Die Europäische Kommission hat ein Verfahren eingeleitet, um den von der Deutschen Lufthansa AG („Lufthansa“) und dem italienischen Ministerium für Wirtschaft und Finanzen („MEF“) geplanten Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über ITA Airways („ITA“) eingehend zu prüfen. Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, zuständig für Wettbewerbspolitik sagte, die Kommission wolle den Zusammenschluss genauer untersuchen und sicherstellen, dass die Übernahme von ITA weder zu einer Verringerung des Wettbewerbs auf Kurz- und Langstrecken führt, noch zu höheren Preisen, geringeren Kapazitäten oder einer geringeren Qualität der Passagierluftverkehrsdienste innerhalb und außerhalb Italiens.
Die Kommission hat derzeit Bedenken, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf dem Markt für Passagierluftverkehrsdienste auf einigen Kurz- und Langstrecken innerhalb und außerhalb Italiens verringern könnte.
Lufthansa und ITA betreiben ein weitreichendes Netz, das Inlandsstrecken, Kurzstrecken im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und Langstrecken zwischen dem EWR und der übrigen Welt umfasst. Im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens stimmen Lufthansa, United Airlines und Air Canada auf transatlantischen Strecken Preise, Kapazitäten und Flugpläne ab und teilen Einnahmen untereinander auf.
Vorläufige Bedenken der Kommission
Die vorläufige Untersuchung ergab, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf dem Markt für Passagierluftverkehrsdienste auf einigen Kurz- und Langstrecken verringern könnte. Lufthansa und ITA sind als Anbieter von Passagierluftverkehrsdiensten auf bestimmten Strecken nach Italien und auf bestimmten von Italien ausgehenden Strecken starke und enge Wettbewerber.
Im Einzelnen stellte die Kommission Folgendes fest:
- Der Zusammenschluss könnte auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu geringerem Wettbewerb führen. Auf einigen solchen Strecken stehen Lufthansa und ITA mit Nonstop-Flügen in direktem Wettbewerb zueinander, wobei sie nur einem begrenzten Wettbewerbsdruck durch andere Fluggesellschaften – in erster Linie durch Billigfluggesellschaften wie Ryanair, die oftmals von abgelegeneren Flughäfen aus tätig sind, – ausgesetzt sind. Zudem wird die Kommission Strecken untersuchen, auf denen einer der Beteiligten, d. h. Lufthansa oder ITA, bereits Dienstleistungen anbietet und der andere voraussichtlich in naher Zukunft tätig sein wird, sowie Strecken, auf denen von einem Beteiligten oder beiden eine praktische Verbindung mit nur einer Zwischenlandung angeboten wird und Nonstop-Verbindungen nur begrenzt vorhanden sind oder nur von dem anderen Beteiligten angeboten werden.
- Im Hinblick auf Langstrecken zwischen Italien und Nordamerika wird die Kommission genauer prüfen, ob die Geschäftstätigkeiten von ITA, Lufthansa und deren Joint-Venture-Partnern United Airlines und Air Canada nach dem Zusammenschluss als Tätigkeiten eines einzigen Unternehmens behandelt werden sollten.
- Der Zusammenschluss könnte zur Verringerung des Wettbewerbs auf einigen Langstrecken zwischen Italien und den USA, Kanada, Japan und Indien führen, da ITA, Lufthansa oder die Joint-Venture-Partner von Lufthansa mit Nonstop-Verbindungen oder praktischen Verbindungen mit nur einer Zwischenlandung und günstig gelegenen Flughäfen untereinander in engem Wettbewerb stehen und von anderen Fluggesellschaften mit attraktiven Verbindungen möglicherweise nur geringer Wettbewerbsdruck ausgeübt wird.
- Der Zusammenschluss könnte eine beherrschende Stellung von ITA am Flughafen Mailand-Linate schaffen oder stärken, sodass es für Wettbewerber schwieriger werden könnte, auf den Strecken von und nach Mailand-Linate Personenluftverkehrsdienste anzubieten.
- Die Kommission wird zudem mögliche negative Auswirkungen auf Strecken untersuchen, auf denen andere Fluggesellschaften für ihre eigene Tätigkeit auf den Zugang zum Inlandsflug- und Kurzstreckenflugnetz von ITA angewiesen sind. Solche Auswirkungen könnten die Luftverkehrsdienste dieser Gesellschaften auf internationalen Strecken beeinträchtigen, die auch von Lufthansa bedient werden.
Anmeldung zur Genehmigung Ende November 2023, ergänzende Angebote im Januar
Der Zusammenschluss wurde am 30. November 2023 bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet. Am 8. Januar 2024 legte Lufthansa Verpflichtungsangebote vor, um einige vorläufige Bedenken der Kommission auszuräumen. Diese Angebote waren jedoch weder umfassend genug noch hinreichend wirksam, um die vorläufigen Bedenken der Kommission vollständig auszuräumen. Daher holte die Kommission keine Stellungnahmen von Marktteilnehmern dazu ein.
Nun muss die Kommission innerhalb von 90 Arbeitstagen, also spätestens am 6. Juni 2024, einen Beschluss erlassen. Das eingehende Prüfverfahren wird ergebnisoffen geführt.
Unternehmen und Produkte
ITA ist eine italienische Fluggesellschaft mit umfassenden Dienstleistungsangebot („Full-Service Carrier“), die In- und Auslandsflüge zur Beförderung von Fluggästen und von Luftfracht anbietet. Ihre Drehkreuze befinden sich an den Flughäfen Rom und Mailand. Die im Oktober 2020 vom italienischen Staat gegründete Fluggesellschaft ist Mitglied der Luftfahrtallianz SkyTeam.
Der weltweit aufgestellte Full-Service Carrier Lufthansa mit Sitz in Deutschland bietet In- und Auslandsflüge zur Beförderung von Fluggästen und von Luftfracht an. Ihre wichtigsten Drehkreuze befinden sich an den Flughäfen Frankfurt, München, Zürich, Wien und Brüssel. Zu ihren Tochtergesellschaften zählen Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings, Swiss International Airlines und Air Dolomiti. Lufthansa ist Mitglied der Star Alliance und arbeitet mit United Airlines und Air Canada in einem transatlantischen Gemeinschaftsunternehmen zusammen.
Das MEF nimmt die Aufgaben und Zuständigkeiten der italienischen Regierung in den Bereichen Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik wahr. Es hält Beteiligungen an öffentlichen und strategisch wichtigen Unternehmen in Italien, auch im Verkehrssektor, und ist derzeit alleiniger Anteilseigner von ITA. Die Unternehmen, an denen das MEF Beteiligungen hält, sind weltweit tätig.
Fusionskontrollvorschriften und -verfahren
Die Kommission hat die Aufgabe, Fusionen und Übernahmen von Unternehmen zu prüfen, deren Umsatz bestimmte Schwellenwerte übersteigt (vgl. Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung), und Zusammenschlüsse zu untersagen, die den wirksamen Wettbewerb im gesamten oder in einem wesentlichen Teil des EWR erheblich behindern würden.
Der weitaus größte Teil der angemeldeten Zusammenschlüsse ist wettbewerbsrechtlich unbedenklich und wird nach einer Standardprüfung genehmigt. Nach der Anmeldung eines Vorhabens muss die Kommission in der Regel innerhalb von 25 Arbeitstagen entscheiden, ob sie das Vorhaben im Vorprüfverfahren (Phase I) genehmigt oder ein eingehendes Prüfverfahren (Phase II) einleitet.
Neben dem Verfahren in dieser Sache laufen derzeit drei weitere eingehende Prüfverfahren. Diese betreffen i) die geplante Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens von Orange und MasMovil, ii) die geplante Übernahme von Asiana durch Korean Air und iii) die geplante Übernahme von iRobot durch Amazon.
Weitere Informationen zu dieser Wettbewerbssache werden auf der Website der GD Wettbewerb im öffentlich zugänglichen Register der Kommission unter der Nummer M.11071 veröffentlicht.
Weitere Informationen
Pressekontakt: fabian [dot] weberec [dot] europa [dot] eu (Fabian Weber), Tel.: +49 (30) 2280-2250. Mehr Informationen zu allen Pressekontakten hier.
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageerlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 24. Januar 2024
- Autor
- Vertretung in Deutschland