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Vertretung in Deutschland
Presseartikel29. Juni 2017Vertretung in DeutschlandLesedauer: 6 Min

EU geht gegen resistente, gefährliche Keime vor

Die EU-Kommission hat heute (Donnerstag) einen neuen Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen verabschiedet. Die Resistenz gefährlicher Bakterien gegen Antibiotika wird zu einer immer größeren Bedrohung. Allein in der EU werden...

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(29.06.2017) - Der Aktionsplan umfasst Leitlinien zur Förderung des umsichtigen Einsatzes antimikrobieller Mittel beim Menschen. Diese richten sich an Ärzte, Pflegepersonal, Apotheker, Krankenhausmanager und andere, die bei der Verwendung solcher Mittel eine Rolle spielen. Sie ergänzen bestehende nationale Leitlinien für die Prävention und Bekämpfung von Infektionen.

Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, sagte: „Antimikrobielle Resistenzen sind eine wachsende weltweite Bedrohung, und wenn wir jetzt nicht mehr dagegen tun, könnten sie bis 2050 mehr Todesfälle verursachen als Krebs. Die ehrgeizige Agenda, die ich heute vorstelle, zielt auf die Schlüsselbereiche mit dem höchsten Mehrwert für die Mitgliedstaaten.“

Carlos Moedas, Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, fügte hinzu: „Antimikrobielle Resistenzen sind bereits für den Tod von Tausenden verantwortlich, und sie sind eine erhebliche Bürde für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Kein Land kann diese Bedrohung allein in den Griff bekommen. Was wir brauchen, ist eine echte europäische Forschungsinitiative zur Rettung von Menschenleben, Tieren und Umwelt. Deshalb ist dieser Aktionsplan so wichtig: Er wird dafür sorgen, dass Koordinierung und Zusammenarbeit in der Forschung zwischen den EU-Mitgliedstaaten sowie zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor in Europa und darüber hinaus besser gelingt.“

Was verursacht die Antibiotika-Resistenz?

Unter Antibiotika-Resistenz versteht man die Fähigkeit von Mikroorganismen, antimikrobiellen Behandlungen zu widerstehen. Auftreten und Verbreitung solch resistenter Mikroorganismen werden auf eine übermäßige oder falsche Anwendung antimikrobieller Wirkstoffe zurückgeführt. Diese hat zur Folge, dass Antibiotika-Behandlungen wirkungslos bleiben.

Die Zunahme bei den antimikrobiellen Resistenzen hat mehrere Ursachen. Hierzu zählen ein übermäßiger und unsachgemäßer Einsatz von Antibiotika beim Menschen, eine übermäßige Verwendung in der Tierhaltung sowie mangelhafte Hygiene im Gesundheitswesen und in der Lebensmittelkette. Eine große Rolle spielt auch ein mangelndes Problembewusstsein: 57 Prozent der Europäerinnen und Europäer ist nicht klar, dass Antibiotika nicht gegen Viren wirksam sind, 44 Prozent wissen nicht, dass sich Erkältungskrankheiten und Fieber damit nicht bekämpfen lassen (Quelle: Eurobarometer, Juni 2016).

Welches Ausmaß haben die Folgen antimikrobieller Resistenzen in der EU und weltweit?

Antimikrobielle Resistenzen fordern allein in der EU jährlich schätzungsweise 25.000 Todesopfer und verursachen zusätzliche Gesundheitsausgaben in Höhe von 1,5 Mrd. Euro. Jedes Jahr sterben weltweit schätzungsweise 700.000 Menschen an Infektionen, die durch antibiotikaresistente Erreger ausgelöst werden; die Weltbank hat darauf hingewiesen, dass bis 2050 Infektionen durch arzneimittelresistente Erreger zu einem globalen wirtschaftlichen Schaden führen könnten, der mit dem der Finanzkrise von 2008 vergleichbar ist. Prognosen zufolge dürfte die Zahl der Todesfälle weltweit mehrere Millionen jährlich erreichen, wenn nichts dagegen unternommen wird, und antimikrobielle Resistenzen könnten bis 2050 eine häufigere Todesursache sein als Krebs.

Was ist neu am heute angenommenen Aktionsplan?

Der neue Aktionsplan soll die Entwicklung und Verfügbarkeit neuer wirksamer antimikrobieller Mittel innerhalb und außerhalb der EU forcieren. Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen, die einen deutlichen EU-Mehrwert bieten und nach Möglichkeit auch konkrete, messbare Ergebnisse liefern. Weiterhin erforderliche EU-Maßnahmen werden fortgeführt; gleichzeitig werden die Mitgliedstaaten mit dem neuen Aktionsplan stärker bei ihren Bemühungen um eine innovative, wirksame und nachhaltige Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen unterstützt. So wird eine Ausweitung der Zusammenarbeit und der Überwachung angestrebt, um die Datenlücken zu schließen, sowie mehr Synergien und Kohärenz bei den politischen Maßnahmen gemäß dem Konzept „Eine Gesundheit“.

In dem Aktionsplan sind in über 75 Maßnahmen in drei Hauptbereichen vorgesehen:

Säule 1: Die EU als künftige Best-Practice-Region

Damit die EU zu einer Region werden kann, die beispielhaft vorangeht, müssen Daten, Koordinierung und Überwachung sowie die Kontrollen verbessert werden. Dadurch werden die Mitgliedstaaten bei der Aufstellung, Durchführung und Überwachung einschlägiger nationaler Aktionspläne zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen, die sie es bei der Weltgesundheitsversammlung 2015 zugesagt haben, unterstützt. Beispiele für die Unterstützung durch die Kommission sind die Bereitstellung evidenzbasierter Daten durch ihre Agenturen, die Aktualisierung der EU-Durchführungsvorschriften für die Überwachung und Meldung von antimikrobiellen Resistenzen bei Mensch und Tier sowie in Lebensmitteln, die Förderung des Lernens voneinander, des Austauschs innovativer Ideen und der Konsensbildung sowie die finanzielle Beteiligung an Tätigkeiten der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen. In den Aktionsplan einbezogen werden auch Umweltaspekte, die in großem Umfang zur Entwicklung und Ausbreitung antimikrobieller Resistenzen beitragen.

Säule 2: Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation

Mit den Maßnahmen in diesem Bereich soll die Forschung gefördert werden und die Innovation zusätzliche Impulse erhalten. Es soll wertvoller Input für wissenschaftsbasierte Politik und rechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen generiert und Wissenslücken, etwa über die Rolle antimikrobieller Resistenzen in der Umwelt, sollen geschlossen werden. Die Kommission wird partnerschaftlich mit den Mitgliedstaaten und der Industrie zusammenarbeiten, auch mit kleinen und mittleren Unternehmen, um gegen antimikrobielle Resistenzen bei Bakterien, Pilzen und Parasiten vorzugehen. Dabei werden die WHO-Prioritätenliste der Krankheitserreger sowie Krankheiten wie Tuberkulose, HIV/AIDS, Malaria und vernachlässigte Infektionskrankheiten besonders berücksichtigt.

In Finanzierungs- und Partnerschaftsprogrammen wird es vor allem darum gehen, das Wissen über die wirksame Bekämpfung und Überwachung von Infektionen, einschließlich neuer Diagnosemethoden, zu verbessern und neue Therapien und vorbeugende Impfstoffe zu entwickeln. Die Aktionen in diesen vorrangigen Bereichen werden zur Förderung der öffentlichen Gesundheit beitragen und wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile in Europa und darüber hinaus bringen.

Säule 3: Gestaltung der globalen Agenda

Im Rahmen der international festgelegten Aktionsbereiche wird die EU ihr Engagement und die Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen verstärken und die Zusammenarbeit mit den am meisten betroffenen Entwicklungsländern intensivieren. Als einer der größten Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse kann die EU bei ihren Handelspartnern für ihre Standards und Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen werben. Im Bereich Forschung wird die EU auf ihre erfolgreichen großangelegten internationalen Initiativen aufbauen, beispielsweise die Partnerschaft Europas und der Entwicklungsländer im Bereich klinischer Studien und die Initiative für gemeinsame Programme, und eine stärkere, vernetzte Forschungslandschaft mit globaler Reichweite im Bereich antimikrobieller Resistenzen entwickeln.

Was wurde mit dem ersten Aktionsplan (2011-2016) erreicht?

Der erste Aktionsplan veranlasste die EU-Länder, auf nationaler Ebene tätig zu werden. So legten viele Länder nationale Aktionspläne auf, die auf eine umsichtige Verwendung antimikrobieller Mittel, die Überwachung ihres Einsatzes sowie die Überwachung antimikrobieller Resistenzen abstellten.

In Bezug auf die Tierhaltung hat die Kommission 2015 Legislativvorschläge für Tierarzneimittel und Arzneifuttermittel erlassen – diese spielen bei der Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen eine entscheidende Rolle. Über diese Vorschläge wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat beraten; die Annahme bindender EU-Verordnungen ist für 2018 geplant.

Die EU hat seit 1999 mehr als 1,3 Mrd. Euro für die länderübergreifende gemeinsame Erforschung antimikrobieller Resistenzen aufgewendet – ihr Ziel ist es, einen sachgemäßen Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe sicherzustellen. In mit EU-Mitteln geförderten Forschungsarbeiten und Projekten wird untersucht, wie antimikrobielle Resistenzen entstehen und übertragen werden. Es werden Schnelldiagnosetests entwickelt, neue antimikrobielle Therapien und Alternativen wie Impfungen sowie Strategien für einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika in allen Bereichen.

Auf der Grundlage des ersten Aktionsplans wurde im Mai 2012 im Rahmen der Initiative innovative Medizin (IMI) das weltweit größte öffentlich-private Partnerschaftsprogramm gestartet – „New Drugs for Bad Bugs“ (ND4BB). Im Zuge dieses Programms treiben wissenschaftliche Einrichtungen und andere öffentliche Partner zusammen mit Pharmaunternehmen die Entwicklung neuartiger Antibiotika voran; hierfür stehen ihnen insgesamt 700 Mio. Euro zur Verfügung. Heute beteiligen sich 23 Länder an dieser gemeinsamen Programmplanung.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung: Antimikrobielle Resistenz: Kommission intensiviert den Kampf mit neuem Aktionsplan

Aktionsplan

Factsheet zum Aktionsplan

Leitlinien

Antimikrobielle Resistenzen

Antimikrobielle Resistenzen – Forschung

Pressekontakt: claudia [dot] guskeatec [dot] europa [dot] eu (Claudia Guske), +49 (30) 2280-2190; gabriele [dot] imhoffatec [dot] europa [dot] eu (Gabriele Imhoff), Tel.: +49 (30) 2280-2820

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
29. Juni 2017
Autor
Vertretung in Deutschland