Nr. 15 vom 2. Mai 2024
EU-Nachrichten 2.5.2024: |Europawahlspots|Erweiterung 2004| Europafest| DSA| Desinformation|Erstwähler-Plakate |Team Europe Speaker
********************************
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Knapp sechs Wochen noch, dann heißt es: wählen gehen, das neue Europaparlament bestimmen! Seit Montag läuft die Go-Vote-Kampagne des Europäischen Parlaments, mit Videos in verschiedenen Längen. (Sie sind hier auf Youtube zu finden und können hier heruntergeladen werden.) In der Vier-Minuten-Version erzählen Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern sehr eindrücklich von ihren Erfahrungen mit Autokratie und Diktatur. Sie warnen davor, die Demokratie einfach als gegeben hinzunehmen.
Am besten gemeinsam! Das war das Motto, unter das wir als Vertretung der Kommission in Deutschland zusammen mit vielen Partnern das Europafest am Wochenende gestellt hatten. Gemeinsam haben wir beim Dreiländerpunkt bei Zittau das grenzüberschreitende Zusammenleben gefeiert, 20 Jahre nach dem EU-Beitritt von Polen und Tschechien.
Diesen 20. Jahrestag der Erweiterung um gleich zehn Länder am 1. Mai 2004 haben wir dann gestern europaweit begangen – mehr in den Highlights, hier aber schon mal ein Bild aus Berlin von gestern Abend: das angestrahlte Brandenburger Tor.
In unserer Rubrik Europa vor Ort geht es heute um die Frage, wie sich die Europäische Union gegen Desinformation wappnet und vorgeht – nicht nur vor den Europawahlen. Der deutsche Diplomat Lutz Güllner, der eine Taskforce im Europäischen Auswärtigen Dienst leitet, erzählt von seinen Erfahrungen.
Viele Grüße vom Presseteam der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Haben Sie noch eine schöne Woche!
********************************
Highlights
Vor 20 Jahren, am 1. Mai 2004, wurde die Europäische Union ein ganzes Stück größer: Zehn Länder mit insgesamt rund 75 Millionen Menschen traten der EU bei - Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Zypern und Malta. 20 Jahre zusammen, ein größeres Gewicht in der Welt, Wachstum und Wohlstand – mehr über diese Erfolgsgeschichte hier. Bilder aus den zehn beigetretenen Ländern haben wir auf unserem Insta-Account zusammengetragen, und was die Erweiterung ganz handfest gebracht hat, listen wir weiter unten in unserer Rubrik “Europa in Zahlen” auf.
Ein Highlight für uns im Team war der Samstag am Dreiländerpunkt bei Zittau: das Europafest mit Gästen aus Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik. Das ergab ein lustiges Sprachengewirr aus Polnisch, Tschechisch, Deutsch und Sächsisch 😉 Bei schönstem Sonnenschein kamen rund 8.000 Gäste auf die grüne Wiese an der Neiße. Über zwei vom THW aufgebaute Brücken konnte man ganz leicht zwischen den drei Ländern hin und herlaufen und das vielfältige Angebot – musikalisch, kulinarisch, informativ – nutzen. Mehr in unserer Pressemitteilung und (mit noch mehr Bildern versehen) auf X.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ist heute im Libanon. Bei einem gemeinsamen Pressestatement mit dem libanesischen Premierminister Najib Mikati und dem Präsidenten von Zypern Nikolas Christodoulides kündigte von der Leyen ein Finanzhilfepaket für das Land und seine Bevölkerung an: eine Milliarde Euro für die Jahre 2024 bis 2027. Details hier.
Können wir dem trauen, was wir online sehen und lesen? Was ist Inhalt, was Werbung, was eine Desinformationskampagne – und wie organisieren die Plattformen das Moderieren der Inhalte? Dafür gibt es in der EU klare Vorgaben, und zwar im Gesetz über digitale Dienste (DSA). Beim Konzern Meta mit seinen Plattformen Facebook und Instagram sieht die EU-Kommission Anzeichen für Verstöße gegen dieses Gesetz und hat deshalb ein förmliches Verfahren eingeleitet. Details hier.
Der in Aachen geborene Mies van der Rohe gilt als einer der wichtigsten Architekten des Modernismus im 20. Jahrhundert. Der Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur ist nach ihm benannt: EUmies Awards. In diesem Jahr wurde das Studierendenhaus der Technischen Universität Braunschweig ausgezeichnet, und zwar für einen zerlegbaren Pavillon aus Holz und Stahl. Mehr Informationen dazu hier.
Weitere Pressemitteilungen zu aktuellen Themen finden Sie hier (Vertretung der Kommission in Berlin) und hier (Presseraum/Sprecherdienst der Kommission in Brüssel). Für unseren täglichen Newsletter kann man sich hier anmelden. Und folgen Sie uns gerne auch auf den sozialen Medien: Facebook, X, Instagram.
********************************
Europa vor Ort
Falschinformationen lauern immer – nicht nur im Netz. Lutz Güllner kann die Strategien zu Desinformation gut beschreiben. Der EU-Beamte aus Deutschland leitet die Abteilung Strategische Kommunikation im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) in Brüssel, die sich mit der Aufdeckung und Bekämpfung ausländischer Desinformationen befasst. Eine der Methoden: Doppelgänger. Ausländische Akteure kopieren den Internetauftritt realer Medienmarken im Netz und verbreiten dort gezielt falsche Nachrichten. „Desinformation als Waffe oder als Thema ist ja nicht neu. Aber was immer noch neu ist, ist die Art und Weise, wie Informationsmanipulation eingesetzt werden kann in digitalen Zeiten", sagt Güllner.
Deutschland am drittstärksten betroffen
Er und sein Team aus gut vierzig Beschäftigten vom EAD analysieren in Brüssel FIMI –Foreign Information Manipulation and Interference, wie Fachleute die gezielten Desinformationskampagnen nennen. Frei übersetzt: ausländische Informationsmanipulation und Einmischung. Mal geht's dabei um Doppelgänger, mal um falsche Behauptungen, um Russlands Angriffskrieg in der Ukraine zu schönen. Beliebtes Motiv auch: die gezielte Diskreditierung der LGBTQ+-Community. Das Motiv, das dahintersteckt: Die Lebensweise der offenen Gesellschaften im Westen zu diskreditieren.
Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, hob zuletzt nochmal den Aspekt hervor, dass Desinformationskampagnen aus dem Ausland auch ein Sicherheitsrisiko für die EU and ihre Mitgliedstaaten darstellen können. Er sagte: „Eine der größten Gefahren unserer Zeit ist keine Bombe, die uns töten kann, sondern ein Gift, das unseren Gedanken verseuchen kann, und die Frage, wie wir dagegen vorgehen können." FIMI-Akteure strebten aktiv danach, die Demokratie zu untergraben, die Menschen dazu zu bringen, allem zu misstrauen, besonders den nationalen Institutionen und unsere Gesellschaften toxisch zu infiltrieren, sagte Borrell und betonte: „Darauf müssen wir Antworten finden."
Deutschland oft von Manipulationsversuchen betroffen
„Wir beobachten schon lange, dass sich neue Formen, Techniken und Taktiken entwickeln", sagt Güllner. Sein Team analysiert Mechanismen der Desinformation und legt seit dem vergangenen Jahr einem jährlichen Bericht über Manipulationsversuche vor. Die jüngste Studie vom Jahresbeginn 2024 fokussiert sich auf rund 750 gezielte Desinformationskampagnen im Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2022 und 30. November 2023. Weltweit. Deutschland war dabei mit 31 Vorfällen nach den USA (58) und Polen (33) am dritthäufigsten von den Manipulationen betroffen. So tauchten zuletzt bei Bauernprotesten in Deutschland vereinzelt auch russische Flaggen auf. Mit Blick auf Manipulationsversuche aus Russland listet die Taskforce mittlerweile 17.000 Fälle auf.
Von einem „Öko-System an Desinformationen" spricht Güllner. Die EU setzt dem eine gezielte Aufklärung entgegen - nicht nur vor den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 6. bis 9. Juni. Das umfasst unter anderem:
- Aufdecken: EUvsdisinfo.eu heißt eine Website der EU, die Fehlinformationen gezielt entlarvt. Güllner und sein Team nennen das Debunking, doch die europäische Strategie geht darüber hinaus: Prebunking versucht durch gezielte Informationen fehlerhaften Nachrichten schon vorab den Boden zu entziehen.
- Vernetzen und gesellschaftliche Resilienz stärken: Gadmo.EU ist eine Initiative, die mit Unterstützung der EU diverse Faktenchecker-Teams aus Deutschland und Österreich zusammenbringt. GADMO steht dabei für German Austrian Digital Media Observatory – ein Medienpool, das Fake News und falsche Behauptungen in Medien aufspürt. Zu den beteiligten Partnern zählen Nachrichtenagenturen wie AFP, APA und dpa oder Medienorganisationen wie correctiv. Die Initiative arbeitet dabei eng zusammen mit dem europäischen Verbund EDMO (European Digital Media Observatory), der europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien. So konnte zuletzt etwa ein Leserbrief in einer deutschen Zeitung als Fehlinformation entlarvt werden, der Windräder als wichtige Säule einer klimaneutralen Energieversorgung fälschlicherweise mit Fehlbildungen bei Rentieren in Verbindung brachte. Von „gesellschaftlicher Resilienz" spricht Güllner, also den Manipulationen ein zivilgesellschaftliches Gegengewicht entgegenzustellen.
- EU-Gesetzgebung: Seit Februar 2024 greift der Digital Services Act (DSA) in vollem Umfang, das EU-Gesetz über digitale Dienste. Es verpflichtet Online-Plattformen dazu, falsche Informationen von ihren Seiten zu entfernen. Sehr große Online-Plattformen – Very large online-Platforms (VLOPs) – mit mehr als 45 Millionen Usern pro Monat müssen zudem jährlich eine Risikoanalyse durchführen und ggf. Auskunft über ihre Algorithmen geben, etwa zur Listung von Inhalten. So eröffnete die EU-Kommission zuletzt ein förmliches Verfahren gegen das Videoclip-Portal TikTok. Dabei wird geprüft, ob die Plattform entschieden genug gegen die Verbreitung von Falschinformationen vorgeht.
Politische Werbung kennzeichnen, informierte Meinungsbildung sicherstellen
Vor den Europawahlen im Juni einigten sich Mitgliedstaaten und Europäische Parlament zudem auf eine europäische Regelung zur Transparenz politischer Werbung (Einigung im Rat, Abstimmung im Europaparlament). So sind politische Kampagnen, die aus Staaten außerhalb der EU finanziert werden, in einem Zeitraum von drei Monaten vor einer Abstimmung unzulässig. Gezielte politische Werbung im Netz ist nur erlaubt, wenn Userinnen und User dem Targeting in den Nutzungsbedingungen der Websites ausdrücklich zustimmen. Ebenfalls mit Blick auf die Europawahl im Juni hat die Kommission Leitlinien vorgelegt, wie sich systemische Risiken für Wahlen mindern lassen.
EU-Staaten und EU-Institutionen tauschen sich regelmäßig aus
Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten haben bereits nach Russlands völkerrechtlicher Annexion der Krim reagiert und auf dem Gipfel im März 2015 Maßnahmen im Kampf gegen Desinformation vereinbart. So wurde vor den Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 zwischen EU-Institutionen und Mitgliedstaaten ein Warnsystem (Rapid Alert System) über kursierende Falschnachrichten etabliert.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug zuletzt den Aufbau einer EU-Agentur gegen verdeckte ausländische Desinformationen vor. Die Präsidentin warnte in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Russland „unterhält Trollfarmen, die in industriellem Maßstab Fake News und Desinformationen produzieren und verbreiten. Ziel dieser koordinierten, absichtlichen und staatlich gesteuerten Aktivitäten ist, die Unterstützung für die Ukraine zu diskreditieren und unsere Demokratie zu destabilisieren".
********************************
Europa in Zahlen
Vor zwanzig Jahren sind zehn Länder der Europäischen Union beigetreten: Estland, Lettland und Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Der Jahrestag 1.Mai ist ein guter Anlass, sich die anschließende Entwicklung bis heute in Zahlen genauer anzuschauen:
Insgesamt 26 Millionen neue Arbeitsplätze sind seitdem in der gesamten EU entstanden. 6 Millionen davon in den zehn damals neu dazugekommenen Ländern. Über 2,7 Millionen junge Menschen aus diesen zehn Ländern haben seit 2004 am Programm Erasmus+ teilgenommen. Die Lebenserwartung der Menschen in diesen Ländern ist von 75 auf inzwischen 79 Jahre gestiegen, damit schließt sich langsam die Lücke zum EU-Durchschnitt von 81 Jahren. Und der Anteil derjenigen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, ist von 68 Prozent auf 89 Prozent gestiegen.
In den vergangenen 20 Jahren ist die Wirtschaft der EU trotz eines weltweiten Wirtschaftsabschwungs um 27 Prozent gewachsen. Die Länder, die 2004 EU-Mitglieder wurden, haben ein erhebliches Wirtschaftswachstum erlebt: Beispielsweise haben sich die polnische und die maltesische Wirtschaft mehr als verdoppelt. Die Slowakei ist um 80 Prozent gewachsen. Das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP stieg von 59 Prozent des EU-Durchschnitts im Jahr 2004 auf 81 Prozent im Jahr 2022. Estland hat eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Bruttonationaleinkommens (BNE) von mehr als 8 Prozent, Polen, die Slowakei, Malta und Lettland im Durchschnitt mehr als 7 Prozent. Sieben der zehn neuen Mitglieder haben mittlerweile den Euro als Währung übernommen.
Die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedstaaten hat die Wirtschaftsmacht der EU weltweit gestärkt: Ein größerer Binnenmarkt hat die Europäische Union zu einem noch attraktiveren Handelspartner gemacht, mit neuen Chancen im Ausland. Seit 2004 hat unser internationaler Handel um 3 Billionen Euro zugenommen und 2023 einen Wert von 5 Billionen Euro erreicht.
In den vergangenen 20 Jahren ist es der EU auch gelungen, die Energieeffizienz ihrer Wirtschaft zu verbessern. EU-weit konnte die Energieintensität der Wirtschaft um fast 33 Prozent gesenkt werden, in den zehn dazugekommenen Mitgliedstaaten sogar um mehr als 40 Prozent.
********************************
Veranstaltungen/Tipps
Europawahlplakate von Studierenden an deutschen Bahnhöfen
Seit ein paar Tagen hängen an Bahnhöfen quer durch Deutschland die Plakate, die bei unserem Wettbewerb „Erste Wahl“ gewonnen haben. Sie wurden entworfen von Design-Studierenden der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main, der Hochschule Macromedia Köln und der Universität der Künste Berlin. Im Fokus der Europawahl-Plakate stehen gerade junge Menschen, die erstmals bei dieser Wahl mit abstimmen können. Neugierig? Sie können die preisgekrönten Motive hier betrachten oder unterwegs nach ihnen Ausschau halten. Wir freuen uns über Feedback oder eine Markierung auf unseren Social-Media-Kanälen!
Insgesamt 203 Studierende von 34 deutschen Hochschulen und Universitäten haben an dem Wettbewerb teilgenommen, den die Vertretung der Europäischen Kommission und das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Deutschland durchgeführt haben. Erstwählende - und das sind bei dieser Wahl erstmals auch 16- und 17-Jährige - sollen dazu motiviert werden, an der Europawahl am 9. Juni 2024 teilzunehmen.
Team EUROPE DIRECT: Speakers‘ Pool im neuen Glanz
Möchten Sie eine Veranstaltung zur anstehenden Europawahl organisieren? Oder den Dialog über Europa in Ihrer Region vorantreiben? Mit Team EUROPE DIRECT, dem Speakers‘ Pool der Europäischen Kommission, stehen Ihnen zuverlässige und kompetente EU-Expertinnen und Experten zur Seite. In unserer aktuellen Broschüre finden Sie Informationen zu den Rednerinnen und Rednern, die in Ihrer Region verfügbar sind. Egal, ob es um den Klimawandel, Außenpolitik oder die Zukunft Europas geht – wir haben EU-Expertinnen und Experten, die darüber sprechen können. Werfen Sie einen Blick in die Broschüre, um mehr über die Hintergründe und Fachgebiete unserer Speaker zu erfahren. Vielleicht finden Sie genau die richtige Person für Ihre nächste Veranstaltung oder Diskussionsrunde. Alle Informationen hier.
Diskussion zur Zukunft Europas – Das Forum (rbb24 Inforadio)
Am Sonntag (5.5.) strahlt das rbb24 Inforadio um kurz nach 11 Uhr (und als Wiederholung abends um 20:04 Uhr) eine Podiumsdiskussion aus, die in dieser Woche im Berliner Abgeordnetenhaus stattfand: Was hat sich in den 20 Jahren nach dieser Erweiterung verändert und wie geht es weiter mit der EU? Auf dem Podium war auch die Leiterin der Kommissionsvertretung in Deutschland, Barbara Gessler.
Weitere Veranstaltungen bzw. Termine finden Sie hier in unserem Überblick auf die kommenden Tage. Sie können unsere Terminvorschau auch abonnieren.
Archiv: Frühere Ausgaben der EU-Nachrichten finden Sie hier.