Nr. 44 vom 19. Dezember 2024
EU-Nachrichten 19.12.2024: Editorial | Europäischer Rat | Syrien | Herbstpaket Europäisches Semester | Dialog Automobilwirtschaft | Investitionen in Forschung und Entwicklung | Brüssel-Reise mit Content Creators | Kulturhauptstadt Chemnitz | Zahlen zu Europäischen Kulturhauptstädten | Europäische Bürgerbeauftragte | Ratspräsidentschaft
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Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
In unserer Weihnachtsausgabe schauen wir zurück auf ein bewegtes Jahr mit der Europawahl und dem Übergang von der ersten auf die zweite Kommission von der Leyen.
In bisher 43 Ausgaben haben wir dieses Jahr begleitet, politische Entscheidungen erklärt und dabei eine Frage immer im Blick gehabt: Was bedeutet das für die Menschen, wo begegnet uns im Alltag dieses Europa, das sich für manche oft so sperrig anfühlt? Genau deshalb sind wir in der Rubrik „Europa vor Ort” quer durch die Bundesrepublik gereist: zu Forscherinnen und Forschern, die mit EU-Förderung unsere Zukunft besser machen wollen; zu den Europe Directs, die als Bürgerbüros in den Regionen ein offenes Ohr für Fragen rund um die EU haben und Informationen mal spielerisch, mal ernsthafter vermitteln; wir haben uns mit neuen Nachtzügen quer durch Europa, Hochwasserschutz und einem Windpark in der Ostsee beschäftigt, mit grenzüberschreitenden Projekten im Sport, juristischer Hilfe für Verbraucherinnen und Verbraucher und Sprach-Projekten in Schulklassen. Europa zum Anfassen eben, die Ideen für das nächste Jahr gehen uns auch nicht aus.
Jetzt wünscht Ihnen das Presseteam der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin aber jetzt erst mal einen möglichst entspannten Endspurt in die Weihnachtspause. Haben Sie eine erholsame Zeit! Wir melden uns dann im neuen Jahr wieder, die erste Newsletter-Ausgabe 2025 kommt am 16. Januar in Ihre Inbox.
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Highlights
Zur Stunde diskutieren in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder und die Führungsspitzen der EU-Institutionen beim letzten Europäischen Rat dieses Jahres. Auf der Agenda stehen insbesondere die Lage in der Ukraine, in Syrien und im gesamten Nahen Osten sowie die Rolle der EU in der Welt und Migration. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nimmt heute am Gipfel in Brüssel teil. Gerade hat die Europäische Kommission neue Makrofinanzhilfen für die Ukraine in Form eines Kredites über 18,1 Milliarden Euro freigegeben. Und am Montag hatten die Außenministerinnen und –minister der EU27 das 15. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Eine Pressekonferenz nach dem Gipfel mit Ratspräsident António Costa, Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen und Viktor Orbán als Vertreter der ungarischen Ratspräsidentschaft können Sie später hier live verfolgen (genaue Zeit folgt).
Zur Lage in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament vor dem Gipfel betont: „Die Zukunft Syriens ist voller Verheißungen, birgt aber auch Risiken. In den kommenden Wochen und Monate werden für diese Zukunft entscheidende Weichen gestellt. Und Europa wird seiner Rolle gerecht werden.“ Von der Leyen hat Anfang der Woche in Amman König Abdullah II. von Jordanien und in Ankara den türkischen Präsidenten Erdoğan getroffen, um über den politischen Übergang in Syrien zu sprechen. Für bedürftige Menschen in Syrien hatte die EU bereits Ende vergangener Woche eine Luftbrücke gestartet. Sie stockt auch ihre humanitäre Hilfe um weitere 4 Millionen Euro auf. Über die Türkei werden die Hilfsgüter (für Gesundheit, Bildung und Unterbringung) nach Syrien gebracht und dort dann von Unicef und WHO verteilt. Details hier.
Gestern hat die Europäische Kommission den zweiten Teil ihres “Herbstpakets” im Rahmen des Europäischen Semesters veröffentlicht. Dieses bildet seit 2011 einen bewährten Rahmen für die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten. Das Herbstpaket besteht konkret aus dem Vorschlag für eine Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets für 2025, dem Vorschlag der Kommission für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2025 und dem Warnmechanismus-Bericht 2025. Letzterer dient als Screening-Instrument für potenzielle makroökonomische Ungleichgewichte, die sich auf die Wirtschaft einzelner Mitgliedstaaten oder der EU insgesamt auswirken könnten. Er zeigt auf, bei welchen Mitgliedstaaten eingehende Überprüfungen möglicher Ungleichgewichte nötig sind – im kommenden Jahr wird unter anderem Deutschland einer solchen unterzogen. Mehr Details hier.
Die Automobilindustrie in Europa macht einen tiefgreifenden und disruptiven Wandel durch. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat deshalb im November angekündigt, einen strategischen Dialog über die Zukunft der Automobilbranche einzuberufen. der Dialog soll im Januar beginnen, wie die Kommissionspräsidentin heute bekannt gab.
Eine schöne Nachricht: Europäische Unternehmen sind beim Wachstum der Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) führend vor ihren US-amerikanischen und chinesischen Pendants und brechen damit einen jahrelangen Trend. Im Jahr 2023 hat die europäische Industrie ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung um 9,8 Prozent erhöht und damit das Wachstum der FuE-Investitionen der Unternehmen in den USA (+5,9 Prozent) und China (+9,6 Prozent) erstmals seit 2013 übertroffen. Dies zeigt die neue Ausgabe des EU-Anzeigers für industrielle FuE-Investitionen. In Deutschland sind mit 233 Unternehmen 29,1 Prozent der 800 größten Unternehmen mit Sitz in der EU und 46,5 Prozent der FuE-Investitionen angesiedelt. Damit liegen deutsche Unternehmen auf Rang eins.
Und noch ein Highlight in eigener Sache: Gemeinsam mit dem Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Deutschland haben wir vergangene Woche 17 Creators aus Deutschland zu einer zweitägigen Informationsreisenach Brüssel eingeladen. Sie haben die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen getroffen und mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments diskutiert. Es gab Gespräche mit Expertinnen und Experten der EU-Kommission zum Aufbau der EU und den Gesetzgebungsprozessen, zur Plattformregulierung, zu DSA und KI und natürlich zur Nutzung der Social Media und was wir besser machen können. Mehr Eindrücke gibt es in diesem Reel.
Weitere Pressemitteilungen zu aktuellen Themen finden Sie hier (Vertretung der Kommission in Berlin) und hier (Presseraum/Sprecherdienst der Kommission in Brüssel). Für unseren täglichen Newsletter kann man sich hier anmelden. Und folgen Sie uns gerne auch auf den sozialen Medien: Facebook, X, Instagram.
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Europa vor Ort
Europäische Kulturhauptstadt 2025: Chemnitz setzt auf die Kraft der Kunst und die Kreativität der eigenen Bevölkerung
Jahreswechsel bedeutet Aufbruch. Chemnitz freut sich besonders auf das neue Jahr, denn die Stadt im Grenzland zu Polen und Tschechien wird Europäischen Kulturhauptstadt 2025. Stefan Schmidtke, Geschäftsführer Programm der Kulturhauptstadt Chemnitz gGmbH, sagt voller Vorfreude: „Wir sind ganz, ganz glücklich, dass Chemnitz den Zuschlag der EU erhalten hat. So kann sich die Stadt, die eine lange Geschichte als Industriestadt hat, klarmachen, dass Kunst und Kultur alltagsnotwendig sind und eine Gesellschaft transformieren können. Das ist also etwas, womit man sich dauerhaft auseinandersetzt.“
Das Unerwartete entdecken
Gemeinsam mit Chemnitz tragen die europäischen Doppelstädte Nova Gorica (Neu-Görz) in Slowenien und Gorizia (Görz) in Italien 2025 den Titel Europäische Kulturhauptstadt. Barbara Gessler, Vertreterin der EU-Kommission in Deutschland, sagte bei der Vorstellung des Programms für das Hauptstadtjahr in Chemnitz: „Das Motto „C the Unseen“ zeigt, dass bei den Europäischen Kulturhauptstädten auch international weniger bekannte Städte in den Mittelpunkt gerückt werden. So können wir alle jedes Jahr bisher Ungesehenes und Unerwartetes entdecken."
Auftakt am 18. Januar
Chemnitz bezieht 38 Orte aus der Region ins Kulturhauptstadt-Programm mit ein. 72 künstlerische Vorhaben standen im dicken Bewerberbuch, das Chemnitz bei der EU-Kommission eingereicht hat. Daraus sind vor dem Auftakt am 18. Januar 2025 rund 150 Projekte und 1000 Veranstaltungen geworden. Das künstlerische Konzept beschreibt Schmidtke so: „Die Grundidee ist, dass die Chemnitzerinnen und Chemnitzer selbst das Programm gestalten.“
Orte des Machens und der Veränderung
Mit dem Motto „C the Unseen“ richtet Chemnitz – Autokennzeichen C – den Blick auf Ungesehenes: Auf die ungesehene Stadt, auf verkannte Orte, Geschichten und versteckte Talente in jedem Einzelnen. „Wir wollen sichtbar machen, was bisher zu wenig wahrgenommen wurde. Und das sind die Menschen in dieser Stadt“, so Schmidtke.
Chemnitz geht eigene Wege. Die Trennung von Hochkultur und Populärkultur? Wird in Chemnitz überwunden. „Man wird bei uns keine Fachkuratorinnen und Fachkuratoren etwa für Musik oder Bildende Kunst erleben, die hier ihr Programm machen“, sagt Schmidtke. „Bei dieser Kulturhauptstadt geht es nicht darum, was wir für Geld einkaufen und uns leisten können, sondern was wir als Stadtgesellschaft leisten können.“ Chemnitz präsentiert sich und die kreative Kraft der Bevölkerung.
Ein Jahr voller Erlebnisse und Begegnungen
Schwerpunkte setzt das Programm auf:
- Europäische Macher:innen der Demokratie: So wird gefragt, wie Mitwirken im Kulturbereich den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann. So kommen im „Team Generation“ junge und alte Menschen in Kulturprojekten zusammen.
- Großzügige Nachbarschaft: In Chemnitz setzen sie auf gemeinsame Erfahrungen. Ein Projekt: Das Pflanzen von hunderten Obstbäumen. Das stärkt den Klimaschutz und bringt Menschen in Nachbarschaftsgärten und Baumpatenschaften einander näher.
- Osteuropäische Mentalitäten: Chemnitz ist geprägt von großer Tradition und vielen Umbrüchen, zuletzt vom Ende der DDR und der Rückbenennung von Karl-Marx-Stadt in Chemnitz. Aber gesellschaftliche Veränderungen waren stets auch Katalysator für Erneuerungen in der Stadt und der Region. In Chemnitz haben sie als Begegnungsort einen besonderen Raum ausgewählt: die Garage. Rund 32.000 Garagen in 167 Garagenhöfen aus DDR-Zeiten gibt es heute noch in Chemnitz. Dabei geht es um mehr als einen Unterstellplatz fürs Auto. Die Garagen boten einst einen eigenen Rückzugsraum – das Private ist politisch. „Es handelt sich bei den Garagen um einen kollektiven Bau, der privat organisiert wurde“, erläutert Schmidtke und ergänzt: „Mit unserem Projekt #3000Garagen bringen wir das Private zurück ins Öffentliche.“ So dienen die Garagen als Galerie, kleine Konzertsäle und Erzählraum für Biografien.
„Der Prozess des Zusammenwachsens nach 1989 hätte stärker mit Kultur begleitet werden müssen“, sagt Schmidtke. So richtet Chemnitz den Blick weiter nach Osten: „Wir haben ein weit ausladendes Kooperationsprogramm mit Partnern in Polen und Tschechien.“
Kultur verbindet und wird nachhallen, weit über das Jahr 2025 hinaus. Das Projekt Chemnitz 2025 ist auf Langfristigkeit angelegt. Von „Legacy“ – Erbe – spricht Schmidtke und sagt: „Unser Auftrag läuft nicht zum Jahresende aus.“ Das Programm der Kulturhauptstadt haben wir hier verlinkt.
Good to know
Chemnitz startet am 18. Januar 2025 mit einer großen Auftaktveranstaltung ins Europäische Kulturhauptstadtjahr. Schon jetzt läuft im Sächsischen Museum für Archäologie Chemnitz (Smac) die Ausstellung „Silberglanz und Kumpeltod“ zur Geschichte des Bergbaus im Erzgebirge. Das Industriemuseum Chemnitz widmet sich mit der Schau „Tales of Transformation“ der europäischen Perspektive des Industrieumbaus. Das Theater Chemnitz bringt die Uraufführung der Oper „Rummelplatz“ nach dem gleichnamigen Roman des Chemnitzer Autors Walter Bräunig in einer Adaption von Jenny Erpenbeck auf die Bühne. Die Kunstsammlungen Chemnitz befassen sich in einer Sonderschau mit Edvard Munch.
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Europa in Zahlen
Nach dem Fokus auf Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025 nun noch ein paar Zahlen zu diesem Titel und dem dahinterstehenden Programm ganz allgemein:
Im Jahr 1985 gab es die erste Europäische Kulturhauptstadt – damals Athen, passend zur Ideengeberin für dieses Programm, die einstige griechische Kultusministerin Melina Mercouri. Drei deutsche Städte und Regionen konnten sich bereits vor Chemnitz so präsentieren: West-Berlin (1988), Weimar (1999) und Essen als Zentrum der Region Ruhrgebiet (2010).
Jede Stadt oder Region kann sich bewerben, es gibt keine Voraussetzungen etwa zur Größe, Einwohnerzahl oder vorhandenen Infrastruktur. In jedem Jahr sind zwei Mitgliedstaaten berechtigt, eine Kulturhauptstadt Europas zu stellen. Seit 2020 gibt es zudem in jedem dritten Jahr einen offenen Wettbewerb für Aspiranten aus EFTA/EWR-Staaten oder Beitrittskandidaten. In diesen Jahren gibt es dann insgesamt drei Kulturhauptstädte. Die Auswahl trifft eine Jury aus zwölf europäischen Expertinnen und Experten aus dem Bereich Kultur.
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Veranstaltungen/ Tipps
Teresa Anjinho aus Portugal ist die neue Europäische Bürgerbeauftragte
Das Europäische Parlament hat aus sechs Kandidatinnen und Kandidaten die nächste Europäische Bürgerbeauftragte gewählt, Teresa Anjinho aus Portugal. Sie ist die Nachfolgerin der Irin Emily O’Reilly als Europäische Ombudsfrau, deren zehnjährige Amtszeit Ende Februar ausläuft. Bürgerbeauftragte können ein Problem manchmal bereits dadurch lösen, dass die betreffende Stelle informiert wird. Genügt dies nicht, versucht die oder der Bürgerbeauftragte, eine gütliche Einigung zu erzielen. Scheitert eine Einigung, so kann der oder die Beauftrage Empfehlungen aussprechen. Lehnt die betreffende Einrichtung die Empfehlungen ab, kann die Bürgerbeauftragte dem Europäischen Parlament einen Sonderbericht vorlegen, damit die Europaabgeordneten politisch aktiv werden. Wer mit einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der EU nicht zufrieden ist, sollte zuerst der betreffenden Stelle die Möglichkeit geben, den Missstand zu beseitigen. Gelingt das nicht, kann eine Beschwerde an die Bürgerbeauftragte gesendet werden.
Polen übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Januar
Polen übernimmt vom 1. Januar bis 30. Juni 2025 die Ratspräsidentschaft der EU. Unter dem Motto „Sicherheit, Europa!“ will die Präsidentschaft die Stärkung der europäischen Sicherheit in all ihren Dimensionen unterstützen. Polen bildet zusammen mit Dänemark und Zypern das sogenannte Trio der Präsidentschaften. Diese drei Länder erstellen ihr gemeinsames Programm, legen langfristige Ziele fest und bereiten ein gemeinsames Programm vor, in dem die wichtigsten Themen festgelegt sind, die vom Rat behandelt werden. Weitere Informationen zur polnischen Ratspräsidentschaft hier, das Programm hier.
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