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Vertretung in Deutschland
Pressemitteilung14. Juli 2022Vertretung in DeutschlandLesedauer: 5 Min

Wettbewerbsrechtliche Bedenken: Kommission holt Rückmeldungen zu Amazon-Angeboten ein

Das Bild stellt ein Piktogram da. Das Piktogram ist ein weißer Kreis auf einem blau-lila Hintergrund. Innerhalb des Kreises sind am unteren Rand graphisch Personen dargestellt und über ihnen einge Schilder mit Haken darin. Über den Schildern, am oberen Rand des Bildes befinden sich zwei kleinere Personen mit Sprechblasen.

Die Europäische Kommission bittet um Stellungnahmen zu Verpflichtungsangeboten von Amazon, mit denen das Unternehmen wettbewerbsrechtliche Bedenken ausräumen möchte. Amazon bietet an, bestimmte nichtöffentliche Daten von Marktplatzverkäufern nicht für das eigene Konkurrenzgeschäft nutzen. Außerdem geht es um die Gleichbehandlung beim Einkaufswagen-Feld und die Nutzungskriterien des Prime-Programms. Die Kommission fordert alle Interessenträger auf, bis zum 9. September zu den Verpflichtungsangeboten von Amazon Stellung zu nehmen.

Untersuchungen der Kommission

Amazon ist ein datengesteuertes Unternehmen, dessen Einzelhandelsentscheidungen zumeist von automatisierten Systemen auf der Grundlage der relevanten Daten getroffen werden. Amazon hat als Plattform eine Doppelfunktion: Das Unternehmen betreibt einen Marktplatz, auf dem unabhängige Verkäufer Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können. Gleichzeitig verkauft es auf seiner Plattform selbst als Einzelhändler Produkte im Wettbewerb mit den unabhängigen Verkäufern. Die Folge ist, dass Amazon auf große Datensätze über die Tätigkeiten der unabhängigen Verkäufer auf seiner Plattform zugreifen kann – unter anderem auf nichtöffentliche Geschäftsdaten.

Die Kommission hatte am 17. Juli 2019 ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet, um festzustellen, ob Amazon durch die Nutzung nichtöffentlicher Daten dieser unabhängigen Einzelhändler gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstößt. Am 10. November 2020 legte die Kommission in einer Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre vorläufige Auffassung dar. Demnach sollte sich Amazon zur Austarierung von Entscheidungen im Einzelhandel nicht auf Geschäftsdaten unabhängiger Verkäufer stützen, weil dies den fairen Wettbewerb auf seiner Plattform verzerrt bzw. wirksamen Wettbewerb verhindert.

Parallel dazu hat die Kommission eine zweite Untersuchung zu folgenden Punkten eingeleitet:

  1. Einkaufswagen-Feld von Amazon, in dem das Angebot eines einzigen Verkäufers gut sichtbar angezeigt wird und über das dieser Artikel durch direktes Klicken auf ein Kauffeld rasch erworben werden kann,
  2. Prime-Programm von Amazon, das Kunden gegen eine monatliche oder jährliche Gebühr Premiumdienste anbietet und es unabhängigen Verkäufern ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen an Prime-Kunden zu verkaufen.

Die Kommission stellte vorläufig fest, dass die Regeln und Kriterien für das Einkaufswagen-Feld und das Prime-Programm das Amazon-eigene Einzelhandelsgeschäft unangemessen begünstigen. Gleiches gilt für Marktplatzverkäufer, die die Logistik- und Lieferdienste von Amazon nutzen. Diese Ungleichbehandlung kann anderen Marktplatzverkäufern mit unabhängigen Lieferdiensten – und Verbrauchern, die die besten Angebote möglicherweise gar nicht erst sehen – schaden.

Verpflichtungsangebote des Amazon-Konzerns im Detail

Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission in Bezug auf beide Untersuchungen auszuräumen, hat Amazon folgende Verpflichtungen angeboten:

  • In Bezug auf die Daten von Marktplatzverkäufern verpflichtet sich Amazon, nichtöffentliche Daten, die sich auf die Tätigkeiten unabhängiger Verkäufer auf seinem Marktplatz beziehen oder dadurch generiert werden, nicht für das eigene Einzelhandelsgeschäft zu nutzen, das mit dem Geschäft dieser Verkäufer konkurriert. Diese Zusage soll sowohl für die automatisierten Tools von Amazon als auch für Mitarbeiter gelten, die die Daten aus dem Amazon-Marktplatz bei Einzelhandelsentscheidungen heranziehen könnten. Die relevanten Daten würden sowohl individuelle als auch aggregierte Daten umfassen (wie Verkaufsbedingungen, Einnahmen, Lieferungen, Lagerbestandsinformationen, Verbraucherbesuchsdaten oder die Verkäuferleistung auf der Plattform). Amazon verpflichtet sich, diese Daten nicht für den Verkauf von Markenartikeln und Produkten der Eigenmarke zu nutzen.
  • In Bezug auf das Einkaufswagen-Feld verpflichtet sich Amazon,
    • Beim Erstellen der Rangfolge für das Angebot, das im Einkaufswagen-Feld platziert wird, alle Verkäufer gleich zu behandeln
    • und außerdem neben dem Angebot im Einkaufswagen-Feld ein Konkurrenzangebot anzuzeigen, sofern ein solches existiert und sich vom Angebot im Einkaufswagen-Feld in Bezug auf Preis und/oder Lieferung hinreichend unterscheidet. Beide Angebote sollen dieselben beschreibenden Informationen enthalten und dieselbe Einkaufserfahrung bieten. Auf diese Weise verbessern sich die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher.
  • Schließlich verpflichtet sich Amazon in Bezug auf das Prime-Programm,
    • nichtdiskriminierende Bedingungen und Kriterien festzulegen, damit sich Marktplatzverkäufer und Angeboten für das Prime-Programm qualifizieren können,
    • Prime-Verkäufern die Möglichkeit zu geben, für ihre Logistik- und Lieferdienste ein Unternehmen frei zu wählen und die Konditionen direkt mit dem gewählten Unternehmen auszuhandeln,
    • keine über Prime erhaltenen Informationen über die Konditionen und die Leistung dritter Beförderungsunternehmen für die eigenen Logistikdienste zu nutzen. So soll verhindert werden, dass Daten der Beförderungsunternehmen direkt an die konkurrierenden Logistikdienste von Amazon fließen.

Die angebotenen Verpflichtungen sollen für alle bestehenden und künftigen Marktplätze von Amazon im Europäischen Wirtschaftsraum gelten. Die Verpflichtungen zum Einkaufswagen-Feld und zum Prime-Programm beziehen sich jedoch nicht auf Italien, da die italienische Wettbewerbsbehörde bereits am 30. November 2021 eine Entscheidung erlassen hat, mit der Amazon für den italienischen Markt Abhilfemaßnahmen auferlegt wurden.

Die Verpflichtungen würden zehn Jahre lang in Kraft bleiben. Ihre Umsetzung würde von einem Überwachungstreuhänder überwacht, der der Kommission regelmäßig Bericht erstattet.

Die Kommission fordert alle Interessenträger auf, bis zum 9. September 2022 zu den Verpflichtungsangeboten von Amazon Stellung zu nehmen. 

Eine Zusammenfassung der Verpflichtungsangebote wird im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Der vollständige Wortlaut der Verpflichtungsangebote wird auf der Website der GD Wettbewerb verfügbar sein.

Hintergrund

Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, einschließlich der Durchsetzung überhöhter und somit unfairer Preise. Wie dieser Artikel umzusetzen ist, regelt die EU-Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates), die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet wird.

Nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung 1/2003 können Unternehmen, die von einer Untersuchung der Kommission betroffen sind, Verpflichtungen anbieten, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Kommission kann diese Verpflichtungsangebote dann für bindend für die Unternehmen erklären. Artikel 27 Absatz 4 der Verordnung 1/2003 sieht vor, dass die Kommission vor dem Erlass eines Beschlusses nach Artikel 9 der Verordnung 1/2003 den betroffenen Marktteilnehmern Gelegenheit gibt, zu den Verpflichtungsangeboten Stellung zu nehmen.

Ergibt dieser Markttest, dass die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die Verpflichtungszusagen ausgeräumt werden, so kann die Kommission sie durch einen Beschluss für Amazon für rechtsverbindlich erklären. Gegenstand eines solchen Beschlusses ist nicht die Feststellung, dass ein Verstoß gegen EU-Kartellvorschriften vorliegt, sondern die rechtliche Verpflichtung von Amazon, die angebotenen Verpflichtungen zu erfüllen.

Verstößt Amazon gegen die Verpflichtungen, kann die Kommission eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften nachweisen zu müssen.

Weitere Informationen:

Vollständige Pressemitteilung vom 14. Juli

Website der Generaldirektion Wettbewerb

Öffentlich zugängliches Register (AT.40462, AT.40703)

Pressekontakt: fabian [dot] weberatec [dot] europa [dot] eu (Fabian Weber), Tel.: +49 (0) 30 2280-2250. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

 

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
14. Juli 2022
Autor
Vertretung in Deutschland