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Vertretung in Deutschland
Presseartikel3. Mai 2016Vertretung in DeutschlandLesedauer: 6 Min

Frühjahrsprognose 2016: Trotz hoher Risiken weiter verhaltenes Wachstum

In Europa wird angesichts der sich verlangsamenden Wirtschaftsleistung der wichtigsten Handelspartner und der nachlassenden Wirkung bisheriger Wachstumsimpulse ein weiter verhaltenes Wirtschaftswachstum erwartet. Nach einem Zuwachs von 1,7 Prozent im...

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Die äußerst lockere Geldpolitik hat durch den leichteren und billigeren Zugang zu Finanzmitteln eine Belebung der Investitionstätigkeit befördert. Die Fiskalpolitik dürfte das Wachstum im Euroraum in diesem Jahr ebenfalls stützen. Bei den Ölpreisen wird dagegen mit einer Erholung der Preise gerechnet, so dass sie – trotz des erneuten Rückgangs Anfang 2016 und der dadurch bedingten Verlängerung der positiven Effekte auf das verfügbare Realeinkommen – ihre stützende Wirkung schrittweise verlieren. Ähnlich dazu profitieren auch die Exporte aus dem Euroraum derzeit zwar noch von der Abwertung des Euros, doch dürfte die jüngste Verteuerung der gemeinsamen Währung den Euroraum insgesamt anfälliger gegenüber Auswirkungen eines langsameren externen Wachstums machen.

Dazu der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte: „Die wirtschaftliche Erholung setzt sich in Europa fort, gleichzeitig verschlechtern sich jedoch die globalen Rahmenbedingungen. Künftiges Wachstum wird deshalb zunehmend von den Möglichkeiten abhängen, die wir selbst schaffen. Wir müssen uns deshalb noch stärker um strukturelle Reformen bemühen, um für Probleme wie die hohe öffentliche und private Verschuldung, die Anfälligkeit des Finanzsektors und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit Lösungen zu finden; das heißt Lösungen für Probleme, die in vielen Ländern seit Langem bestehen. Entschlossene politische Maßnahmen zur Reformierung und Modernisierung unserer Volkswirtschaften sind der einzig mögliche Weg, um ein starkes, nachhaltiges Wachstum, mehr Arbeitsplätze und gute soziale Bedingungen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“

Der für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll zuständige Kommissar Pierre Moscovici sagte: „Das Wachstum in Europa hält dem schwierigeren globalen Umfeld stand. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass die politischen Anstrengungen um die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung von Investitionen nun Früchte zu tragen beginnen. Allerdings müssen wir noch viel tun, um die Ungleichheit zu bekämpfen. Der Aufschwung ist im Euroraum nach wie vor ungleich verteilt, sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch zwischen den Schwachen und den Starken innerhalb der Gesellschaft. Dies können wir nicht hinnehmen und brauchen deshalb ein entschlossenes staatliches Vorgehen, sowohl von den einzelnen Regierungen als auch von gemeinsamer Seite.“

Die Volkswirtschaften aller Mitgliedstaaten dürften 2017 wieder wachsen

In den meisten Mitgliedstaaten dürfte das Wirtschaftswachstum während des Prognosezeitraums ansteigen oder weitgehend stabil bleiben. Im nächstem Jahr wird für alle Mitgliedstaaten ein Wachstum erwartet, doch bestehen weiterhin Unterschiede innerhalb der EU.

Der Außenbeitrag wird das Wachstum voraussichtlich auch im Jahr 2016 belasten und 2017 neutral sein. Damit wird die Binnennachfrage zum entscheidenden Wachstumsfaktor: Die Investitionen werden im nächsten Jahr sowohl im Euroraum als auch in der Europäischen Union voraussichtlich um 3,8 Prozent anziehen, während sich der private Verbrauch aufgrund des erwarteten Anstiegs der Inflation und des deshalb geringeren Wachstums der Realeinkommen abschwächen dürfte.

Weitere Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt

Die Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt wird sich – dank der verzögerten Reaktion auf die günstigere Konjunkturlage und des gemäßigten Lohnwachstums – in moderatem Tempo fortsetzen. In einigen Mitgliedstaaten tragen die Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre und die Fiskalpolitik zur Nettoschaffung von Arbeitsplätzen bei. Trotz der weiterhin anhaltenden Ungleichgewichte auf den Arbeitsmärkten wird im Euroraum von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 10,3 Prozent im Jahr 2016 und 9,9 Prozent im Jahr 2017 ausgegangen, gegenüber 10,9 Prozent im Jahr 2015. In der EU insgesamt wird die Arbeitslosigkeit von 9,4 Prozent im Jahr 2015 voraussichtlich auf 8,9 Prozent im Jahr 2016 und 8,5 Prozent im Jahr 2017 fallen.

Weitere Unterstützung durch die Fiskalpolitik; bessere Aussichten für die öffentliche Finanzlage

Das gesamtstaatliche Defizit soll, unterstützt durch das Wirtschaftswachstum und die niedrigen Zinsen, sowohl im Euroraum als auch in der EU in diesem und im nächsten Jahr weiter zurückgehen und dürfte im Euroraum unter der Annahme einer unveränderten Politik von 2,1 Prozent des BIP im Jahr 2015 (EU: 2,4 Prozent) auf 1,9 Prozent im Jahr 2016 (EU: 2,1 Prozent) und 1,6 Prozent im Jahr 2017 (EU: 1,8 Prozent) sinken. Für den Euroraum wird in diesem Jahr ein leicht expansiver haushaltspolitischer Kurs erwartet. Die Schuldenquote des Euroraums soll der Prognose zufolge von 94,4 Prozent im Jahr 2014 auf 91,1 Prozent im Jahr 2017 sinken (EU: 85,5 Prozent).

Inflation weiter durch Energiepreise getrieben

Die Ölpreise sind Anfang 2016 abermals gefallen und haben damit die Inflation unter null gesenkt. Da die Energiepreise niedriger sind als noch vor einem Jahr, wird davon ausgegangen, dass die Inflation auch in nächster Zukunft nahe bei null liegen wird. Auch der externe Preisdruck ist vor dem Hintergrund eines leicht aufwertenden Euro und der relativ gemäßigten globalen Erzeugerpreise schwach. In der zweiten Jahreshälfte dürfte die Inflation stärker ansteigen, da die Energiepreise schrittweise anziehen und die inländischen Preise angesichts der stärkeren Binnennachfrage steigen. Die Verbraucherpreisinflation wird im Euroraum in diesem Jahr auf 0,2 Prozent (EU: 0,3 Prozent) und im Jahr 2017 auf 1,4 Prozent (EU: 1,5 Prozent) veranschlagt.

Wachstumsaussichten der Weltwirtschaft weiterhin schwach

Das Wachstum außerhalb der EU ist im vergangenen Jahr aufgrund der Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in den aufstrebenden Märkten wahrscheinlich auf den niedrigsten Wert seit 2009 gesunken (3,2 Prozent im Jahr 2015). Da eine ähnliche Entwicklung auch in den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu beobachten war, haben sich die Aussichten für das weltweite BIP-Wachstum weiter verschlechtert; die Erwartungen an eine bescheidene Erholung sind durch erhebliche Unsicherheit charakterisiert. Den Prognosen zufolge wird die Weltwirtschaft 2016 um 3,1 Prozent und 2017 um 3,4 Prozent wachsen.

Erhebliche Risiken in Bezug auf die Wirtschaftsaussichten in Europa

Die Prognose ist mit starker Unsicherheit behaftet. Externe Risiken umfassen u. a. die Gefahr, dass das langsamere Wachstum in den aufstrebenden Märkten, insbesondere China, stärkere Spillover-Effekte auslösen oder schwächer ausfallen könnte als erwartet. Die geopolitischen Spannungen sind nach wie vor hoch und könnten die europäischen Volkswirtschaften stärker in Mitleidenschaft ziehen als derzeit erwartet. Drastische Veränderungen der Ölpreise oder Turbulenzen an den Finanzmärkten könnten das Wachstum in Europa ebenfalls dämpfen. Darüber hinaus bestehen weiterhin erhebliche Risiken im Zusammenhang mit EU-internen Entwicklungen wie der zögerlichen Umsetzung von Strukturreformen und der Unsicherheit im Vorfeld des EU-Referendums im Vereinigten Königreich. Umgekehrt könnten Strukturreformen sich positiver auswirken als erwartet und besteht die Möglichkeit, dass die äußerst akkommodierende Geldpolitik stärker auf die Realwirtschaft durchschlägt als angenommen.

Hintergrund

In dieser Prognose wurde allen verfügbaren relevanten Daten und Faktoren, einschließlich Annahmen zur staatlichen Politik, Rechnung getragen (Stand: 22. April 2016). Berücksichtigt wurden lediglich glaubwürdig angekündigte politische Maßnahmen, die detailliert genug spezifiziert wurden. Den Projektionen liegt die Annahme einer unveränderten Politik zugrunde. Die Prognose basiert auch auf verschiedenen externen Annahmen in Bezug auf Wechselkurse, Zinssätze und Rohstoffpreise. Die verwendeten Zahlen spiegeln die Markterwartungen an den Derivatemärkten zum Zeitpunkt der Prognose wider.

Diese Wirtschaftsprognose wird in das „Frühjahrspaket“ des Europäischen Semesters einfließen.

Die Kommission wird ihre Wirtschaftsprognose im November 2016 aktualisieren.

Weitere Informationen:

Frühjahrsprognose - Website und #ecforecast (nur auf Englisch verfügbar)

EU-Wirtschaftsprognosen – Website

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet der Infopunkt der Berliner Vertretung der Europäischen Kommission per infoateuropa-punkt [dot] de (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
3. Mai 2016
Autor
Vertretung in Deutschland