Sozialkommissar Schmit und Arbeitsminister Heil wurden unter anderem gefragt, was einen gerechten Lohn ausmacht und was sie gegen den immer größer werdenden Niedriglohnsektor unternehmen wollen. Die Kommission hält das Lohngefälle in Europa für zu groß und setzt sich für bessere Mindestlöhne ein. „Wir streben aber keinen einheitlichen europaweiten Mindestlohn an, sondern arbeiten an einem europäischen Rahmen für Mindestlöhne, denn arbeiten kann nicht heißen, dass Menschen in Armut leben. Der Rahmen für die Festlegung von Mindestlöhnen wird angepasst an die Lebenshaltungskosten. Jeder soll von seiner Arbeit leben können, ob in Deutschland oder in Bulgarien“, sagte Kommissar Nicolas Schmit.
Ausreichende Mindestlöhne würden auch den Beschäftigten im Niedriglohnsektor zugutekommen. „Es darf keine Löcher in den Mindestlohnsystemen geben“, so Schmit. Die Kommission plane keine absolut einheitliche Art und Weise, Mindestlöhne zu fixieren. In sechs Ländern Europas wie z.B. Italien, Schweden oder Österreich gelte kein gesetzlicher Mindestlohn, sondern ein System auf Basis von Tarifverträgen. „Länder, in denen ausschließlich die Tarifpartner - Arbeitgeber und Gewerkschaften - die Löhne aushandeln, können bei diesem System bleiben“, so Schmit.
Nicolas Schmit sprach sich gegen ein Grundeinkommen, aber für eine Grundsicherung aus. Jeder Mitgliedstaat sollte sich zur Grundsicherung verpflichten, nicht in allen EU-Ländern gebe es ausreichende Sicherungssysteme.
Die deutsche Ratspräsidentschaft hat den europäischen Rahmen für Mindestlöhne auf ihre Agenda gesetzt, sagte Arbeitsminister Heil. Er fordert vor allem eine bedingungslose Kindersicherung.
Nicolas Schmit warb in dem Bürgerdialog auch für ein europäisches Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit als Antwort auf die drohende Perspektivlosigkeit für junge Europäer in der Coronakrise. Die Kommission wird das Programm in Kürze vorstellen.
Bürgerinnen und Bürger wollten auch wissen, wie die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie und für Saisonarbeiter insgesamt in der EU verbessert werden können. Zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sagte Hubertus Heil, dass viele Werkverträge und zu wenige Arbeitsschutzkontrollen in diesem Sektor schon vor der Coronakrise kennzeichnend waren. Die Kontrollen sollen jetzt ausgeweitet werden. Die Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie sollten im Kontext des Umgangs mit Saisonarbeitern in Europa insgesamt gesehen werden. Die deutsche Ratspräsidentschaft werde auch dieses Thema auf ihre Agenda setzen.
Das Europäische Parlament wird sich diese Woche mit den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie und für Saisonarbeiter befassen. Die Kommission erarbeitet Leitlinien für gleiche Rechte von Saisonarbeitern in Europa.
Die neue Europäische Arbeitsbehörde kann den nationalen Kontrollinstanzen dabei helfen, die Kontrollen durchzuführen, kann aber nicht selber kontrollieren. Die Verbände der europäischen Gewerkschaften und Arbeitgeber sind bereits im Austausch darüber, welche Maßnahmen für bessere Bedingungen für Saisonarbeiter gut funktionieren.
Ein europäischer Rahmen für Mindestlöhne, eine Mindestsicherung für Saisonarbeitskräfte, bessere Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter und Arbeiter in globalen Lieferketten stehen auf dem Arbeitsprogramm der deutschen Ratspräsidentschaft, versicherte Arbeitsminister Heil.
„Ein starker Sozialstaat hat vielen Ländern in Europa erlaubt, besser aus der Krise herauszukommen. Wir müssen daher weiter an einem sozialen Europa arbeiten. Solidarität muss als Zukunftsinvestition verstanden werden“, sagte Schmit. Zudem machte er klar: „Wenn wir jetzt nicht handeln, steuern wir auf eine soziale Krise zu. Für Europa könnte dies nicht nur sozial und wirtschaftlich, sondern auch politisch eine Gefahr darstellen. Wir müssen also jetzt Mut beweisen.“ Schmit warb für den europäischen Aufbauplan und lobte das deutsche Konjunkturprogramm.
Der Mitschnitt des Bürgerdialogs steht auf der Facebook-Seite der Vertretung und bei EbS+ zur Verfügung.
Weitere Informationen:
Pressekontakt: gabriele [dot] imhoffec [dot] europa [dot] eu (Gabriele Imhoff), Tel.: +49 (30) 2280-2820
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 16. Juni 2020
- Autor
- Vertretung in Deutschland