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Vertretung in Deutschland
Presseartikel29. September 2020Vertretung in DeutschlandLesedauer: 6 Min

Autozulieferer Brose und Kiekert müssen Kartellstrafe zahlen

Die Europäische Kommission hat heute (Dienstag) die deutschen Autozulieferer Brose und Kiekert wegen ihrer Beteiligung an zwei Kartellen zu Preisen für Fensterheber, Schließsysteme oder Türteile für Automobile im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)...

Das in Kanada ansässige Unternehmen Magna und das deutsche Unternehmen Brose beteiligten sich an einem bilateralen Kartell für Türmodule und Fensterheber, die für bestimmte Automodelle der Daimler-Gruppe geliefert wurden. Das von den Unternehmen Magna und Kiekert (ansässig in Deutschland) gebildete Kartell betraf die Lieferung von Schlössern und Schlosshaltern für BMW und Daimler. Alle drei Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „Bauteile wie Türmodule, Fensterheber und Schließsysteme sind wichtige Automobilbestandteile. Sie schützen vor Schäden und gewährleisten Sicherheit und Komfort. Die drei Zulieferer haben wettbewerbswidrige Absprachen getroffen, um ihre Gewinne aus dem Verkauf dieser Bauteile zu erhöhen. Solche Kartelle schaden letztlich den europäischen Verbrauchern und mindern die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie.“

Die drei Fahrzeugausrüster, an die der heutige Beschluss gerichtet ist, sprachen sich bei der Preisfestsetzung ab und tauschten vertrauliche Geschäftsdaten aus. Sie wollten durch ihre Beteiligung an den beiden Kartellen ihr bestehendes Geschäft erhalten und niedrigere Preise für ihre Lieferungen verhindern. Die Absprachen erfolgten über Treffen, telefonisch oder per E-Mail.

Die Kommission stellte in ihrer Untersuchung fest, dass zwei getrennte Zuwiderhandlungen vorlagen. Die nachstehende Tabelle gibt Aufschluss darüber, welche Unternehmen wie lange an welchem der beiden Kartelle beteiligt waren:

Unternehmen

Gegenstand

Beginn

Ende

Erste Zuwiderhandlung

MAGNA

Verkauf von Türmodulen und Fensterhebern für die C-Klasse-Modelle A205, C205, S205 und W205 an Daimler

12. August 2010

21. Februar 2011

BROSE

12. August 2010

21. Februar 2011

Zweite Zuwiderhandlung

MAGNA

Verkauf von Schlössern und Schlosshaltern für Personenkraftwagen an BMW und Daimler (an Daimler nur G/GN/GL2-Schlösser und -Schlosshalter im Rahmen des „Industriebaukastens“, der Einkaufskooperation zwischen Daimler und BMW)

15. Juni 2009

7. Mai 2012

KIEKERT

15. Juni 2009

7. Mai 2012

Geldbußen

Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 (siehe auch MEMO) festgesetzt.

Ausschlaggebend für die Höhe der Geldbußen waren insbesondere der Umsatz der Kartellbeteiligten mit den betreffenden Produkten im EWR, die Schwere der Zuwiderhandlungen, die geografische Reichweite der Kartelle und ihre Dauer.

Nach der Kronzeugenregelung der Kommission aus dem Jahr 2006 ergeben sich folgende Geldbußen:

  • Magna wurde die Geldbuße, die ansonsten insgesamt rund 6 Mio. Euro betragen hätte, vollständig erlassen, da das Unternehmen die Kommission von beiden Kartellen in Kenntnis gesetzt hatte.
  • Die Geldbußen für Brose und Kiekert wurden ermäßigt, um ihre Zusammenarbeit mit der Kommission bei der Untersuchung zu honorieren. Die Höhe der Ermäßigung richtet sich danach, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten haben und inwieweit die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells, an dem sie beteiligt waren, beigetragen haben.
  • Kiekert wurde zudem ein Teil der Geldbuße für die vom 15. Juni 2009 bis zum 4. Oktober 2010 erfolgte zweite Zuwiderhandlung erlassen, da es als erstes Unternehmen zwingende Beweise vorlegte, anhand derer die Kommission die Dauer der zweiten mutmaßlichen Zuwiderhandlung bis zum 15. Juni 2009 zurückverfolgen konnte.

Darüber hinaus ermäßigte die Kommission die verhängten Geldbußen nach ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren aus dem Jahr 2008 um 10 Prozent, da die Unternehmen ihre Beteiligung am Kartell und ihre Haftung einräumten.

Gegen die einzelnen Unternehmen wurden folgende Geldbußen verhängt:

Anbieter

Ermäßigung nach der Kronzeugenregelung

Ermäßigung nach der Vergleichsmitteilung

Geldbuße (€)

Magna

100 %

10 %

0

Brose

35 %

10 %

3 225 000

Kiekert

40 %

10 %

14 971 000

Hintergrund

Schließsysteme für Automobile umfassen an die Automobilhersteller gelieferte Produkte wie Türmodule, Fensterheber und Verriegelungssysteme (Schlösser und Schlosshalter). Diese Systeme schützen vor Schäden und gewährleisten, dass alle Türen, Fenster und der Kofferraum sicher schließen, um Autodiebstahl zu verhindern. Außerdem erhöhen sie Komfort und Sicherheit während der Fahrt.

Der heutige Beschluss ist Teil der 2013 eingeleiteten umfassenden Kartelluntersuchungen bei Automobilzulieferern. Die Kommission hat bereits Geldbußen gegen Lieferanten von Kfz-Wälzlagern , Kfz-Kabelbäumen , Weichschaum, der (unter anderem) für Autositze verwendet wird, Standheizungen für Pkw und Lkw, Generatoren und Anlassern, Klimatisierungs- und Motorkühlsystemen, Beleuchtungssystemen, Zündkerzen und Bremssystemen, Sicherheitsgurten, Airbags und Lenkrädern verhängt. Mit dem heutigen Beschluss erhöht sich der Gesamtbetrag der von der Kommission für Kartelle in dieser Branche verhängten Geldbußen auf 2,17 Mrd. Euro.

Hintergrundinformationen zum Verfahren

Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums sind Kartelle und andere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen wie Preisabsprachen verboten.

Die Kommission leitete die Untersuchung in dieser Sache im Mai 2015 ein, nachdem Magna auf der Grundlage der Kronzeugenregelung der Kommission von 2006 einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hatte. Daraufhin beantragten andere Kartellmitglieder Geldbußenermäßigung.

Geldbußen für Unternehmen, die gegen die EU- und EWR-Kartellvorschriften verstoßen, werden bei Zahlung in den Gesamthaushaltsplan der EU eingestellt. Die Mittel sind nicht für bestimmte Ausgaben vorgesehen. Stattdessen werden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt für das Folgejahr entsprechend gekürzt. Die Geldbußen tragen daher zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40299 im öffentlich zugänglichen Register auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht. Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden sich auf ihrer Website unter der Rubrik „Cartels“.

Das Vergleichsverfahren

Mit dem heutigen Beschluss wird zum 34. Mal seit der Einführung dieses Verfahrens für Kartelle im Juni 2008 (siehe Pressemitteilung und MEMO) ein Vergleich geschlossen. Bei einem Vergleich räumen die Parteien ein, dass sie an einem Kartell beteiligt waren und dafür haften. Dann kann die Kommission auf der Grundlage der Kartellverordnung 1/2003 ein einfacheres und kürzeres Verfahren anwenden. Die Vorteile eines Vergleichs liegen auf der Hand: Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten zu tragen und in der Kartellrechtsdurchsetzung werden Ressourcen für die Bearbeitung anderer Fälle frei. Außerdem können die Unternehmen schneller mit einem Beschluss rechnen und zahlen eine um 10 Prozent geringere Geldbuße.

Schadensersatzklagen

Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz zuerkannt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen mussten, macht es für die Opfer von Kartellrechtsverstößen einfacher, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hier.

Instrument für Whistleblower

Die Kommission hat ein System eingerichtet, über das Einzelpersonen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preiszugeben. Das Instrument wahrt die Anonymität von Whistleblowern über ein spezielles verschlüsseltes System für den Austausch von Mitteilungen. Das Instrument kann über diesen Link aufgerufen werden.

Weiterer Informationen:

Pressemitteilung: Kartellrecht: Kommission verhängt gegen Automobilzulieferer Geldbußen von 18 Mio. Euro in Vergleichsverfahren

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
29. September 2020
Autor
Vertretung in Deutschland