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Vertretung in Deutschland
  • Presseartikel
  • 2. August 2024
  • Vertretung in Deutschland
  • Lesedauer: 4 Min

Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen: Kommission startet Konsultation

Flaggen EU-Kommission Brüssel
European Union

Behinderungsmissbrauch schadet sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern. Er führt zu höheren Preisen, weniger Innovation und schlechterer Qualität von Waren und Dienstleistungen. Daher brauchen wir klare Spielregeln, damit wir gegen Behinderungsmissbrauch wirksam vorgehen können. Die Kommission hat eine öffentliche Konsultation eingeleitet: Alle Interessenträger werden aufgefordert, zum Entwurf der Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen Stellung zu nehmen. 

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin und zuständig für Wettbewerbspolitik, forderte alle Interessenträger auf, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen: „Unser Leitlinienentwurf soll einen klaren, kohärenten und praktikablen Rahmen für die Beurteilung von missbräuchlichen Verhaltensweisen bieten. Der Entwurf spiegelt unsere Auslegung der EU-Rechtsprechung und die wertvolle Erfahrung wider, die die Kommission bei der Durchsetzung der Missbrauchsbekämpfungsvorschriften gewonnen hat.“  

Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet marktbeherrschenden Unternehmen missbräuchliche Verhaltensweisen, so auch Verhaltensweisen, die Wettbewerber vom Markt ausschließen. Beispiele für Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen sind Verdrängungspreise, Kosten-Preis-Schere, Ausschließlichkeitsbindungen und Lieferverweigerungen.

Die Durchsetzung des Artikels 102 AEUV ist von entscheidender Bedeutung dafür, dass auf den Märkten wirksamer Wettbewerb herrscht, alle Unternehmen eine faire Chance bekommen, sich im Wettbewerb zu behaupten, und die Verbraucher von den Vorteilen wettbewerbsorientierter Märkte profitieren können. Die Kommission hat bei der Durchsetzung des Artikels 102 AEUV umfassende Erfahrung gesammelt, insbesondere im Bereich Behinderungsmissbrauch. Gleichzeitig ist Artikel 102 AEUV der einzige Bereich des EU-Wettbewerbsrechts, in dem noch keine Leitlinien die Anwendung der Bestimmungen klären.

Neue Leitlinien werden Rechtssicherheit erhöhen

Der heute veröffentlichte Leitlinienentwurf soll darlegen, wie die Kommission die Rechtsprechung der EU-Gerichte zum Behinderungsmissbrauch auslegt, und die Beschlusspraxis der Kommission widerspiegeln. Dies wird die Rechtssicherheit zum Nutzen der Verbraucher und Unternehmen sowie der nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte erhöhen.

Insbesondere enthält der Leitlinienentwurf Orientierungshilfen zu verschiedenen Schlüsselfragen im Zusammenhang mit Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, unter anderem

  • zum Zweck der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und zum Konzept des Verbraucherwohls im EU-Recht, auch in Bezug auf Behinderungsmissbrauch;
  • zu den wichtigsten Grundsätzen für die Beurteilung einer alleinigen und einer kollektiven marktbeherrschenden Stellung;
  • zur Anwendung allgemeiner Grundsätze für die Feststellung, ob ein Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens wahrscheinlich einen Missbrauch darstellt, und insbesondere zu den Begriffen „Leistungswettbewerb“ und „Verdrängungswirkungen“;
  • zu den Beweisen, die erforderlich sind, um zu belegen, dass ein Verhalten geeignet ist, Verdrängungswirkungen zu entfalten. In dem Leitlinienentwurf wird unterschieden zwischen: i) Kategorien von Verhaltensweisen, für die der Nachweis erbracht werden muss, dass sie Verdrängungswirkungen entfalten können, ii) Kategorien von Verhaltensweisen, die ein hohes Potenzial haben, zu Verdrängungswirkungen zu führen, und iii) reinen Beschränkungen, die automatisch zu Verdrängungswirkungen führen;
  • zum materiellrechtlichen Maßstab für die Feststellung der Möglichkeit, dass ein Verhalten Verdrängungswirkungen entfalten könnte;
  • zum Analyserahmen für bestimmte Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen. In dem Entwurf wird unterschieden zwischen: i) Verhaltensweisen, die spezifischen, in der EU-Rechtsprechung verankerten rechtlichen Prüfungen unterliegen (d. h. Ausschließlichkeitsbindungen, Kopplung und Bündelung, Lieferverweigerung, Verdrängungspreise und Kosten-Preis-Schere), und ii) Verhaltensweisen, die keinen spezifischen rechtlichen Prüfungen unterliegen (d. h. bedingte Rabatte, Bündel- oder Paketrabatte, Selbstbevorzugung und Zugangsbeschränkungen);
  • zu den allgemeinen Grundsätzen für die Beurteilung objektiver Rechtfertigungen, die das beherrschende Unternehmen vorbringen kann.

Nächste Schritte

Alle Interessenträger können sich bis zum 31. Oktober 2024 zu dem Leitlinienentwurf äußern. Weitere Informationen, einschließlich Anweisungen zur Einreichung von Stellungnahmen, sind hier abrufbar.

Die Kommission plant derzeit, den Entwurf der Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch auf der Grundlage der im Rahmen dieser öffentlichen Konsultation eingegangenen Stellungnahmen im Laufe des Jahres 2025 fertigzustellen.

Hintergrundinformationen

Artikel 102 AEUV, der auch von den nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichten angewendet werden kann, verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder beschränken kann. Wie dieser Artikel umzusetzen ist, ist in der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegt.

In ihren 2008 angenommenen Erläuterungen zu den Prioritäten bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags legte die Kommission ihre Durchsetzungsprioritäten für Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen dar. Die Erläuterungen aus dem Jahr 2008 trugen dazu bei, einen Ansatz zu fördern, der auf Basis einer Analyse der Marktdynamik auf die potenziellen Auswirkungen mutmaßlich missbräuchlicher Verhaltensweisen abstellt („wirkungsorientierter Ansatz“). Seit der Annahme der Erläuterungen von 2008 hat der Gerichtshof der Europäischen Union 34 Urteile zu Behinderungsmissbrauch erlassen. In dieser umfangreichen Rechtsprechung wurde der wirkungsorientierte Ansatz der Kommission in Bezug auf Artikel 102 AEUV bestätigt und der Anwendungsbereich der Vorschriften präzisiert.

Im März 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Aufforderung zur Stellungnahme, um Rückmeldungen zur Annahme von Leitlinien zum Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen einzuholen. Die Interessenträger begrüßten die Initiative im Allgemeinen und forderten Klarheit und Rechtssicherheit bei der Anwendung des Artikels 102 AEUV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch.

Parallel zur Aufforderung zur Stellungnahme veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung (mit Anhang) zur Änderung ihrer 2008 angenommenen Erläuterungen zu den Durchsetzungsprioritäten in Fällen von Behinderungsmissbrauch.  Nach der Annahme der Leitlinien wird die Kommission die Erläuterungen von 2008 in der durch die Mitteilung vom März 2023 geänderten Fassung zurückziehen.

Weitere Informationen zu dieser Initiative finden Sie auf der diesbezüglichen Website der GD Wettbewerb, die einen Link zum Entwurf der Leitlinien sowie Anweisungen für die Einreichung von Stellungnahmen enthält.

 Weitere Informationen

Vollständige Pressemitteilung

Pressekontakt: %20martha [dot] schillmolleratec [dot] europa [dot] eu (Martha Schillmöller), Tel.: +49 (30) 2280-2200. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
2. August 2024
Autor
Vertretung in Deutschland