Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) einen Befristeten Krisenrahmen angenommen. Dadurch können die Mitgliedstaaten den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum nutzen, um die Wirtschaft infolge der russischen Invasion in die Ukraine zu stützen. „Die von der EU und ihren internationalen Partnern verhängten Sanktionen haben große Auswirkungen auf die russische Wirtschaft“, erklärte Margrethe Vestager, die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission. „Aber sie belasten auch die EU-Wirtschaft und werden dies auch in den kommenden Monaten tun. Wir müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Krieges abmildern und stark betroffene Unternehmen und Branchen unterstützen.“
Gleichzeitig stellte Vestager klar: „Die Europäische Union steht in dieser kritischen Situation an der Seite der Ukraine und des ukrainischen Volkes. Wir müssen dieser grausamen Invasion entgegentreten, denn es geht um unsere Freiheit.“ Um die Wirtschaft der EU zu unterstützen, setzt die Kommission auf den Befristeten Krisenrahmen. Er ergänzt das bestehende Instrumentarium für staatliche Beihilfen um viele weitere Möglichkeiten. Dazu gehören unter anderem Maßnahmen zur Entschädigung von Unternehmen für unmittelbar durch außergewöhnliche Umstände erlittene Schäden.
„Der neue Rahmen ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Unternehmen, die von der derzeitigen Krise oder den deshalb verhängten Sanktionen und Gegensanktionen betroffen sind, begrenzte Beihilfen zu gewähren, dafür zu sorgen, dass den Unternehmen weiterhin ausreichende Liquidität zur Verfügung steht und Unternehmen für die Mehrkosten zu entschädigen, die ihnen aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise entstehen“, so Vestager.
In Anspruch nehmen können diese Maßnahmen auch Unternehmen in Schwierigkeiten, die aufgrund der derzeitigen Umstände und nach der COVID-19-Pandemie einen akuten Liquiditätsbedarf verzeichnen. Ausgenommen sind dagegen von Russland kontrollierte Unternehmen, die mit Sanktionen belegt wurden. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu wahren, enthält der neue Befristete Krisenrahmen eine Reihe von Schutzklauseln. Die Mitgliedstaaten sind zudem aufgefordert, Nachhaltigkeitskriterien für die Gewährung von Beihilfen für die Energiemehrkosten infolge der hohen Gas- und Strompreise aufzunehmen.
Hintergrund
In dem auf Artikel 107 Absatz 3b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gestützten „Befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ wird anerkannt, dass das Wirtschaftsleben in der EU beträchtlich gestört ist. Um Abhilfe zu schaffen, sind drei Arten von Hilfen vorgesehen:
- Begrenzte Beihilfebeträge: Die Mitgliedstaaten können Regelungen einführen, die die Gewährung von Beihilfen von jeweils bis zur 35.000 Euro (Unternehmen in Landwirtschaft, Fischerei oder Aquakultur) bzw. 400.000 Euro (alle anderen Wirtschaftszweige) ermöglicht. Diese Beihilfen müssen nicht als Ausgleich für einen Anstieg der Energiepreise konzipiert sein. Sie können in jeder Form, einschließlich direkter Zuschüsse, erfolgen.
- Liquiditätshilfe in Form von staatlichen Garantien und zinsvergünstigten Darlehen: Die Mitgliedstaaten können (i) subventionierte staatliche Garantien gewähren, um sicherzustellen, dass die Banken allen von der aktuellen Krise betroffenen Unternehmen weiterhin Kredite gewähren, und (ii) öffentliche und private Kredite mit subventionierten Zinssätzen gewähren.
- Die Mitgliedstaaten können staatliche Garantien gewähren oder Garantieregelungen zur Unterstützung von Bankkrediten einrichten. Die Garantieprämien für neue Darlehen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Nicht-KMU werden durch die Senkung des geschätzten Marktsatzes für Jahresprämien vergünstigt.
- Die Mitgliedstaaten können zinsvergünstigte öffentliche und private Darlehen an Unternehmen vergeben. Diese Darlehen müssten zu einem Zinssatz gewährt werden, der mindestens dem risikofreien Basiszinssatz zuzüglich der für KMU und Nicht-KMU jeweils anwendbaren Kreditrisikomarge entspricht.
- Für beide Beihilfearten gelten Obergrenzen für den Darlehenshöchstbetrag in Abhängigkeit von den betrieblichen Erfordernissen des jeweiligen Unternehmens, wobei der Umsatz, die Energiekosten oder der besondere Liquiditätsbedarf zu berücksichtigen sind. Die Darlehen dürfen sowohl für Investitions- als auch Betriebsmittelbedarf gewährt werden.
- Beihilfen zum Ausgleich erhöhter Energiepreise: Die Mitgliedstaaten können Unternehmen, insbesondere solche mit hohem Energiebedarf, teilweise für Mehrkosten, die ihnen aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise entstehen, entschädigen. Diese Unterstützung kann in jeder Form, einschließlich direkter Zuschüsse, gewährt werden. Die Gesamtbeihilfe je Empfänger darf sich nicht auf mehr als 30 Prozent der beihilfefähigen Kosten oder mehr als 2 Mio. Euro belaufen. Wenn dem Unternehmen Betriebsverluste entstehen, können weitere Beihilfen erforderlich sein, um die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewährleisten. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten Beihilfen gewähren, die diese Obergrenzen übersteigen – und zwar bis zu 25 Mio. Euro für energieintensive Unternehmen und bis zu 50 Mio. Euro für Unternehmen, die in bestimmten Wirtschaftszweigen tätig sind, etwa in der Erzeugung von Aluminium und anderen Metallen, Glasfasern, Zellstoff, Düngemitteln oder Wasserstoff und vielen chemischen Grundstoffen.
Der Befristete Krisenrahmen wird dazu beitragen, die Wirtschaft gezielt zu unterstützen und gleichzeitig Beeinträchtigungen der fairen Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt begrenzen. Daher enthält er eine Reihe von Schutzmaßnahmen:
- Proportionale Methodik: Die Höhe der Beihilfen, die den Unternehmen gewährt werden, sollte sich nach dem Umfang ihrer Wirtschaftstätigkeit und ihrer Gefährdung durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise richten, indem ihr Umsatz und ihre Energiekosten berücksichtigt werden.
- Beihilfevoraussetzungen: Der Begriff „energieintensiver Betrieb“ wird im Einklang mit Artikel 17 Absatz 1a der Energiebesteuerungsrichtlinie definiert als Unternehmen, dessen Energiebeschaffungskosten sich auf mindestens drei Prozent seines Produktionswertes belaufen.
- Nachhaltigkeitskriterien: Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert zu erwägen, für die Gewährung von Beihilfen zur Entschädigung für Mehrkosten aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise in nichtdiskriminierender Weise Anforderungen in Bezug auf den Umweltschutz oder die Versorgungssicherheit festzulegen. Die Beihilfen dürften den Unternehmen daher dabei helfen, die derzeitige Krise zu überstehen, und gleichzeitig den Grundstein für eine nachhaltige Erholung legen.
Der Befristete Krisenrahmen gilt bis zum 31. Dezember 2022. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, wird die Kommission vor Ablauf dieser Frist prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist. Darüber hinaus wird die Kommission den Inhalt und Anwendungsbereich des Rahmens im Lichte der Entwicklungen auf den Energiemärkten, anderen Inputmärkten und der allgemeinen Wirtschaftslage ständig überprüfen.
Bereits 2008 hat die Kommission mit der Annahme eines Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens auf die weltweite Finanzkrise reagiert. Am 19. März 2020 nahm die Kommission zudem vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie einen Befristeten Rahmen an. Der Befristete COVID-19-Rahmen wurde am 3. April, 8. Mai, 29. Juni und 13. Oktober 2020 sowie am 28. Januar und 18. November 2021 geändert.
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 23. März 2022
- Autor
- Vertretung in Deutschland