Die Europäische Kommission hat nach den EU-Beihilfevorschriften eine mit 1 Milliarde Euro ausgestattete deutsche Maßnahme für die Salzgitter Flachstahl GmbH genehmigt. Sie hilft dem Unternehmen dabei, die Stahlproduktion durch den Einsatz von Wasserstoff in einer neuen Produktionsanlage zu dekarbonisieren – auch durch am Standort erzeugten erneuerbaren Wasserstoff. Die Maßnahme leistet einen Beitrag dazu, die Ziele der EU-Wasserstoffstrategie und des europäischen Grünen Deals zu verwirklichen. Im Einklang mit dem REPowerEU-Plan trägt sie gleichzeitig dazu bei, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern und den ökologischen Wandel rasch voranzubringen.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, erklärte dazu, die Maßnahme leiste einen Beitrag zur Ökologisierung eines sehr energieintensiven und schwer dekarbonisierbaren Sektors und verringere gleichzeitig die Abhängigkeit Deutschlands von importierten fossilen Brennstoffen. „Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie unser Beihilferahmen es den Mitgliedstaaten ermöglicht, die energieintensiven Wirtschaftszweige der EU bei der Bewältigung der Herausforderungen der Ökologisierung zu unterstützen.“
Vor dem Beschluss wurden bereits zwei wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse („Important Projects of Common European Interest“ – „IPCEI“) in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette genehmigt: das IPCEI „Hy2Tech“ am 15. Juli 2022 und das IPCEI „Hy2Use“ am 21. September 2022. Deutschland hat das Vorhaben von Salzgitter Flachstahl im Rahmen eines offenen Verfahrens für die Teilnahme an einem IPCEI für Wasserstofftechnologien und -systeme ausgewählt, aus dem die beiden genehmigten IPCEI hervorgingen. Aufgrund seiner Merkmale und Ziele wurde das Vorhaben nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 geprüft.
Die deutsche Beihilfemaßnahme
Deutschland hat eine mit 1 Milliarden Euro ausgestattete Maßnahme bei der Kommission angemeldet, um Investitionen in die Ökologisierung der Stahlerzeugung von Salzgitter Flachstahl zu fördern. Dieses Ziel soll durch die Steigerung der Produktion und den verstärkten Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff erreicht werden.
Die Beihilfe in Form eines Direktzuschusses soll den Bau und die Installation einer Direktreduktionsanlage und eines Elektrolichtbogenofens, der einen der Hochöfen des Stahlerzeugers ersetzen soll, unterstützen. Dies wird den Ersatz fossiler Energiequellen (d. h. den zur Verhüttung von Eisenerz eingesetzten Kohlenstoff) durch Wasserstoff ermöglichen, sodass fast alle direkten CO2-Emissionen der Stahlproduktion vermieden werden können. Die neue Anlage wird auf umweltfreundlichere Weise etwa 1,9 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr produzieren – die gleiche Menge an Rohstahl, die derzeit in einem umweltschädlicheren Verfahren hergestellt wird.
Zudem sollen der Bau und die Installation eines großen Elektrolyseurs (100 MW) gefördert werden, der jährlich etwa 9000 Tonnen erneuerbaren Wasserstoff erzeugen wird. Der vom Elektrolyseur erzeugte Wasserstoff wird als Ausgangsstoff in der Direktreduktionsanlage verwendet werden. Der Elektrolyseur, die Direktreduktionsanlage und der Elektrolichtbogenofen sollen 2026 in Betrieb genommen werden.
Nach der Umsetzung des Vorhabens soll der Ausstoß von 3,6 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Jahr vermieden werden. Um die Verringerung der Treibhausgasemissionen zu maximieren, soll zur Herstellung des Wasserstoffs ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen eingesetzt werden.
Beihilferechtliche Würdigung der Kommission
Die Kommission hat die Maßnahme nach den EU-Beihilfevorschriften geprüft, insbesondere nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), sowie nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022.
Deutschland hat das Vorhaben von Salzgitter Flachstahl im Rahmen eines offenen Verfahrens im Jahr 2021 für die Teilnahme an einem IPCEI für Wasserstofftechnologien und -systeme ausgewählt. Vorrangiges Ziel des Vorhabens ist die Anwendung von Technologien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in den Produktionsprozessen des Beihilfeempfängers. Dies ist eine der Hauptkategorien von Beihilfen, die nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen zulässig sind. Deshalb eignete sich die Maßnahme am besten für eine beihilferechtliche Prüfung nach den genannten Leitlinien.
Bei ihrer Prüfung gelangte die Kommission zu folgendem Ergebnis:
- Im Rahmen des Projekts wird eine innovative Technologie angewendet, die sich aus Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationstätigkeiten des Beihilfeempfängers ergibt.
- Die Maßnahme fördert die Entwicklung einer Wirtschaftstätigkeit – die nachhaltigere Stahlerzeugung – durch die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff und seinen Einsatz im Produktionsprozess. Gleichzeitig unterstützt sie die Ziele wichtiger politischer EU-Initiativen wie etwa die des europäischen Grünen Deals, der EU-Wasserstoffstrategie und des REPowerEU-Plans.
- Die Beihilfe hat einen „Anreizeffekt“, da der Beihilfeempfänger die Investitionen in die Dekarbonisierung der Stahlproduktion ohne die öffentliche Förderung nicht tätigen würde.
- Die Maßnahme hat begrenzte Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel innerhalb der EU. Des Weiteren ist sie erforderlich und geeignet, um die Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff und nachhaltigerem Stahl sicherzustellen. Zudem ist sie angemessen, da die Höhe der Beihilfe dem tatsächlichen Finanzierungsbedarf entspricht. Sollte sich das Vorhaben als sehr erfolgreich erweisen und zusätzliche Nettoeinnahmen generieren, wird das Unternehmen einen Teil der erhaltenen Beihilfe an Deutschland zurückzahlen (Rückforderungsmechanismus).
- Die Beihilfe hat positive Auswirkungen, die etwaige Verzerrungen von Wettbewerb und Handel in der EU überwiegen.
Aus diesen Gründen hat die Kommission die Maßnahme auf der Grundlage der EU-Beihilfevorschriften genehmigt.
Hintergrund
In den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 wird erläutert, wie die Kommission die Vereinbarkeit solcher Beihilfen, die der Anmeldepflicht nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV unterliegen, mit dem Binnenmarkt prüfen wird.
Diese neuen Leitlinien gelten ab Januar 2022 und schaffen für die Mitgliedstaaten einen flexiblen und zweckmäßigen Rahmen, um Beihilfen zu gewähren, die die Ziele des Grünen Deals gezielt und kosteneffizient unterstützen. Die Vorschriften wurden mit den wichtigen, im europäischen Grünen Deal festgelegten Zielvorgaben der EU und anderen jüngsten Änderungen im europäischen Energie- und Umweltrecht in Einklang gebracht und tragen der zunehmenden Bedeutung des Klimaschutzes Rechnung. Sie enthalten Abschnitte zu Beihilfen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, u. a. durch die Förderung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienzmaßnahmen, Beihilfen für saubere Mobilität, Infrastruktur, Kreislaufwirtschaft, die Verringerung der Umweltverschmutzung, den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie zu Maßnahmen für die Energieversorgungssicherheit.
Die Leitlinien von 2022 sollen es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die ehrgeizigen energie- und klimapolitischen Ziele der EU zu geringstmöglichen Kosten für die Steuerzahler und ohne übermäßige Verzerrungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt zu erreichen.
Mit der Mitteilung über den europäischen Grünen Deal hat die Kommission im Jahr 2019 ihre Klimaziele höher gesteckt: Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Das europäische Klimagesetz, das seit Juli 2021 in Kraft ist und mit dem das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 verankert und die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent bis 2030 als Zwischenziel eingeführt wurde, bildet die Grundlage des von der Kommission am 14. Juli 2021 vorgelegten Legislativpakets „Fit für 55“. Im Rahmen dieses Pakets hat die Kommission Änderungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie mit ehrgeizigeren verbindlichen jährlichen Zielen vorgelegt, um die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu steigern und den Energieverbrauch auf EU-Ebene zu verringern.
Im Juli 2020 veröffentlichte die Kommission ihre EU-Wasserstoffstrategie, in der ehrgeizige Ziele für die Erzeugung und Nutzung von sauberem Wasserstoff festgelegt wurden und die Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben gerufen wurde, die die europäische Wasserstoffgemeinschaft (Industrie, Zivilgesellschaft, Behörden) zusammenbringt.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.104276 zugänglich gemacht.
Weitere Informationen:
Europäischer Grüner Deal
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 5. Oktober 2022
- Autor
- Vertretung in Deutschland