Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist es der Europäischen Union gelungen, die über Jahrzehnte aufgebaute massive Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu beenden. In einer Diskussion zur bisherigen Bilanz des „REPowerEU“-Plans im Europäischen Parlament (im Ausschuss Industrie, Forschung und Energie ITRE) sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson: „Viele haben bezweifelt, dass dies überhaupt möglich ist. Aber ein Jahr später ist der Wandel im europäischen Energiesystem spektakulär.“ Im vergangenen Jahr habe die Europäische Union den Bezug von russischem Gas um zwei Drittel reduziert. „Seit September 2022 beträgt der Anteil von russischem Gas an den gesamten Pipelinegasimporten in die EU etwa acht Prozent. Der wichtigste Gaslieferant für Europa ist nicht mehr Russland - es ist Norwegen.“ Die Speicher in Europa seien derzeit zu rund 57 Prozent gefüllt, mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.
Simson betonte, wie dramatisch das vergangene Jahr seit dem Einmarsch Russlands für das ukrainische Energiesystem gewesen sei und umriss die Unterstützung der EU. So habe die Europäische Union harte Sanktionen gegen Russland verhängt, auch im Öl- und Kohlesektor. Die Synchronisierung des ukrainischen und moldauischen Stromnetzes sei innerhalb von drei Wochen gelungen – statt wie ursprünglich geplant innerhalb von zwei Jahren. Die Ukraine ist in die gemeinsame europäische Gasbeschaffungsplattform integriert, so sollen 2 Milliarden Kubikmeter zusätzliches Gas gesichert werden. Simson sagte weiter: „Wir haben 1.600 Generatoren und 1.400 Transformatoren an die Ukraine geliefert. Und ich habe mit der Energiegemeinschaft einen speziellen Fonds eingerichtet, der heute 180 Millionen Euro an Zusagen umfasst. Auch in Zukunft werden wir die Ukraine unterstützen. Derzeit arbeiten wir an der Förderung der dezentralen Stromerzeugung mit netzunabhängigen Solaranlagen.“
Bilanz zu einem Jahr REPowerEU: Diversifizierung der Gaslieferungen
Am 8. März 2022 hatte die Europäische Kommission ihren Entwurf zu REPowerEU vorgestellt - mit dem Ziel, Europa deutlich vor dem Jahr 2030 von fossilen Brennstoffen aus Russland, zunächst von Gas, unabhängig zu machen. Simson erinnerte vor dem ITRE-Ausschuss daran, dass dem Einmarsch in die Ukraine die Manipulation der Gasmärkte durch Russland vorausging. „Die Gaslieferungen wurden als Druckmittel eingesetzt, um die Mitgliedstaaten zu erpressen und zu spalten und um die Entschlossenheit zu schwächen, sich einem ungerechten und illegalen Krieg entgegenzustellen.“ Dies habe deutlich gemacht, dass die EU ihre massive Abhängigkeit von Russland beenden müsse.
Simson verwies auf die Erfolge in Sachen Diversifizierung der europäischen Gasversorgung: „Einige haben bezweifelt, dass Europa genug LNG erhalten könnte, um russisches Gas zu ersetzen, weil die physischen Kapazitäten der LNG-Terminals begrenzt sind. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. In weniger als einem Jahr wurden drei neue Terminals eröffnet, und bis Ende des Jahres werden fünf weitere Terminals eröffnen – mit einer Gesamtkapazität von 50 Milliarden Kubikmetern. Im Jahr 2022 erhielten wir insgesamt 135 Milliarden Kubikmeter LNG vom Weltmarkt. So lieferten uns die USA beispielsweise 56,4 Milliarden Kubikmeter. Das sind 34 Milliarden Kubikmeter mehr als in den Vorjahren. Der Anstieg der Gaslieferungen aus anderen Quellen als Russland war fast 10 Prozent höher als in der REPowerEU-Mitteilung vom März veranschlagt.“
Ausbau der Erneuerbaren Energien
Die Europäische Union habe gleichzeitig den grünen Wandel nicht aus den Augen verloren, unterstrich Simson: „Im vergangenen Jahr gingen die CO2-Emissionen in Europa um 2,5 Prozent zurück. Ein wichtiger Teil von REPowerEU war die Förderung erneuerbarer Energien als Ersatz für Gas bei der Strom- und Wärmeerzeugung. Im vergangenen Jahr haben wir mehr Strom aus Wind- und Solarenergie erzeugt als aus Gas. 2022 war ein Rekordjahr für Solarenergie in der EU, es wurden neuen Kapazitäten von 41 Gigawatt installiert. Auch die Windenergiekapazität stieg um 15 Gigawatt. 39 Prozent unseres Stroms stammten 2022 aus erneuerbaren Energiequellen.“
Dabei hätten alle eine Rolle gespielt: „Diese weitreichende Änderung erfolgte nicht nur aufgrund von Top-down-Anweisungen der Regierungen. Es handelte sich um eine Basisbewegung, bei der die Europäerinnen und Europäer den Wandel vorangebracht haben: Sie haben Millionen von Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern installiert. Sie stellen Wärmepumpen in ihre Wohnungen ein. Sie haben ihren Lebensstil angepasst und ihren Energieverbrauch gesenkt. Das ist leider auf die hohen Energiepreise zurückzuführen – aber nicht nur. Alle haben ihren Beitrag geleistet.“
Nächste Schritte
Simson verwies auf drei Aufgaben, die die EU jetzt angehen müsse:
- Zum einen müsse Europa sich schon jetzt auf die kommende Heizperiode vorbereiten: „Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass es einfach wird. Dieses und auch das darauffolgende Jahr werden eine Herausforderung darstellen. Es bestehen nach wie vor viele Unsicherheiten. Wir müssen ein gesundes und umsichtiges Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wahren. Ich werde den Mitgliedstaaten vorschlagen, die freiwillige Senkung der Nachfrage um 15 Prozent bis zum nächsten Jahr zu verlängern. Das hat gut funktioniert und ist die beste Garantie, um bis November ein angemessenes Speicherniveau zu erreichen.“
- Zweitens sollten die EU-Staaten die Gaslieferungen aus Russland komplett beenden: „Wir haben im vergangenen Jahr rund 20 Milliarden Kubikmeter russisches LNG erhalten. Ich denke, dass wir uns von russischem Gas so bald wie möglich vollständig lösen können und sollten, und dennoch an unsere Versorgungssicherheit denken können. Ich ermuntere alle Mitgliedstaaten und alle Unternehmen, den Kauf von russischem LNG einzustellen und nach Ablauf der bestehenden Verträge keine neuen Verträge mit Russland zu unterzeichnen. Die Zusage, bestehende Verträge mit Russland nicht zu verlängern, ist der beste Weg, um unseren zuverlässigen Partnern langfristig zu versichern, dass eine bedeutsame Nachfrage aufrechterhalten wird.“
- Drittens müsse Europa die erneuerbaren Energien weiter massiv voranbringen: „Für mich besteht das endgültige Ziel von REPowerEU nicht darin, eine unzuverlässige Gasquelle durch eine andere vertrauenswürdige Erdgasquelle zu ersetzen. Es geht darum, die Energieunabhängigkeit Europas zu stärken, indem die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden. Wir müssen unsere Installationsrate beschleunigen, und bei den erneuerbaren Energien entschlossener sein.“
Weitere Informationen:
Kadri Simson vor dem ITRE-Ausschuss des Europäischen Parlaments (englische Originialversion)
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 9. März 2023
- Autor
- Vertretung in Deutschland