Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Wir benutzen unsere Smartphones mittlerweile für viele Dinge und immer häufiger auch als mobile Geldbörsen, um Fahrscheine zu lösen oder sonstige sichere Zahlungen zu tätigen. Mit diesem Beschluss stellen wir sicher, dass die Übernahme von NXP durch Qualcomm Verbraucherinnen und Verbraucher nicht daran hindert, weiterhin zu wettbewerbsfähigen Preisen von den Vorteilen dieser innovativen Technologien zu profitieren.“
Dem heutigen Beschluss war eine eingehende Prüfung der vorgeschlagenen Übernahme von NXP durch Qualcomm vorangegangen. Mit ihren äußerst komplementären Produkten verfügen Qualcomm und NXP über eine beherrschende bzw. starke Stellung auf dem Markt und über umfassende Rechte des geistigen Eigentums, die für Smartphone-Hersteller von Bedeutung sind:
- Qualcomm entwickelt und vertreibt in erster Linie Basisband-Chipsätze für Smartphones. Über diese Chips lassen sich Smartphones mit Mobilfunknetzen verbinden.
- NXP vertreibt mehrere Arten von Halbleitern, u. a. NFC-Chips (Nahfeldkommunikation) und SE-Chips („Secure Elements“) für Smartphones. Diese Chips ermöglichen eine Konnektivität geringer Reichweite und werden insbesondere eingesetzt, um sichere Zahlungstransaktionen über Smartphones zu ermöglichen.
- NXP ist ferner der Entwickler und Eigentümer der führenden MIFARE-Technologie, die von mehreren Verkehrsbetrieben im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) als Plattform für den Verkauf von Fahrkarten verwendet wird.
- Sowohl Qualcomm als auch NXP verfügen über zahlreiche Rechte des geistigen Eigentums, darunter standardessenzielle und nicht standardessenzielle Patente im Bereich der NFC-Chips.
Die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission
Nach ihrer eingehenden Marktuntersuchung hatte die Kommission folgende wettbewerbsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den angemeldeten Zusammenschluss:
- Das zusammengeschlossene Unternehmen hätte sowohl die Fähigkeit als auch den Anreiz gehabt, durch eine Erhöhung der Lizenzgebühren oder die vollständige Einstellung der Lizenzierung von MIFARE anderen Anbietern den Zugang zur MIFARE-Technologie von NXP zu erschweren. Das zusammengeschlossene Unternehmen wäre ferner auch in der Lage und versucht gewesen, die Interoperabilität zwischen den Basisband-Chipsätzen von Qualcomm und den NFC- und SE-Chips von NXP einerseits und den Produkten von Gegenspielern andererseits zu verringern. Dadurch hätten die Smartphone-Hersteller bevorzugt auf die Produkte des zusammengeschlossenen Unternehmens statt auf diejenigen der Konkurrenten zurückgegriffen, sodass die Gefahr bestanden hätte, dass Wettbewerber vom Markt verdrängt werden.
- Durch den Zusammenschluss wären die umfangreichen Portfolios an Rechten des geistigen Eigentums der beiden Unternehmen im Bereich der NFC-Technologie zusammengelegt worden, was dem zusammengeschlossenen Unternehmen mehr Verhandlungsmacht eingeräumt hätte, sodass es deutlich höhere Lizenzgebühren für seine NFC-Patente hätte verlangen können, als es ohne den Zusammenschluss der Fall gewesen wäre.
Anfangs hatte die Kommission auch Bedenken wegen möglicher Auswirkungen auf den Wettbewerb auf dem Markt für Halbleiter für die Automobilindustrie. Diese Bedenken haben sich in der eingehenden Untersuchung allerdings nicht bestätigt.
Die vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen
Um diese wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, hat Qualcomm folgende Verpflichtungen angeboten:
- Um die Bedenken in Bezug auf MIFARE auszuräumen, hat sich Qualcomm dazu bereit erklärt, über einen Zeitraum von acht Jahren Lizenzen für die MIFARE-Technologie und -Marken von NXP zu Bedingungen zu vergeben, die mindestens genauso attraktiv sind wie heute. So hätten Wettbewerber des zusammengeschlossenen Unternehmens Zugang zur Technologie und den Marken von MIFARE und könnten in einen wirksamen Wettbewerb mit dem zusammengeschlossenen Unternehmen treten.
- Bei den Bedenken hinsichtlich der Interoperabilität hat Qualcomm zugesagt, über einen Zeitraum von acht Jahren dasselbe Maß an Interoperabilität der eigenen Basisband-Chipsätze und der von NXP übernommenen NFC- und SE-Produkte mit ähnlichen Produkten anderer Unternehmen zu gewährleisten.
- Und schließlich wurde Folgendes vereinbart, um die Bedenken der Kommission in Bezug auf die Lizenzierungen der NFC-Patente von NXP auszuräumen:
o Qualcomm hat zugesagt, die standardessenziellen NFC-Patente von NXP nicht zu erwerben.Ferner hat sich das Unternehmen dazu bereit erklärt, auf den Erwerb bestimmter nicht standardessenzieller NFC-Patente von NXP zu verzichten. NXP wird diese Patente an einen Dritten übertragen, der verpflichtet ist, für diese Patente drei Jahre lang weltweite gebührenfreie Lizenzen zu vergeben.
o Qualcomm wird zwar bestimmte andere nicht standardessenzielle NFC-Patente von NXP erwerben, hat jedoch zugesagt, solange es Inhaber dieser Patente ist, i) seine Rechte gegenüber anderen Unternehmen nicht durchzusetzen; und ii) weltweite gebührenfreie Lizenzen für diese Patente zu vergeben.
Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der vorgeschlagene Zusammenschluss in der durch die Verpflichtungszusagen geänderten Form keinen Anlass mehr zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gibt. Die Genehmigung der Kommission ist an die Bedingung geknüpft, dass die Verpflichtungen uneingeschränkt erfüllt werden.
Unternehmen und Produkte
Qualcomm ist ein führender Halbleiterhersteller, der integrierte Schaltungen für Mobilgeräte, insbesondere Basisband-Chips, entwickelt und vertreibt. Qualcomm vergibt auch Lizenzen für die Rechte an seinem Portfolio des geistigen Eigentums, so auch Patentrechte, die für die Umsetzung mobiler Kommunikationsstandards in der Produktion drahtloser Geräte von großer Bedeutung sind.
NXP Semiconductors produziert und verkauft verschiedene Kategorien von Halbleitern, u. a. Halbleiter für die Automobilindustrie und für den Mobilgerätesektor, vor allem NFC-Lösungen.
Fusionskontrollvorschriften und -verfahren
Das Vorhaben wurde am 28. April 2017 bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet. Am 9. Juni 2017 leitete diese eine eingehende Untersuchung ein.
Die Kommission hat die Aufgabe, Fusionen und Übernahmen von Unternehmen zu prüfen, deren Umsatz bestimmte Schwellenwerte übersteigt (siehe Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung), und Zusammenschlüsse zu untersagen, die den wirksamen Wettbewerb im gesamten EWR oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern würden.
Der weitaus größte Teil der angemeldeten Zusammenschlüsse ist wettbewerbsrechtlich unbedenklich und wird nach einer Standardprüfung genehmigt. Nach der Anmeldung muss die Kommission in der Regel innerhalb von 25 Arbeitstagen entscheiden, ob sie das Vorhaben im Vorprüfverfahren (Phase I) genehmigt oder ein eingehendes Prüfverfahren (Phase II) einleitet.
Derzeit laufen fünf eingehende Prüfverfahren (Phase II). Dabei geht es um die geplante Übernahme von Cristal durch Tronox, die geplante Übernahme von Ilva durch ArcelorMittal, den geplanten Zusammenschluss von Essilor und Luxottica, die geplante Übernahme von Monsanto durch Bayer und die geplante Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens von Celanese und Blackstone.
Weitere Informationen zu dieser Wettbewerbssache werden auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer M.8306 veröffentlicht.
Weitere Informationen:
Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 19. Januar 2018
- Autor
- Vertretung in Deutschland