstaaten und die Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) haben Ermittlungen wegen in der Ukraine begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen. Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat eine eigene Webseite eingerichtet, auf der die Bürger aufgefordert werden, derartige Straftaten zu melden und zu dokumentieren. Bislang wurden in der Ukraine mehr als 6.000 Fälle von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemeldet und eine hohe Zahl von Verdächtigen (Politiker, Angehörige des Militärs usw.) ermittelt. Vor kurzem wurde eine gemeinsame Ermittlungsgruppe der EU mit der Ukraine eingerichtet, die von Eurojust unterstützt wird. Zwischen Eurojust und dem Internationalen Strafgerichtshof laufen Gespräche über die künftige Zusammenarbeit. Weitere Mitgliedstaaten erwägen, der gemeinsamen Ermittlungsgruppe beizutreten. Das bei Eurojust angesiedelte Genozid-Netz hat mit Schulungen für Justizbehörden in den Mitgliedstaaten und in der Ukraine begonnen, um die Fallbearbeitung bei Straftaten gegen das Völkerrecht zu verbessern.

Eurojust und das Genozid-Netz verfügen über das erforderliche Fachwissen für die Aufbewahrung und Bearbeitung von Beweismaterial im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen und anderen schweren völkerrechtlichen Verbrechen. Sie verfügen über erfolgreiche operative Erfahrungen bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, da sie gemeinsame Ermittlungsgruppen mehrerer Mitgliedstaaten unterstützt hatten, die zu Verurteilungen für in Syrien und Irak begangene Straftaten gegen das Völkerrecht geführt haben. Der Rechtsrahmen von Eurojust erlaubt es der Agentur jedoch derzeit nicht, Beweismittel im Zusammenhang mit Kernverbrechen des Völkerstrafrechts zu sammeln, aufzubewahren, zu analysieren und auszutauschen oder dabei mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu kooperieren. Dabei wird Eurojust auch im Rahmen der jeweiligen Kompetenzen mit Europol zusammenarbeiten.

Weitere Informationen:

Vollständige Pressemitteilung zur Änderung der Eurojust-Verordnung

Vorschlag zur Änderung der Eurojust-Verordnung

Erklärung der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen nach ihrem Telefonat mit Präsident Selenskyj zu den Reaktionen der Kommission auf die Gräueltaten in Butscha

Eurojust und der Krieg in der Ukraine

Pressemitteilung (17. März 2022) – Durchsetzung von Sanktionen gegen gelistete russische und belarussische Oligarchen: Taskforce „Freeze and Seize“ der Kommission intensiviert Zusammenarbeit mit internationalen Partnern

Pressemitteilung (8. April 2022) – Taskforce „Freeze and Seize“: Vermögenswerte russischer und belarussischer Oligarchen und Unternehmen in Höhe von bislang knapp 30 Mrd. EUR von der EU eingefroren

EU-Sanktionen gegen Russland infolge der Ukraine-Invasion

Pressekontakt: katrin [dot] ABELEatec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
25. April 2022
Autor
Vertretung in Deutschland