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Vertretung in Deutschland
Pressemitteilung8. Dezember 2022Vertretung in DeutschlandLesedauer: 3 Min

Europäische Kommission legt Empfehlungen zu Haftbedingungen vor

Dargestellt ist ein Piktogram auf einem lila Hintergrund. Das Piktogram besteht aus einem weißen Kreis. Innerhalb des Kreises befinden sich Darstellungen zum Thema Justiz und Recht. Auf der linken Seite oben sieht man einen Gerichtshammer, parallel dazu auf der rechten Seite die Darstellung einer Waage, die von einer Hand gehalten wird (Justizsymbol). Der untere Teil des Kreises zeigt einge Hand, die eine kleinere Hand in ihrer hält.

Die EU-Kommission hat Empfehlungen vorgelegt, um die Haftbedingungen in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Darin werden Mindeststandards für die Größe der Zellen, die Aufenthaltszeiten im Freien sowie die Ernährungs- und Gesundheitsbedingungen ebenso wie Wiedereingliederungs- und Resozialisierungsinitiativen empfohlen. Untersuchungshaft sollte nur als letztes Mittel eingesetzt werden und in den Fällen, in denen sie gerechtfertigt ist, in regelmäßigen Abständen überprüft werden.  EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte: „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bescheinigt einigen Mitgliedstaaten untragbare Praktiken, unter anderem Fälle von unmenschlicher Behandlung und Verstöße gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die EU tritt entschieden für die Menschenrechte auf der ganzen Welt ein, und deshalb müssen wir unbedingt im eigenen Haus für Ordnung sorgen. Wir fordern die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, diese Empfehlungen so bald wie möglich umzusetzen und sicherzustellen, dass ihre nationalen Systeme den EU-Standards entsprechen.“

Gefahr der Radikalisierung in Gefängnissen

Die Empfehlung enthält zudem gezielte Maßnahmen zur Bewältigung des Problems der Radikalisierung in Gefängnissen. Sie legt den Mitgliedstaaten etwa nahe, eine erste Risikobewertung vorzunehmen, um geeignete Haftregelungen für Personen festzulegen, die terroristischer Straftaten oder extremistischer Gewaltstraftaten verdächtigt werden oder für schuldig befunden wurden. Beispielsweise könnten die Behörden Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass diese Verdächtigen direkten Kontakt zu besonders schutzbedürftigen Häftlingen haben. Weitere besondere Maßnahmen werden im Hinblick auf Frauen und Mädchen, LGBTIQ, Ausländer, Menschen mit Behinderungen und andere schutzbedürftige Häftlinge vorgeschlagen, etwa der angemessene Zugang zu professionellen Dolmetsch-Diensten.

Des Weiteren hat die Kommission eine statistische Übersicht über die unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten veröffentlicht. Demnach verzeichneten beispielsweise acht Mitgliedstaaten eine Belegungsdichte in den Gefängnissen von mehr als 100 Insassen pro 100 Plätze und fünf Mitgliedstaaten eine Überbelegung mit mehr als 105 Insassen pro 100 Plätze. Anhand der Übersicht wird auch deutlich, dass in der EU bezüglich der Untersuchungshaft große Unterschiede bestehen. So betrug die durchschnittliche Dauer 2020 zwischen 2,4 und 12,9 Monate. Auch die Kosten der Untersuchungshaft variieren erheblich zwischen den EU-Mitgliedstaaten – zwischen 6,50 und 332,63 Euro pro Tag und Häftling.

Nächste Schritte

Die Empfehlung tritt heute in Kraft und wird den Ministerinnen und Ministern auf der Tagung des Rates (Justiz) vorgelegt. Die Mitgliedstaaten werden nachdrücklich aufgefordert, auf nationaler Ebene die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Empfehlungen in die Praxis umzusetzen.

Hintergrund

Auf der Tagung des Rates (Justiz und Inneres) vom Oktober 2021, auf der das Thema Haftbedingungen auf der Tagesordnung stand, ersuchten die Ministerinnen und Minister die Kommission um Empfehlungen oder Leitlinien zur Verbesserung der Haftbedingungen und darum, alternativen Maßnahmen den Vorzug vor EU-Rechtsvorschriften zu geben.

Die heutige Empfehlung ergänzt die Verfahrensrechte, die in den Richtlinien über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen, auf Belehrung und Unterrichtung, auf den Zugang zu einem Rechtsbeistand, über die Unschuldsvermutung sowie über Verfahrensgarantien für Kinder und Prozesskostenhilfe festgelegt wurden. Darüber hinaus ergänzt sie die Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien für schutzbedürftige Personen.

Obwohl alle Mitgliedstaaten die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) beachten müssen, bestehen in der Praxis erhebliche Unterschiede bei der Anwendung der Untersuchungshaft ebenso wie bei den materiellen Haftbedingungen.

Die für die Inspektion der Gefängnisse zuständigen Gremien in der gesamten EU äußern sich besorgt. 2021 wurden 81 Verstöße gegen Artikel 3 EMRK (unmenschliche und erniedrigende Behandlung) unter Beteiligung von 14 Mitgliedstaaten und 46 Verstöße gegen Artikel 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) unter Beteiligung von 12 Mitgliedstaaten festgestellt.

Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten wirken sich auf das gegenseitige Vertrauen und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen aus, beispielsweise im Zusammenhang mit der gegenseitigen Anerkennung und der Anwendung des Europäischen Haftbefehls (EuHb). Seit 2016 wurde in fast 300 Fällen die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls wegen der tatsächlichen Gefahr einer Verletzung der Grundrechte verzögert oder abgelehnt.

Weitere Informationen:

Vollständige Pressemitteilung

Empfehlung zu den Verfahrensrechten von Verdächtigen und Beschuldigten in Untersuchungshaft und den materiellen Haftbedingungen

Non-Paper JI der Kommission im Zusammenhang mit der Annahme der Empfehlung zu den Verfahrensrechten von Verdächtigen und Beschuldigten in Untersuchungshaft und den materiellen Haftbedingungen

Pressekontakt: katrin [dot] ABELEatec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
8. Dezember 2022
Autor
Vertretung in Deutschland