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Vertretung in Deutschland
Presseartikel10. Juni 2020Vertretung in DeutschlandLesedauer: 4 Min

Innenkommissarin Johansson will europäische Zusammenarbeit im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern stärken

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat gestern (Dienstag) eine europäische Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern angekündigt. Dazu gehöre mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit, eine bessere technologische Ausstattung der...

Innenkommissarin Johansson wies auf die starke Zunahme von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet hin: „In den letzten zehn Jahren hat der sexuelle Missbrauch von Kindern im Internet weltweit exponentiell zugenommen: von einer Million Meldungen über Material von sexuellen Kindesmissbrauch im Jahr 2010 auf 17 Millionen im Jahr 2019. Zur gleichen Zeit stiegen in Europa die Meldungen über Online-Material von sexuellen Kindesmissbrauch von 23.000 auf 800.000“, sagte Johansson. Europa sei damit weltweit ein bedeutender Tatort. „Während der Corona-Pandemie zeigen Berichte einen weiteren Anstieg des sexuellen Online-Missbrauchs von Kindern in Europa und in den Vereinigten Staaten.“

Johansson warnte weiter: „Kinder verbringen heute doppelt so viel Zeit online wie noch vor zehn Jahren. Die alte Warnung ,Sprecht nicht mit Fremden‘ hat ihre Kraft verloren. Im Online-Chat kommen Fremde als Teenager verkleidet. Sie kennen die richtigen Worte, die richtige Musik und die richtigen Netflix-Shows. Einem freundlichen Wort kann man nur schwer widerstehen. Besonders bei verletzlichen, benachteiligten Kindern, die bereits Probleme zu Hause haben.

Es gibt Menschen, die drei Monate alte Kinder missbrauchen und die Bilder online stellen. Es ist schwer, darüber zu sprechen, aber wir müssen es tun. Die Bedeutung der Prävention kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aber wir brauchen auch Schutz und Strafverfolgung. Wir müssen unsere Gesetze durchsetzen, wenn sie gebrochen werden, und unsere Werte sowohl online als auch offline hochhalten. Dazu brauchen wir Unternehmen an Bord. Die Täter nutzen ihre Systeme, um Material auszutauschen und Kinder ins Visier zu nehmen.“

Warum grenzüberschreitende Zusammenarbeit wichtig ist

Johansson betonte die Notwendigkeit von grenzüberschreitender Zusammenarbeit: „Täter tauschen Fotos und Videos über Länder und Kontinente hinweg aus. Wir müssen also zwischen den Ländern und über die Grenzen hinweg zusammenarbeiten, um sie zu fassen, sie strafrechtlich zu verfolgen und sie ins Gefängnis zu bringen. Wir tun dies bereits mit einigem Erfolg.“

Das Europäische Zentrum für Cyberkriminalität von Europol ist ein Schlüsselakteur im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern. In jüngster Zeit konnte mit Hilfe von Europol sowie europäischen und internationalen Strafverfolgungsbehörden zum Beispiel

- eine Kindergärtnerin und ihr Partner in Ungarn

- ein 30-jähriger Missbrauchstäter in Italien und

- ein Darknet-Nutzer in Spanien verhaftet werden sowie

- 90 Verdächtige in einer größeren Operation zum sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet identifiziert werden.

EU-Kommissarin Johansson zollte auch der Arbeit der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden Respekt: „Ich habe wirklich großen Respekt vor den Polizisten, die diese schwierige Arbeit leisten. Die tagein, tagaus Dinge sehen, die niemand sehen sollte. Um Kinder zu retten, die etwas erleben, was kein Kind erleben sollte.“

„Ich möchte den Informationsaustausch und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden, mit Europol und dem privaten Sektor verbessern. Die Polizei braucht auch mehr Ausbildung und Technologie. Und es ist sehr wichtig, dass das Parlament den Vorschlag der Kommission zu elektronischen Beweismitteln unterstützt. Um Missbrauchstäter zu verurteilen, müssen wir den grenzüberschreitenden Austausch von Beweismitteln erleichtern“, so Johansson.

Eine europäische Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern

Die Kommissarin kündigte eine europäische Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern an: „Die Mitgliedstaaten sollten über spezialisierte Polizeieinheiten zur Bekämpfung von Missbrauch und über Teams verfügen, die sich mit der Identifizierung der Opfer befassen. Wenn die Missbrauchstäter Spitzentechnologie einsetzen können, kann die Polizei nicht dahinter zurückbleiben. Wir werden die nationalen Polizeikräfte dabei unterstützen, mit der Technologie Schritt zu halten. Bei Straftaten, die sich über einen Kontinent erstrecken, müssen wir in kontinentalen Dimensionen denken und handeln. Wir brauchen ein europäisches Zentrum zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und zur Unterstützung der Opfer. Es soll uns helfen, besser zusammenzuarbeiten, Informationen und bewährte Praktiken auszutauschen.“

Einbindung von Internetunternehmen

Johansson betonte, man können den sexuellen Missbrauch von Kindern nicht ohne die großen Internetfirmen bekämpfen. „Missbrauchstäter nutzen soziale Netzwerke, um sich ihren Opfern zu nähern und um ihre Verbrechen zu teilen. In den USA meldeten Unternehmen 17 Millionen Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch an das Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder. Ich möchte, dass auch die Internetunternehmen in Europa ihre Verantwortung wahrnehmen. Meiner Ansicht nach sollten Unternehmen Material über sexuellen Kindesmissbrauch melden müssen.“

Auch mit der Verschlüsselung müsse man sich stärker befassen, forderte die Innenkommissarin. „Die Verschlüsselung ist ein Problem für die Aufdeckung. Internetfirmen können Material über sexuellen Kindesmissbrauch nicht aufspüren, wenn es verschlüsselt ist. Verschlüsselung ist ein Problem für Ermittlung und Strafverfolgung. Ein Durchsuchungsbefehl gewährt Zugang zur Wohnung eines Verdächtigen. Aber nicht zur verschlüsselten Festplatte.“

Kommissarin Johansson hat eine Sondergruppe von Experten aus Wissenschaft, Regierungsvertretern, Zivilgesellschaft und Wirtschaft initiiert, um Wege zu finden, verschlüsseltes Material von sexuellen Kindesmissbrauch aufzudecken und zu melden.

Hintergrund

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nahm gestern an einer Online-Diskussion zum Thema „Verhütung und Bekämpfung von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern“ teil, die von der Interfraktionellen Arbeitsgruppe zu den Rechten des Kindes des Europäischen Parlaments organisiert wurde. Weitere Teilnehmer waren u.a. die Europaabgeordnete Caterina Chinnici, der niederländische Justizminister Ferdinand Grapperhaus, die Direktorin von Europol, Catherine De Bolle, und der Mitbegründer der Organisation Thorn, Ashton Kutcher.

Weitere Informationen:

Vollständige Rede der Kommissarin

Online-Diskussion zum Nachhören auf EbS

Hintergrundinformationen zum Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern auf EU-Ebene

Pressekontakt: katrin [dot] ABELEatec [dot] europa [dot] eu ( Katrin Abele ) , Tel.: +49 (30) 2280-2140

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
10. Juni 2020
Autor
Vertretung in Deutschland