Demnach spielen beim Drogenhandel soziale Medien, Darknet-Marktplätze und Verschlüsselungstechniken eine zunehmend starke Rolle. „Der aktuelle Bericht zeigt die komplexe Natur des europäischen Drogenphänomens", so EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. „Wir brauchen einen besser aufeinander abgestimmten Ansatz, der sowohl Angebot als auch Nachfrage angeht. Mit den neuen Regeln zu Verboten von Neuen psychoaktiven Substanzen und unserer verbesserten Kooperation mit internationalen Partnern tragen unsere Anstrengungen bereits Früchte. Aber wir müssen auch auf die Rolle der Digitalisierung im Bereich der Drogenmärkte achten.“
Der Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht betont die beständige hohe Verfügbarkeit der meisten illegalen Substanzen. Den jüngsten Daten zufolge werden in Europa (EU-28, Türkei und Norwegen) jährlich mehr als eine Million Sicherstellungen illegaler Drogen gemeldet. Rund 96 Millionen in der EU lebende Erwachsene (im Alter von 15 bis 64 Jahren) haben im Verlauf ihres Lebens schon einmal eine illegale Droge ausprobiert, während schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen in der EU-28 jedes Jahr wegen des Konsums illegaler Drogen in Behandlung sind. Im Jahr 2018 wurden 55 Neue psychoaktive Substanzen (NPS) erstmals in der EU erkannt, was die Gesamtzahl der von der Agentur überwachten Substanzen auf 730 erhöht.
Alexis Goosdeel, Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, erklärt hierzu: „Die Herausforderungen, denen wir im Bereich Drogen gegenüberstehen, nehmen zu. Es gibt nicht nur Anzeichen für eine erhöhte Verfügbarkeit etablierter pflanzlicher Drogen wie Kokain, sondern auch für einen wachsenden Markt, auf dem synthetische Drogen und die Herstellung von Drogen innerhalb von Europa von zunehmender Bedeutung sind. Dies zeigt sich an Problemen im Zusammenhang mit dem Konsum hochpotenter synthetischer Opioide, an neuen Herstellungsverfahren für MDMA und Amphetamin sowie an den aktuellen Entwicklungen bezüglich der Verarbeitung von Morphin zu Heroin innerhalb der Grenzen Europas.“
Kokain: Sicherstellungen in Rekordhöhe, neue Vertriebsmethoden und Evidenz für zunehmende Gesundheitsprobleme
Die jüngsten Daten zu Kokain zeigen, dass sich sowohl die Anzahl an Sicherstellungen als auch die sichergestellten Mengen an Kokain auf einem Rekordniveau befinden. Über 104.000 Sicherstellungen von Kokain wurden in der EU im Jahr 2017 (98.000 in 2016) gemeldet, was 104,4 Tonnen der Droge entspricht, etwa das Doppelte der 2016 sichergestellten Menge (70,9 Tonnen). Obwohl der Kokainverkaufspreis stabil geblieben ist, erreichte die Reinheit der Droge 2017 im Straßenverkauf den höchsten Stand seit zehn Jahren. Kokain gelangt über zahlreiche Routen und Wege nach Europa. Eine große Herausforderung ist jedoch die Zunahme des volumenstarken Handels mithilfe von Seecontainern.
Es gibt Belege, dass die Nutzung von sozialen Medien, Darknet-Marktplätzen und Verschlüsselungstechniken eine zunehmende Rolle dabei spielt, kleinere Gruppen und Einzelpersonen zum Drogenhandel zu motivieren. Betrachtet man den Kokainmarkt kann Unternehmersinn bei innovativen Vertriebsmethoden beobachtet werden. Ein Beispiel sind schnell und flexibel liefernde „Kokain-Callcenter“, die über Kuriere verfügen. Solche Methoden, die eine „Uberization“ des Kokainhandels widerspiegeln, sind ein Hinweis auf einen Wettbewerbsmarkt, in dem Händler konkurrieren, indem sie zusätzliche Dienstleistungen jenseits des Produkts an sich anbieten.
Kokain ist das am häufigsten konsumierte illegale Stimulans in der EU. Etwa 2,6 Millionen junge Erwachsene (15- bis 34-Jährige) haben diese Droge im letzten Jahr konsumiert (Schätzung für 2017). Eine aktuelle Studie zu Drogenrückständen im kommunalen Abwasser zeigte auf, dass es zwischen 2017 und 2018 in 22 von 38 Städten mit Daten für diesen Zeitraum zu Anstiegen bei den Kokainmetaboliten kam. Dies bestätigt den im Jahr 2017 bereits berichteten Aufwärtstrend. Im Jahr 2018 wurden die höchsten Rückstände (standardisiert je 1.000 Menschen pro Tag) in Städten in Belgien, Spanien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich festgestellt. In einigen Städten in Osteuropa zeigen aktuelle Daten einen Anstieg, wenn auch von einem niedrigen Niveau.
Heroin: Hinweise auf Marktveränderungen
Heroin ist noch immer das häufigste illegale Opioid auf dem Drogenmarkt in Europa und trägt maßgeblich zu den drogenbedingten Gesundheits- und Sozialkosten bei. Die Menge des in der EU sichergestellten Heroins erhöhte sich im Jahr 2017 um mehr als eine Tonne auf 5,4 Tonnen, mit zusätzlichen, von der Türkei sichergestellten 17,4 Tonnen (die teilweise für den EU-Markt bestimmt waren). Eine besorgniserregende Entwicklung sind die 81 Tonnen des Heroin-Vorläuferstoffs Essigsäureanhydrid, die 2017 in der EU sichergestellt wurden, sowie die 243 Tonnen dieses Stoffs in abgefangenen Lieferungen. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren in einigen EU-Ländern (Bulgarien, Tschechien, Spanien und den Niederlanden) Labore entdeckt, in denen aus Morphin mithilfe dieses Vorläuferstoffs Heroin hergestellt wurde. Die Heroinreinheit bleibt hoch und der Verkaufspreis relativ niedrig (ist über das letzte Jahrzehnt gesunken).
Neue synthetische Opioide: eine zunehmende Sorge
Die aktuelle Opioid-Epidemie in den Vereinigten Staaten und Kanada wird weitgehend vom Konsum synthetischer Opioide, vor allem Fentanyl und seine Derivate, angetrieben. Obgleich diese Substanzen in Europa derzeit nur einen kleinen Teil auf dem Drogenmarkt darstellen, sind sie eine zunehmende Bedrohung, da ihr Konsum mit Überdosierungen und Todesfällen in Zusammenhang gebracht wurde. Elf neue synthetische Opioide wurden 2018 in Europa, in der Regel in Form von Pulver, Tabletten und Flüssigkeiten, festgestellt. Für die Herstellung von vielen tausend Straßendosen sind nur sehr geringe Mengen erforderlich, sodass diese Substanzen problemlos versteckt und geschmuggelt werden können. Dies stellt eine Herausforderung für die Strafverfolgung und den Zoll dar.
Cannabis: neue Entwicklungen bei Europas etabliertester Droge
Cannabis ist auch weiterhin die am meisten konsumierte illegale Droge in Europa. Dies zeigen die Daten zur Prävalenz, zu Sicherstellungen und zum gestiegenen Behandlungsbedarf. Schätzungsweise haben 17,5 Millionen junge Europäer (15 bis 34 Jahre) in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert (EU-28) (Schätzung für 2017).
Im Jahr 2017 wurden 782 000 Sicherstellungen von Cannabisprodukten (Kraut, Harz, Pflanzen und Öl) gemeldet, dies macht es zu Europas am häufigsten sichergestellter Droge. In Bezug auf die Menge wird mehr als doppelt so viel Cannabisharz wie Cannabiskraut sichergestellt (466 Tonnen gegenüber 209 Tonnen). Eine aktuelle Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht kam zu dem Ergebnis, dass Cannabiskraut und - harz ihren typischen Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) über das vergangene Jahrzehnt verdoppelt haben, was Sorgen bezüglich potenzieller Gesundheitsgefahren aufkommen lässt. Es ist anzunehmen, dass die Steigerung des Wirkstoffgehalts im Harz durch die Einführung von Pflanzen mit hohem Wirkstoffgehalt und durch neue Herstellungstechniken in Marokko, dem Hauptproduzenten von Harz für den EU-Markt, gefördert wurde.
Cannabis: neue Produkte erhöhen die Herausforderungen in einem komplexen politischen Bereich
Die Schaffung von Märkten für den legalen Freizeitkonsum von Cannabis außerhalb der EU fördert die Innovation bei der Produktentwicklung (z. B. E-Liquids, essbare Produkte und Konzentrate), von denen einige nun auf den europäischen Markt vordringen, wo sie eine neue Herausforderung für den Nachweis und die Kontrolle der Droge darstellen.
Cannabis enthält viele verschiedene chemische Stoffe. Die bekanntesten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Ein Beispiel für die schnelle Entwicklung auf dem Cannabismarkt ist das Vorhandensein von Produkten mit einem niedrigen THC-Gehalt, die in einigen EU-Ländern in Fachgeschäften oder Reformhäusern verkauft werden. Der Verkauf beruht auf dem Postulat, dass diese Produkte weniger als 0,2 Prozent oder 0,3 Prozent THC enthalten, daher eine geringe oder keine berauschende Wirkung haben und somit den bestehenden Drogenkontrollgesetzen nicht unterliegen. Der CBD-Gehalt der Produkte wird manchmal mit der Aussage hervorgehoben, dass diese Substanz vorteilhafte Eigenschaften haben kann. Verfügbar sind eine Reihe von Produkten, wie Pflanzen, Räuchermischungen auf Kräuterbasis, Tabletten, Lotionen und Cremes. Dies führt zu regulatorischen Problemen, da einige Länder den Verkauf von Produkten mit einem niedrigen THC-Gehalt strafrechtlich verfolgen, während andere deren Handel lizenzfrei genehmigen.
Europas wachsende Rolle bei der Herstellung synthetischer Drogen
Die Herstellung synthetischer Drogen in Europa scheint laut dem Bericht „zu wachsen, zu diversifizieren und innovativer zu werden“. Neue Substanzen werden verwendet, um die für die Produktion synthetischer Drogen benötigten Chemikalien herzustellen. Dies zielt darauf ab, eine Entdeckung zu vermeiden, führt aber auch zu einer komplexeren Verarbeitung (die zusätzlichen gefährlichen Abfall erzeugen kann). Dies spiegelt sich in einem Anstieg der Sicherstellungen alternativer Vorläuferstoffe sowohl für MDMA als auch Amphetamin und Metamphetamin mit Sicherstellungen von APAA und Glycid-Derivaten von PMK wider, die beide in den aktuellsten Daten einen Anstieg zeigen.
Die Reinheit von Methamphetamin und Amphetamin ist höher als vor einem Jahrzehnt. Im Jahr 2017 sind in der EU insgesamt 0,7 Tonnen Methamphetamin und 6,4 Tonnen Amphetamin sichergestellt worden. Die Herstellung von Methamphetamin konzentriert sich auf Tschechien und die Grenzregionenen der benachbarten Länder, wobei auch in den Niederlanden Produktion stattfindet. Abwasser- und andere Daten weisen darauf hin, dass Methamphetamin, dessen Konsum insgesamt niedrig ist und sich ursprünglich auf Tschechien und die Slowakei konzentrierte, nun offenbar auch in Zypern, Ostdeutschland, Spanien, Finnland und Norwegen konsumiert wird (Abbildung 2.11). In Bezug auf Amphetamin berichteten von den Städten mit Abwasserdaten für die Jahre 2017 und 2018 insgesamt 21 von 38 einen Anstieg der Amphetamin-Nachweise.
M-health: Standortdaten und virtuelle Realität, neue Tools als Reaktion auf Drogenprobleme
Die weitläufige Verwendung von Mobiltelefonen heutzutage bedeutet, dass „M-health-Apps“ (Gesundheitsapps für Mobiltelefone) großes Potenzial besitzen, um die Reichweite drogenbezogener Gesundheitsleistungen zu erhöhen. Laut dem Bericht werden neue digitale Lösungen dieser Art zunehmend bei der Drogenprävention, der Behandlung und der Schadensminimierung eingesetzt.
Weitere Informationen:
Vollständige Pressemitteilung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht
Europäischer Drogenbericht 2019
Pressekontakt: katrin [dot] ABELEec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA frageerlebnis-europa [dot] eu (per E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 6. Juni 2019
- Autor
- Vertretung in Deutschland