Wie lassen sich die Systeme der sozialen Sicherheit besser grenzüberschreitend koordinieren? Die jetzt vorgelegten Vorschläge der Europäischen Kommission zielen darauf ab, dass dafür die Vorteile der Digitalisierung besser genutzt werden. Es geht um einen besseren Informationsaustausch zwischen den nationalen Trägern/Behörden, eine beschleunigte Anerkennung und Gewährung von Leistungen über die Grenzen hinweg und einen geringeren Verwaltungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger. Sie werden so einfacher im Ausland leben, arbeiten und reisen können. Dazu kommt, dass Unternehmen leichter in andere EU-Länder expandieren können.
Der für Beschäftigung und soziale Rechte zuständige Kommissar Nicolas Schmit spricht von einem echten Gewinn für alle Seiten. Er verweist auf die Millionen Menschen in der EU, die in einem anderen Mitgliedstaat leben, arbeiten oder studieren. Ihnen soll der Vorschlag der Kommission das Leben erleichtern, weil er die „Interaktionen mit nationalen Behörden vereinfacht und ihnen auch im Ausland einen raschen Zugang zu ihren Leistungen der sozialen Sicherheit wie Renten oder Gesundheitsversorgung ermöglicht. Gleichzeitig bringt die Mitteilung Unternehmen und nationalen Behörden enorme Kosten- und Zeitersparnisse.“ Die Kommission zählt darauf, dass die Mitgliedstaaten die Instrumente sinnvoll einsetzen.
Beschäftigte, Unternehmen und Verwaltungen profitieren
Von der Digitalisierung der Systeme der sozialen Sicherheit profitieren würden zum Beispiel Beschäftigte, die von ihrem Arbeitgeber in ein anderes EU-Land entsandt werden, oder Rentner, die ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Land haben. In Deutschland gab es 2021 mehr als 875.000 entsandte Beschäftigte und es wurden über 1.3 Millionen Renten an Empfänger mit Wohnsitz einem anderen EU-Land gezahlt. Mit dem digitalen Ansatz können Ansprüche in den EU-Ländern in Zukunft sicher nachgewiesen werden und der grenzüberschreitende Zugang zu Diensten der sozialen Sicherheit gestaltet sich schneller und einfacher.
Bisher müssen Bürgerinnen und Bürger, die in ein anderes EU-Land reisen, dort wohnen oder arbeiten, häufig Dokumente in Papierform oder auf Plastikträgern mitführen, um ihre Sozialversicherungsansprüche wie einen Anspruch auf Gesundheitsversorgung, auf Familienleistungen oder Renten nachzuweisen. Die Vorschläge ersetzen nicht die Bescheinigungen auf Papier, aber sie bietet den Bürgerinnen und Bürgern eine bequemere und sicherere Alternative, wenn sie dies wünschen.
Trotz früherer Initiativen zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs im Bereich der sozialen Sicherheit haben Sozialversicherungsträger, Gesundheitsdienstleister und Arbeitsaufsichtsbehörden aufgrund der unzureichenden Interoperabilität der nationalen Systeme nach wie vor Schwierigkeiten beim Zugang zu Daten und bei deren Austausch. Außerdem entstehen Kosten beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausstellung und Prüfung von Dokumenten zum Nachweis von Ansprüchen.
Die Vorteile der Digitalisierung vollumfänglich nutzen
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf,
- die Umsetzung des elektronischen Austauschs von Informationen der sozialen Sicherheit (EESSI) auf nationaler Ebene zu beschleunigen, damit dieser bis Ende 2024 in ganz Europa voll funktionsfähig ist. Mit EESSI wird der Austausch zwischen den nationalen Sozialversicherungsträgern digitalisiert, und umständliche und zeitraubende papiergestützte Verfahren werden überflüssig;
- mehr Verfahren zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vollständig online anzubieten, um es für die Menschen noch einfacher zu machen, im Ausland zu leben und zu arbeiten, und um sicherzustellen, dass sie ihre Leistungsansprüche schnell gelten machen können. Die Mitgliedstaaten können sich auf die Verordnung über das einheitliche digitale Zugangstor stützen, die die vollständige Digitalisierung einiger wichtiger Verwaltungsverfahren für Bürger/innen und Unternehmen bis spätestens 12. Dezember 2023 vorsieht;
- sich uneingeschränkt am Pilotprojekt zum Europäischen Sozialversicherungsausweis (ESSPASS) zu beteiligen, in dessen Rahmen Möglichkeiten zur einfacheren Ausstellung und Überprüfung von Sozialversicherungsansprüchen der Bürger/innen über die Grenzen hinweg ausgelotet werden;
- auf die Einführung der digitalen Brieftasche für die europäische digitale Identität (EUDI) hinzuarbeiten, die es den EU-Bürgerinnen und -Bürgern ermöglichen soll, digitale Versionen von Anspruchsdokumenten wie beispielsweise der Europäischen Krankenversicherungskarte (EKVK) mitzuführen, sodass diese von Sozialversicherungsträgern, Arbeitsaufsichtsbehörden und Gesundheitsdienstleistern leichter sofort überprüft werden können.
Die Kommission wird den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Maßnahmen helfen, indem sie technische Unterstützung, unter anderem aus dem Instrument für technische Unterstützung, und finanzielle Mittel bereitstellt, beispielsweise aus dem Programm „Digitales Europa“, InvestEU, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Europäischen Sozialfonds Plus.
Auch der Europäischen Arbeitsbehörde kommt eine aktive Rolle zu, da sie Beispiele für bewährte Verfahren sammeln und den regelmäßigen Austausch zwischen den nationalen Behörden erleichtern soll.
Nächste Schritte
Die Kommission bittet das Europäische Parlament und den Rat, den in der Mitteilung beschriebenen Ansatz zu unterstützen, und fordert die Mitgliedstaaten und alle Interessenträger auf, bei der Umsetzung der Maßnahmen zusammenzuarbeiten. Die Kommission wird die Umsetzung der Mitteilung unterstützen und die Fortschritte bei jährlichen Treffen mit nationalen Vertretern beobachten.
Die Digitalisierung der Koordinierung der sozialen Sicherheit ist auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen der gesetzgebenden Organe über die Überarbeitung der EU-Vorschriften für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit von großer Bedeutung. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, bald eine Einigung über die Modernisierung des Rechtsrahmens zu erzielen, und wird die beiden gesetzgebenden Organe weiterhin dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen.
Hintergrund
Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten haben das Recht, in ein anderes EU-Land zu reisen, dort zu leben und zu arbeiten. Im Jahr 2021 lebten und/oder arbeiteten 16 Millionen Menschen aus der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)/der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und der Schweiz in einem anderen EU-Land, einem EWR/EFTA-Land oder der Schweiz. Die EU-Vorschriften (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und ihre Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009) sollen die Sozialversicherungsansprüche von Menschen, die innerhalb Europas mobil sind, beispielsweise in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Familienleistungen und Renten schützen und dafür sorgen, dass die Bürger/innen ihre Ansprüche in der gesamten EU so schnell wie möglich geltend machen können.
Im Jahr 2021 besaßen rund 235 Millionen Menschen in Europa eine Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK), die es ihnen ermöglicht, sich medizinisch behandeln zu lassen, wenn sie im Ausland plötzlich krank werden. Außerdem wurden 6 Millionen Renten an Personen ausgezahlt, die in einem anderen Land leben. Darüber hinaus gingen bei den nationalen Verwaltungen 3,6 Millionen Anfragen betreffend den Nachweis des Sozialversicherungsschutzes in Situationen mit grenzüberschreitendem Bezug ein.
Dank des elektronischen Austauschs von Informationen der sozialen Sicherheit (EESSI) haben die Sozialversicherungsträger in den Mitgliedstaaten seit 2019 16,5 Millionen Fälle von Menschen, die in ein anderes EU-Land reisen, dort leben, studieren und/oder arbeiten, sicher und schnell abgewickelt. Monatlich werden 2,5 Millionen elektronische Nachrichten ausgetauscht.
Derzeit nehmen die Träger von 12 Mitgliedstaaten am ESSPASS-Pilotprojekt zur digitalen Ausstellung und Überprüfung von grenzüberschreitenden Anspruchsdokumenten wie dem „portablen Dokument A1“ und der Europäischen Krankenversicherungskarte teil.
Weitere Informationen:
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 6. September 2023
- Autor
- Vertretung in Deutschland