20/04/2016 - Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Für Verbraucher und Unternehmen in Europa wird ein wettbewerbsfähiger mobiler Internetbereich immer wichtiger. Unsere bisherigen Ermittlungen lassen darauf schließen, dass Google durch sein Verhalten den Verbrauchern eine größere Auswahl an mobilen Anwendungen und Dienstleistungen vorenthält, Innovationen anderer Unternehmen bremst und damit gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt.Diese Vorschriften gelten für alle in Europa tätigen Unternehmen.Google hat jetzt Gelegenheit, sich zu den Bedenken der Kommission zu äußern.“
Über die Hälfte des weltweiten Internetverkehrs erfolgt über Smartphones und Tablets und voraussichtlich wird ihr Anteil in Zukunft weiter steigen. Rund 80 Prozent der intelligenten Mobilgeräte sind mit dem von Google entwickelten Betriebssystem Android ausgestattet. Google vergibt für sein Android-Betriebssystem Lizenzen an Hersteller von Mobilgeräten.
Im April 2015 leitete die Kommission ein Verfahren ein, um das Verhalten von Google im Zusammenhang mit dessen Betriebssystem Android und den entsprechenden Anwendungen zu untersuchen. Die Kommission ist beim derzeitigen Stand der Auffassung, dass Google auf den Märkten für allgemeine Internetsuchdienste, für lizenzpflichtige Betriebssysteme für intelligente Mobilgeräte sowie für App-Stores für das Android-Betriebssystem für Mobilgeräte eine beherrschende Stellung innehat. Google verfügt auf jedem dieser Märkte im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) über einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent.
In der heute übermittelten Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission die Auffassung, dass Google gegen das EU-Kartellrecht verstößt, indem es
- von Herstellern als Vorbedingung für die Lizenzierung bestimmter geschützter Google-Apps verlangt, die Google-Suche und den Browser Google Chrome vorzuinstallieren und die Google-Suche auf ihren Geräten als Standardsuchdienst festzulegen;
- Hersteller am Verkauf von intelligenten Mobilgeräten mit konkurrierenden Betriebssystemen, die sich auf den offenen Android-Quellcode stützen, hindert;
- Herstellern und Betreibern von Mobilfunknetzen finanzielle Anreize dafür bietet, wenn sie ausschließlich die Google-Suche auf ihren Geräten vorinstallieren.
Die Kommission hat Bedenken, dass diese Geschäftspraktiken zu einer weiteren Stärkung der beherrschenden Stellung von Google auf dem Markt für allgemeine Internetsuchdienste führen könnten. Sie befürchtet ferner, dass mobile Browser von Konkurrenzanbietern durch diese Geschäftspraktiken im Wettbewerb mit Google Chrome benachteiligt werden und zudem die Entwicklung von Betriebssystemen, die sich auf den offenen Android-Quellcode stützen und Chancen für die Entwicklung neuer Anwendungen und Dienste bieten würden, behindert wird.
Dies würde nach der vorläufigen Auffassung der Kommission letztlich den Verbrauchern schaden, weil dann nicht die größtmögliche Auswahl gewährleistet würde und Innovationen gehemmt würden.
Die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission
Lizenzvergabe für die geschützten Apps von Google
Die Untersuchung der Kommission ergab, dass es für die geschäftlichen Interessen der Hersteller von Geräten mit Android-Betriebssystem wichtig ist, Googles App-Store für Android-Anwendungen (Play Store) auf ihren Geräten vorzuinstallieren. In seinen Verträgen mit Herstellern knüpft Google die Lizenzvergabe für den Play Store auf Android-Geräten an die Bedingung, dass die Google-Suche als Standardsuchdienst vorinstalliert wird. Folglich können konkurrierende Suchmaschinen auf der großen Mehrheit der im EWR verkauften Geräte nicht der Standardsuchdienst werden. Ferner wird dadurch der Anreiz für Hersteller, die Suchanwendungen von Wettbewerbern vorzuinstallieren, bzw. für Verbraucher, solche Anwendungen herunterzuladen, verringert.
Außerdem verlangt Google in seinen Verträgen mit Herstellern die Vorinstallation seines mobilen Browsers Google Chrome als Gegenleistung für die Lizenzvergabe für den Play Store oder die Google-Suche. Dadurch stellt das Unternehmen sicher, dass auch sein mobiler Browser auf den weitaus meisten im EWR verkauften Geräten vorinstalliert ist. Ein Browser ist ein wichtiger Zugang zu Suchanfragen auf mobilen Geräten. Durch die Verringerung der Anreize der Hersteller zur Vorinstallation von konkurrierenden Browseranwendungen bzw. der Verbraucher zum Herunterladen dieser Anwendungen wird der Wettbewerb auf dem Markt für mobile Browser wie auch auf dem Markt für allgemeine Suchdienste beeinträchtigt.
Verhinderung der Fragmentierung
Android ist ein System mit offenem Quellcode (Open Source), kann also von jedem frei genutzt und als Grundlage für die Entwicklung eines geänderten Betriebssystems für Mobilgeräte (sogenannte Android-Forks) verwendet werden. Wenn ein Hersteller jedoch geschützte Google-Anwendungen wie den Play Store oder die Google-Suche auf einem seiner Geräte vorinstallieren möchte, verlangt Google den Abschluss eines „Anti-Fragmentation Agreement“, nach dem der Hersteller keine mit Android-Forks betriebenen Geräte verkaufen darf.
Das Verhalten von Google hat direkte Auswirkungen auf Verbraucher, da es ihnen den Zugang zu innovativen intelligenten Mobilgeräten versperrt, auf denen andere, möglicherweise bessere Versionen des Betriebssystems Android laufen. So hat die Kommission beispielsweise Beweise dafür gefunden, dass das Verhalten von Google Hersteller am Verkauf von intelligenten Mobilgeräten hinderte, die mit einer konkurrierenden Android-Fork ausgestattet waren, welche das Potenzial hatte, zu einer ernstzunehmenden Alternative für das Google-Betriebssystem Android zu werden. Damit hat Google seinen Wettbewerbern gleichzeitig eine wichtige Möglichkeit genommen, Anwendungen und Dienste (insbesondere allgemeinen Suchdiensten) einzuführen, die auf Android-Forks vorinstalliert werden könnten.
Ausschließlichkeit
Google hat einigen der größten Smartphone- und Tablet-Herstellern sowie Betreibern von Mobilfunknetzen große finanzielle Anreize dafür gewährt, dass auf deren Geräten ausschließlich die Google-Suche vorinstalliert wird.
Auf diese Weise hat Google die Anreize für Hersteller und Mobilfunknetzbetreiber verringert, auf den von ihnen vertriebenen Geräten konkurrierende Suchdienste vorzuinstallieren. Der Kommission liegen Beweise vor, dass die Ausschließlichkeitsbedingung sich auf bestimmte Gerätehersteller und Betreiber von Mobilfunknetzen ausgewirkt hat in ihrer Entscheidung, ob sie konkurrierende Suchdienste vorinstallieren.
Weitere Informationen zu dieser Wettbewerbssache enthält das Factsheet.
Diese Untersuchung wird getrennt von der laufenden kartellrechtlichen Prüfung anderer Aspekte des Verhaltens von Google im EWR geführt, die beispielsweise die Bevorzugung der anderen spezialisierten Suchdienste von Google in den Ergebnissen der allgemeinen Google-Suche und Bedenken im Hinblick auf das Kopieren von Webinhalten konkurrierender Unternehmen („Scraping“), Exklusivwerbung und übermäßige Beschränkungen für werbende Unternehmen betrifft.
Hintergrundinformationen zum Verfahren
Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, die den Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder einschränken kann. Wie diese Bestimmung umzusetzen ist, regelt die Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates), die sowohl von der Kommission als auch von den Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten angewendet werden kann.
Die Kommission hat heute einen Beschluss erlassen, mit dem auch gegen die Muttergesellschaft von Google, Alphabet Inc., im Rahmen der Android-Untersuchung ein Verfahren eingeleitet wird. Alphabet Inc. ist nach Einleitung des Verfahrens gegen Google gegründet worden. Die oben zusammengefasste Mitteilung der Beschwerdepunkte ist sowohl an Google als auch an Alphabet Inc. gerichtet.
Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften, mit dem sie die Parteien schriftlich von den gegen sie vorliegenden Beschwerdepunkten in Kenntnis setzt. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen. Die Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor, da die Kommission einen abschließenden Beschluss erst erlässt, wenn die Parteien ihre Verteidigungsrechte wahrgenommen haben.
Für den Abschluss kartellrechtlicher Untersuchungen zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen gilt für die Kommission keine zwingende Frist. Die Dauer einer kartellrechtlichen Untersuchung hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. der Komplexität der Sache, dem Umfang, in dem das betroffene Unternehmen mit der Kommission kooperiert, und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Weitere Informationen werden unter der Nummer der Wettbewerbssache 40099 im öffentlich zugänglichen Register auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlicht.
Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet der Infopunkt der Berliner Vertretung der Europäischen Kommission per infoeuropa-punkt [dot] de (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 20. April 2016
- Autor
- Vertretung in Deutschland