Das historische Zentrum von Stolberg in Nordrhein-Westfalen steht auf der Auswahlliste von Europa Nostra der am stärksten bedrohten Kulturerbestätten Europas. Damit ist Stolberg in der engeren Auswahl für die am meisten gefährdeten sieben Kulturerbestätten Europas 2022. Die Auswahlliste wurde heute (Dienstag) von Europa Nostra, der europäischen Stimme der Zivilgesellschaft, die sich dem Kultur- und Naturerbe verpflichtet hat, und der Europäischen Investitionsbank bekannt gegeben.
Die zwölf Stätten der Auswahlliste für 2022 sind:
- Historisches Zentrum von Stolberg, DEUTSCHLAND
- Zogu BRÜCKE, ALBANIEN
- Récollets Konvent, Nivelles, BELGIIEN
- Dorf und Kulturlandschaft von Doel, BELGIEN
- Gartenstadt La Butte Rouge bei Paris, FRANKREICH
- Neptun Bäder, Băile Herculane, RUMÄNIEN
- Orléans-Borbón Palast, bei Cádiz, SPANIEN
- Synagoge von Híjar/St. Anthonius Kirche, Híjar, SPANIEN
- Industriegebiet Lövholmen, Stockholm, SCHWEDEN
- Crèvecoeur Festung, ’s-Hertogenbosch, NIEDERLANDE
- Skulptur Kompositionen des Rathauses Buchach, UKRAINE
- Sanguszko Palast, UKRAINE
Die Auswahl erfolgte aufgrund der herausragenden Bedeutung als Baudenkmäler und des kulturellen Wertes der einzelnen Stätten sowie aufgrund der ernsthaften Gefährdung, der sie heute ausgesetzt sind. Als entscheidende Mehrwerte wurden das Engagement der lokalen Gemeinschaften und das Engagement öffentlicher und privater Akteure für die Erhaltung dieser Stätten angesehen. Ein weiteres Auswahlkriterium war das Potenzial dieser Stätten, als Katalysator für eine nachhaltige Entwicklung und als Instrument zur Förderung von Frieden und Dialog innerhalb ihrer Ortschaften und weiteren Regionen zu wirken.
Die Kulturerbestätten wurden von einem internationalen Beratungsgremium ausgewählt, das sich aus Experten aus den Bereichen Geschichte, Archäologie, Architektur, Konservierung, Projektanalyse und Finanzen zusammensetzt. Nominierungen wurden von Mitgliedsorganisationen, assoziierten Organisationen oder einzelnen Mitgliedern von Europa Nostra aus ganz Europa sowie von Mitgliedern der Europäischen Allianz für das Kulturerbe eingereicht.
Historisches Zentrum von Stolberg
Stolberg ist eine mittelalterliche Stadt in Nordrhein-Westfalen. Im Laufe der Geschichte war Stolberg dank seines Reichtums an Bodenschätzen und der Wasserkraft des nahen Flusses Vicht ein innovativer Hotspot auf dem Gebiet der Metallurgie. Im Zuge der florierenden Kupferindustrie, die sich in den Kupferhöfen der wohlhabenden einheimischen Meister zeigte, folgten bald andere Industrien in derselben Gegend, die Stolberg zu einem wichtigen Ort für das industrielle Erbe Europas machten. Das Erscheinungsbild der Altstadt wird maßgeblich vom heimischen Kalkstein geprägt und die Haupteinkaufsstraße Stolbergs ist eine der wenigen klassischen deutschen Haupteinkaufsstraßen, die den Zweiten Weltkrieg weitgehend unversehrt überstanden haben.
Mitte Juli 2021 wurde die Altstadt von Stolberg unerwartet in ein Überschwemmungsgebiet verwandelt und hunderte von Gebäuden durch das Hochwasser der Vicht stark beschädigt, nachdem extreme Wetterbedingungen in vielen Dörfern Deutschlands und der Benelux-Länder einen Pfad der Zerstörung hinterließen und zu tragischen Verlusten an Menschenleben führten. Von der Katastrophe waren rund 235 von 701 denkmalgeschützten Gebäuden betroffen, ca. 75 Prozent davon in der Innenstadt, wie das Alte Rathaus, alle Häuser entlang des Steinwegs (z.B. „Möbel-Kaesmacher) und alle Kupferhöfe. In der Wissenschaft herrscht breiter Konsens darüber, dass die zerstörerische Kraft dieser Überschwemmungen durch den Klimawandel zumindest verstärkt wurde – und dass in Zukunft mit weiteren Überschwemmungen dieser Art zu rechnen ist.
Wie viele historische europäische Industriestädte stand Stolberg vor der Herausforderung mit der Modernisierung umzugehen und auf die Anpassung an den Wandel zu reagieren. Die Hochwasserkatastrophe in der Altstadt machte die Reaktion auf diese Herausforderungen noch dringlicher und bot Stolberg die Chance, „besser wieder aufzubauen“ und die Stadt zu einem Vorbild für die Zukunft zu machen.
Der Beirat der „sieben meist gefährdetsten Programm“ stellte fest: „Die Größe und die äußerst interessante Lage der Kleinstadt Stolberg in Bezug auf einen Fluss sind wirklich ein Forschungsfeld für die Methoden des Denkmalschutzes vor den immer größer werdenden Gefahren durch Klimawandel und die Anforderungen des urbanen Wohnens in der Neuzeit“.
Der Beirat betonte, dass „ein zukunftssicherer, nachhaltiger Wiederaufbauplan – mit europäischer Perspektive – erforderlich ist “und dass „Stolberg durchaus das Potenzial hat, sein Erbe und seine historische Umgebung für eine bessere und integrativere Zukunft zu nutzen und es kann sogar „als europäischer Inkubator und Teststandort fungieren.”
Bei den Plänen für den Wiederaufbau des Stolberger Zentrums sollte die Widerstandsfähigkeit der Stadt und die Möglichkeit, weiteren klimawandelbedingten Bedrohungen in Zukunft reaktionsschneller und effektiver zu begegnen, in den Fokus gerückt werden.
Die Nominierung der Stolberger Altstadt erfolgte durch ein einzelnes Mitglied von Europa Nostra mit Unterstützung einer großen Zahl deutscher und europäischer Organisationen, Einrichtungen und Einzelpersonen, die sich für die Zukunft der Stadt einsetzen.
Die endgültige Liste der sieben am stärksten gefährdeten Kulturerbestätten Europas wird im Frühjahr 2022 veröffentlicht.
Hintergrund
Das sieben meist gefährdetsten Programm wird von Europa Nostra in Partnerschaft mit dem Institut der Europäischen Investitionsbank durchgeführt. Es wird auch vom “Creative Europe programme” der Europäischen Union unterstützt. Dieses Programm wurde 2013 ins Leben gerufen und ist Teil einer Kampagne der Zivilgesellschaft zur Rettung des gefährdeten Erbes Europas. Sie sensibilisiert, erstellt unabhängige Bewertungen und schlägt Handlungsempfehlungen vor. Außerdem wird ein Zuschuss in Höhe von 10.000 Euro pro gelistetem Gebiet gewährt, um die Umsetzung einer vereinbarten Aktivität zu unterstützen, die zur Rettung des bedrohten Gebiets beiträgt. In den meisten Fällen dient die Aufnahme in eine gefährdete Stätte als Katalysator und Anreiz für die Mobilisierung der notwendigen öffentlichen oder privaten Unterstützung, einschließlich finanzieller Mittel.
Weitere Informationen:
Pressekontakte: Europa Nostra: szeuropanostra [dot] org (Sara Zanini), Tel.: +32 486 58 95 19; jpeuropanostra [dot] org (Joana Pinheiro), Tel.: +31 6 34 36 59 85
Pressekontakt: gabriele [dot] imhoffec [dot] europa [dot] eu (Gabriele Imhoff), Tel.: +49 (30) 2280-2820. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 14. Dezember 2021
- Autor
- Vertretung in Deutschland