Antisemitismus ist in der EU weiterhin ein Problem – das bekommen Jüdinnen und Juden im Internet wie im wahren Leben zu spüren. Das geht aus der neusten Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) hervor. Demnach sind 80 Prozent der Befragten der Auffassung, dass der Antisemitismus in ihrem Land in den fünf Jahren vor der Erhebung gestiegen ist, in Deutschland sind es 86 Prozent. Rund ein Drittel der Befragten (37 Prozent) gaben an, im Jahr vor der Erhebung aufgrund ihrer jüdischen Identität belästigt worden zu sein. Auch hier lag Deutschland mit 43 Prozent über dem Durchschnitt.
Die Erhebung wurde vor den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 und der militärischen Reaktion Israels in Gaza durchgeführt. Der Bericht enthält jedoch Informationen zu Antisemitismus, die in jüngerer Zeit von 12 Organisationen der jüdischen Gemeinschaft erhoben wurden. Jüdische Menschen haben seit Oktober 2023 mehr antisemitische Vorfälle erleben müssen. Manche Organisationen melden einen Anstieg von über 400 Prozent.
FRA-Direktorin Sirpa Rautio betonte: „Europa erlebt eine Welle des Antisemitismus, die teilweise durch den Konflikt im Nahen Osten angeheizt wird. Dadurch wird die Möglichkeit eines sicheren und würdevollen jüdischen Lebens stark eingeschränkt. Wir müssen an bestehende Gesetze und Strategien anknüpfen und jüdische Menschen vor allen Formen von Hass und Intoleranz zu schützen – im Internet wie im wahren Leben. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft müssen wir dringend die Botschaft der Toleranz verbreiten und die Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten aller Menschen gewährleisten.“
Die Erhebung zeichnet folgendes Bild:
- Hohes Maß an Antisemitismus im Internet: 90 Prozent der Befragten waren im Jahr vor der Umfrage online mit Antisemitismus konfrontiert.
- Antisemitismus in der Öffentlichkeit: Im Jahr vor der Erhebung wurden 56 Prozent der Befragten offline von Bekannten mit Antisemitismus konfrontiert, und 51 Prozent stießen in den Medien auf antisemitische Inhalte.
- Belästigung: 37 Prozent gaben an, im Jahr vor der Erhebung aufgrund ihrer jüdischen Identität belästigt worden zu sein. Die meisten von ihnen erfuhren mehrfach Belästigung. Antisemitische Belästigung und Gewalt finden meist auf Straßen, in Parks oder in Geschäften statt.
- Sicherheitsbedenken: Die meisten Befragten machen sich nach wie vor Sorgen um ihre eigene Sicherheit (53 Prozent) und die Sicherheit ihrer Familie (60 Prozent). Forschungsarbeiten der FRA haben im Laufe der Jahre gezeigt, dass Antisemitismus in Zeiten von Spannungen im Nahen Osten tendenziell zunimmt. In dieser Umfrage gaben 75 Prozent der Befragten an, dass sie für die Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden, weil sie jüdisch sind.
- Leben im Verborgenen: 76 Prozent verbergen ihre jüdische Identität zumindest gelegentlich. 34 Prozent meiden jüdische Veranstaltungen oder Orte, weil sie sich nicht sicher fühlen. Als Reaktion auf Online-Antisemitismus vermeiden 24 Prozent, Inhalte zu veröffentlichen, die Rückschlüsse bezüglicher ihrer jüdischen Identität ermöglichen würden. 23 Prozent gaben an, sich weniger aktiv an Diskussionen im Internet zu beteiligen, und 16 Prozent schränkten ihre Nutzung bestimmter Plattformen, Websites oder Dienstleistungen ein.
Hintergrund
Die Erhebung umfasst Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, Spanien, Tschechien und Ungarn und deckt somit rund 96 Prozent der geschätzten jüdischen Bevölkerung in der EU ab. An der Online-Befragung, die von Januar bis Juni 2023 stattfand, nahmen nahezu 8.000 Jüdinnen und Juden ab 16 Jahren teil. Nach den Erhebungen der Jahre 2013 und 2018 ist dies die dritte Erhebung ihrer Art.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zur Antisemitismusbekämpfung ergriffen, die zu einigen Fortschritten geführt haben. Dazu gehören die erste EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und Aktionspläne in einigen EU-Ländern.
Weitere Informationen:
Vollständige Pressemitteilung der Agentur für Grundrechte
Pressepaket der EU-Agentur für Grundrechte
Pressekontakt: EU-Agentur für Grundrechte: mediafra [dot] europa [dot] eu (media[at]fra[dot]europa[dot]eu), Tel.: +43 1 580 30 653
Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin: katrin [dot] ABELEec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten bei der Kommissionsvertretung hier.
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 11. Juli 2024
- Autor
- Vertretung in Deutschland