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Presseartikel7. Juni 2017Vertretung in DeutschlandLesedauer: 7 Min

Ein Europa, das sich verteidigt: Kommission eröffnet Debatte über Wege zur Sicherheits- und Verteidigungsunion

Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) eine öffentliche Debatte über die Zukunft der Verteidigungspolitik in einer EU mit 27 Mitgliedstaaten angestoßen. In einem Reflexionspapier erläutert die Kommission verschiedene Szenarien für den Umgang...

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(07.06.2017) - Die Hohe Vertreterin der EU für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini sagte heute dazu: „Wir kommen beim Thema Sicherheit in der Europäischen Union rasch und gut voran. Die Kommission begleitet und unterstützt die Mitgliedstaaten bei ihrem entschlossenen Vorgehen. Mit dem heute vorgelegten Reflexionspapier leistet die Kommission ihren Beitrag zu den Überlegungen, die über die Zukunft der Union auf diesem Gebiet angestellt werden. Ausgangspunkt dabei ist die Forderung der Bürger nach mehr Integration und Effizienz in Sachen Verteidigung. Die Europäische Union bietet uns die Möglichkeit, die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung militärischer Fähigkeiten zu unterstützen und effizienter in unsere Verteidigung zu investieren. In weniger als einem Jahr haben wir einiges erreicht und wir werden entschlossen in diesem Tempo weiterarbeiten.“

„In der Welt von heute kommt es mehr als je zuvor auf eine starke NATO und eine starke EU an. Als noch stärkerer Partner für seine Verbündeten muss Europa seine Sicherheit und seine Verteidigung selbst in die Hand nehmen und dabei Überschneidungen und Doppelarbeit vermeiden. Wir kennen unseren Kurs und den Mitgliedstaaten kommt die Führungsrolle zu. Jetzt ist es an der Zeit zu entscheiden, wie rasch wir am Ziel ankommen wollen“, sagte der für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständige Vizepräsident Jyrki Katainen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs werden bei ihrem Treffen in Prag am 9. Juni beraten, wie das Potenzial der EU-Verträge ausgeschöpft werden kann, um die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich auszubauen. Die Kommission legt als Beitrag zu dieser Diskussion drei mögliche Szenarien für die Zukunft der europäischen Verteidigung vor.

  • Szenario „Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung“: Die Mitgliedstaaten würden über die notwendige Zusammenarbeit im Sicherheits- und Verteidigungsbereich nach wie vor selbst auf freiwilliger Basis und im konkreten Einzelfall entscheiden. Die EU dagegen würde weiterhin die Bemühungen auf nationaler Ebene ergänzen. Die Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung würde zwar intensiviert, die EU würde sich aber auch künftig an den anspruchsvollsten Operationen nur beschränkt beteiligen. Mithilfe des künftigen Europäischen Verteidigungsfonds könnten zwar einige neue gemeinsame Fähigkeiten entwickelt werden, Entwicklung und Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten unterstehen aber immer noch weitgehend der Aufsicht der einzelnen Mitgliedstaaten. Format und Struktur der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO würden in der jetzigen Form beibehalten.
  • Das ambitioniertere Szenario „Geteilte Verantwortung für Sicherheit und Verteidigung“ sieht Folgendes vor: Die Mitgliedstaaten würden für mehr Solidarität im Verteidigungsbereich bestimmte finanzielle und operative Ressourcen bündeln. Die EU würde sich auch stärker für den Schutz Europas innerhalb und außerhalb seiner Grenzen engagieren. Sie würde eine größere Rolle im Cyberbereich, beim Grenzschutz oder der Terrorbekämpfung spielen und die Verteidigungs- und Sicherheitsdimension ihrer Energie-, Gesundheits-, Zoll- oder Weltraumpolitik aufwerten. Ergänzt würde dies durch den politischen Willen zum Handeln sowie durch eine Entscheidungskultur, die einem sich rasch wandelnden Kontext gerecht wird. Die EU und die NATO würden ferner stärker zusammenarbeiten und sich in einer Reihe von Fragen enger abstimmen.
  • Als ambitioniertestes Szenario umfasst die „Gemeinsame Verteidigung und Sicherheit“ Folgendes: Schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union, die in eine gemeinsame Verteidigung auf der Grundlage von Artikel 42 des EU-Vertrags münden würde. Die bestehende Bestimmung ermöglicht es einer Gruppe von Mitgliedstaaten, eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der europäischen Verteidigung begründen. Gemäß diesem Szenario würde der Schutz Europas zum Vorteil beider Seiten der Verantwortung von EU und NATO unterstellt. Auf dem Fundament eines höheren Niveaus an Integration der Verteidigungskräfte der Mitgliedstaaten wäre die EU in der Lage, Sicherheits- und Verteidigungseinsätze im sogenannten Hochwertbereich durchzuführen. Die EU würde gemeinsame Verteidigungsprogramme mit dem Europäischen Verteidigungsfonds unterstützen und eine eigene Europäische Agentur für Verteidigungsforschung einrichten. Dies würde auch dazu beitragen, dass ein echter europäischer Markt für Verteidigungsgüter entsteht, der für wichtige strategische Tätigkeiten Schutz vor feindlichen Übernahmen von außen bieten kann.

Diese Szenarien schließen sich nicht gegenseitig aus, zeigen aber, dass es drei unterschiedlich ambitionierte Solidaritätsniveaus gibt. An der Stärkung der Sicherheit Europas führt kein Weg vorbei. Die Mitgliedstaaten werden die Führungsrolle übernehmen und bestimmen, wie stark die Unterstützung durch die EU-Institutionen ausfallen soll. Den Blick in die Zukunft gerichtet müssen sie jetzt darüber entscheiden, auf welchem Kurs und in welchem Tempo sie den Schutz der Bürgerinnen und Bürger Europas gewährleisten wollen.

Die Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds

Die EU-Kommission hat heute außerdem einen Europäischen Verteidigungsfonds ins Leben gerufen, der es den Mitgliedstaaten erleichtern soll, das Geld des Steuerzahlers effizienter zu investieren, unnötige Mehrfachausgaben zu vermeiden und kostengünstiger zu wirtschaften. Der Fonds wurde im September 2016 von Präsident Juncker angekündigt und im Dezember 2016 vom Europäischen Rat unterstützt. Mit ihm werden die Investitionen, die auf nationaler Ebene in die Verteidigungsforschung, die Entwicklung von Prototypen und die Beschaffung von Verteidigungsgütern und -technologien fließen, koordiniert, ergänzt und verstärkt.

Jyrki Katainen betonte den Mehrwert durch das Vorantreiben gemeinsamer Forschung: „In ganz Europa machen sich die Menschen Sorgen über ihre Sicherheit und die ihrer Kinder. Wir müssen in diesem Bereich mehr tun und besser werden. Dafür müssen wir unsere Zusammenarbeit mit der NATO ausbauen. Heute zeigen wir, dass wir Worten Taten folgen lassen. Der Fonds dient als Triebfeder für eine leistungsfähige europäische Verteidigungsindustrie, die vollständig kompatible Spitzentechnologie und hochmoderne Ausrüstungen entwickelt. Die Mitgliedstaaten bleiben dabei bestimmend, können aber mehr aus ihren Geldern machen – und letztlich an Einfluss gewinnen.“

Elżbieta Bieńkowska, die für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU verantwortliche Kommissarin, fügte hinzu: „Europa muss zum Sicherheitsgaranten werden. Mit dem Fonds wird die gemeinsame Verteidigungsforschung und die Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten gefördert. Von ihm gehen ganz neue Impulse für die strategische Autonomie der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie aus. Davon profitieren auch die vielen KMU und Midcap-Unternehmen in der Wertschöpfungskette der europäischen Verteidigungsbranche.“

Der Europäische Verteidigungsfonds setzt auf zwei Ebenen an:

  • Forschung: Der forschungsbezogene Teil des Fonds ist bereits wirksam. 2017 wird die EU erstmals Fördermittel für die gemeinsame Forschung im Bereich innovativer Verteidigungstechnologien und -güter anbieten, die vollständig und unmittelbar aus dem EU-Haushalt stammen. Bei den Projekten, die für eine EU-Finanzierung infrage kommen, liegt der Schwerpunkt auf zuvor von den Mitgliedstaaten vereinbarten Bereichen. Typische Beispiele hierfür sind Elektronik, Metawerkstoffe, verschlüsselte Software oder Robotertechnik. Folgende Mittelausstattung ist hierfür geplant:
    • 90 Mio. Euro bis Ende 2019, davon 25 Mio. Euro für 2017. Heute wird eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Projekte veröffentlicht, die für die Bereiche der unbemannten Systeme im Marineumfeld und der Soldatensysteme erbeten werden. Die ersten Finanzhilfevereinbarungen sollen bis Ende dieses Jahres unterzeichnet sein.
    • 500 Mio. Euro pro Jahr nach 2020. 2018 wird die Kommission ein spezielles EU-Verteidigungsforschungsprogramm mit jährlichen Mitteln von schätzungsweise 500 Mio. EUR vorschlagen, das die EU zu einem der größten Investoren in die Verteidigungsforschung in Europa macht.
  • Entwicklung und Beschaffung: Der Fonds wird durch die Kofinanzierung aus dem EU-Haushalt und praktische Unterstützung von der Kommission Anreize für die Mitgliedstaaten schaffen, bei der gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung von Verteidigungsgütern und -technologien zu kooperieren. Beispielsweise könnten sie gemeinsam in die Entwicklung von Drohnentechnologie oder Satellitenkommunikation investieren oder Hubschrauber in großer Stückzahl ankaufen und damit ihre Ausgaben reduzieren. Nur gemeinsame Projekte können finanziert werden, und ein Teil des Gesamthaushalts ist für Projekte zweckgebunden, an denen KMU aus mehreren Ländern teilnehmen. Die EU wird eine Kofinanzierung in folgender Höhe anbieten:
    • 500 Mio. Euro im Rahmen eines heute vorgeschlagenen speziellen Entwicklungsprogramms insgesamt für 2019 und 2020.
    • 1 Mrd. Euro pro Jahr nach 2020: Ein größer angelegtes Programm, das jährlich mit 1 Mrd. Euro ausgestattet ist, wird für die Zeit nach 2020 ausgearbeitet. Dank des Programms ist für die nationale Finanzierung eine Hebelwirkung mit einem fünffachen Multiplikatoreffekt zu erwarten. Es könnte somit dafür sorgen, dass nach 2020 insgesamt 5 Mrd. Euro pro Jahr in die Entwicklung der Verteidigungsfähigkeit investiert werden.

Mit Blick auf die Zukunft veröffentlicht die Kommission nach ihrem Weißbuch zur Zukunft Europas heute auch ein Reflexionspapier, das eine öffentliche Debatte darüber in Gang setzen soll, wie sich die EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten bis 2025 im Verteidigungsbereich weiterentwickeln könnte.

Weitere Informationen:

Ein Europa, das sich verteidigt: Kommission eröffnet Debatte über Wege zur Sicherheits- und Verteidigungsunion

Fragen und Antworten zur Zukunft der europäischen Verteidigung

Reflexionspapier über die Zukunft der europäischen Verteidigung

Der Europäische Verteidigungsfonds: 5,5 Mrd. Euro pro Jahr, um Europas Verteidigungsfähigkeiten zu stärken

Der Europäische Verteidigungsfonds – Häufig gestellte Fragen

Factsheet zum Europäischen Verteidigungsfonds

Mitteilung „Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds“

Vorschlag für eine Verordnung

Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen

Weißbuch zur Zukunft Europas

Meinungsumfrage zum Thema Verteidigung in der EU (Spezial-Eurobarometer 461, April 2017)

Pressekontakt: margot [dot] tuzinaatec [dot] europa [dot] eu (Margot Tuzina), Tel.: +49 (30) 2280 2340 und katrin [dot] ABELEatec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
7. Juni 2017
Autor
Vertretung in Deutschland