EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in einer Grundsatzrede am Hudson-Institut in Washington D.C. mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine und den Terrorangriff der Hamas gegen Israel für eine enge transatlantische Zusammenarbeit geworben. „Angesichts dieser beiden Krisen, mögen sie noch so verschieden sein, müssen Europa und Amerika Stellung beziehen und zusammenstehen. Wladimir Putin will die Ukraine von der Landkarte tilgen. Und die Hamas, mit Unterstützung des Iran, will Israel von der Landkarte tilgen. Demokratien schützen, das ist unsere Aufgabe. Denn wenn wir dies nicht tun, wird sich das Grauen weiter ausbreiten“, sagte von der Leyen.
Die Kommissionspräsidentin wird am heutigen Freitag gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, dem Hohen Vertreter/Vizepräsident Borrell und Vizepräsidentin Vera Jourová von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus zum EU-US-Gipfel empfangen. Dies ist das zweite Gipfeltreffen zwischen den USA und der EU seit Bidens Amtsantritt. Im Mittelpunkt des Gipfels steht die Stärkung der transatlantischen Zusammenarbeit, um die saubere Energiewirtschaft weltweit durch sichere, widerstandsfähige Lieferketten zu unterstützen.
Zu Israel
Bei ihrer Rede am Hudson Institut sagte von der Leyen: „Ich habe Israel oft in meinem Leben besucht. Aber diesmal fand ich eine zutiefst erschütterte Nation vor. Und von den Familien der entführten Geiseln bis zu Präsident Herzog, zu Ministerpräsident Netanyahu und in der gesamten Einheitsregierung, alle hatten nur eine Forderung: Solidarität und klare Worte. Und das ist das Geringste, was wir für das israelische Volk tun können. Als Verteidiger einer freien Welt, in der Hass, Terror und Antisemitismus keinen Platz haben.
Auch das palästinensische Volk leidet unter dem Terror der Hamas. Es besteht auch kein Widerspruch zwischen der Solidarität mit Israel und humanitärer Hilfe für die Palästinenser. Wir haben unsere humanitäre Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen verdreifacht, aber angesichts der äußerst instabilen Lage vor Ort stellen wir auch unsere gesamte Entwicklungshilfe für Palästina auf den Prüfstand.“
Die Gefahr eines regionalen Flächenbrands im Nahen Osten sei ist real. „Genau das wollte die Hamas erreichen. Und es kann die erst vor kurzem erfolgte historische Annäherung zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn aus der Bahn werfen. Eine Normalisierung der Beziehungen könnte Frieden, Wohlstand und Integration für eine geplagte Region bedeuten.“
Sie sagte weiter: „Doch eine Eskalation ist nicht unausweichlich. Instabilität kann eingedämmt werden. Der Dialog zwischen Israel und seinen Nachbarn kann und muss fortgesetzt werden. Ich habe kürzlich mit mehreren führenden Persönlichkeiten der arabischen Welt gesprochen, darunter dem König von Jordanien, dem Präsidenten der VAE und dem ägyptischen Präsidenten. Diese Kriegszeit muss auch eine Zeit unermüdlicher Diplomatie sein. Als größter ausländischer Investor in vielen Ländern der Region hat Europa sowohl Einfluss als auch Interessen vor Ort. Gleiches gilt für die USA. Dies liegt im gemeinsamen Interesse der USA und Europas. Das Streben nach einer Welt, in der Freiheit herrscht, ist unser gemeinsames Schicksal.“
Zur Ukraine
Die Ukraine werde siegen, sagte von der Leyen. „Aber sie braucht das Rüstzeug dazu, und wir müssen es liefern. Um Leben zu retten. Um diesen Konflikt zu beenden. Um beim Wiederaufbau der Ukraine zu helfen, deren Soldaten stolze Verteidiger innerhalb der NATO sein werden. Aber jetzt müssen wir im Westen unseren Beitrag leisten, damit dies so schnell wie möglich geschieht. Ich bin stolz darauf, dass Europa und die USA dabei gemeinsam führend waren.
Putin hat drei große strategische Fehler begangen. Erstens war er überzeugt, er könne Kiew binnen weniger Tage einnehmen. Der Mut der Ukraine hat ihn Lügen gestraft. Zweitens ging er davon aus, Europa sei zögerlich und unentschlossen. Aber wir waren schnell, entschlossen und unerschütterlich. Ab Tag 2 des Krieges haben wir eine Sanktionswelle nach der anderen verhängt – elf insgesamt, in enger und ständiger Abstimmung mit den USA. Wir haben mehr als vier Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor Putins Bomben geflohen sind, aufgenommen. Und bis zum heutigen Tag bieten wir ihnen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialschutz.
Bislang haben wir die Ukraine mit knapp 90 Milliarden Dollar unterstützt; davon flossen 27 Milliarden Dollar in militärische Hilfe. Und wie nie zuvor in der Geschichte der internationalen Hilfe haben wir unsere Unterstützung mit den USA und anderen wichtigen G7-Partnern koordiniert. Um sicherzustellen, dass sie sich ergänzt und den dringendsten Bedürfnissen der Ukraine gerecht wird. Und wir haben bereits die ersten erforderlichen Schritte unternommen, damit die Ukraine Mitglied der Europäischen Union werden kann.
Putins dritter großer Fehler bestand darin, zu glauben, er könne Europa mit Energie erpressen. Vor dem Krieg wurde unser Gas größtenteils von Gazprom geliefert. Putin hat die Lieferungen innerhalb von acht Monaten um 80 Prozent gekappt. Wir befanden uns in einer schweren Energiekrise, aber dank unserer Freunde, wie den USA und Norwegen, konnten wir uns breiter aufstellen und in Rekordzeit von russischem Gas unabhängig werden. In dem Winter haben wir 20 Prozent Energie gespart. Wir haben also unser Haus in Ordnung gebracht und uns stark und geeint Putin entgegengestellt. Denn wenn Autokraten eines verstehen, dann ist es Stärke.“
Jede Lösung dieses Konflikts müsse dauerhaft sein, betonte die Kommissionspräsidentin. „Und ein gerechter und dauerhafter Frieden für die Ukraine. Zu diesem Zweck benötigt die Ukraine langfristige Sicherheitsgarantien. Viele von Ihnen werden mit dem Konzept der „deterrence by denial“, der Abschreckung durch Vereitelung, vertraut sein. Die Idee dahinter ist, der Ukraine das nötige militärische Potenzial zur Verfügung zu stellen, um Russland künftig von Angriffen abzuschrecken. Ich bin den USA für Ihre militärische Unterstützung der Ukraine äußerst dankbar. Sie haben dem Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer Muskeln verliehen. Ich möchte, dass Europa eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung der langfristigen Sicherheit der Ukraine spielt. Dazu müssen wir unsere Verteidigungsausgaben und unsere industrielle Basis stärken. Wir haben bereits damit begonnen: mit einer ersten Investition in den Ausbau unserer Munitionsproduktionskapazitäten. Ich glaube, dass wir das in Synergie mit den USA, unserem ältesten und stärksten Verbündeten, erledigen sollten.
Die Ukraine träumt von einem Platz in Europa und in der NATO, weil sie weiß, wofür sie stehen: für Sicherheit, Freiheit und Wohlstand. Präsident Selenskyj sagte einmal, dass vor allem eines die ukrainischen Soldaten motiviere: die Aussicht, dass sie und ihre Kinder eines Tages in einem freien und wohlhabenden Land wie den unsrigen leben werden. Wenn wir wollen, dass die Ukraine siegt, wenn wir wollen, dass sie aus diesem Krieg erhobenen Hauptes hervorgeht, müssen wir in die Zukunft der Ukraine investieren. Und zwar schon jetzt,“ unterstrich von der Leyen.
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Rede der Kommissionspräsidentin am Hudson Institute
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 20. Oktober 2023
- Autor
- Vertretung in Deutschland