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Vertretung in Deutschland
Pressemitteilung29. Februar 2024Vertretung in DeutschlandLesedauer: 5 Min

Nach polnischen Reformen zu Rechtsstaat/Justiz: Zugang zu 137 Mrd. Euro an EU-Mitteln

Es sind zwei EU Flaggen zu sehen.
European Union 2021

Die Europäische Kommission ebnet den Weg zur Freigabe von bis zu 137 Milliarden Euro an EU-Mitteln für Polen. Zwei heute angenommene Rechtsakte beziehen sich auf die von Polen verabschiedeten Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sowie auf die jüngsten Schritte, die das Land unternommen hat, um die vereinbarten Meilensteine zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz zu erreichen. Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission, erklärte: „Heute ist ein bedeutender Tag für Polen. Dank seiner Bemühungen um die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit können wir nun den Zugang zu NextGenerationEU und zu den Kohäsionsfonds freigeben. Wir sind der Ansicht, dass Polen seine ersten 38 Meilensteine und Ziele erreicht hat, indem es wichtige Reformen auf den Weg gebracht hat.

Eine Kernmaßnahme im nationalen polnischen Plans im Rahmen des EU-Wiederaufbauprogramms NextGeneration EU seien Investitionen in den Agrarsektor, um Landwirten und Fischern zu helfen, ihre Produktion zu modernisieren und neue Märkte zu erschließen, erklärte Dombrovskis. „Zu den weiteren Maßnahmen gehören die Verbesserung der Kinderbetreuung und der Luftqualität sowie die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der polnischen Wirtschaft. Nach der Genehmigung durch die Mitgliedstaaten wird Polen 6,3 Milliarden Euro erhalten. Wichtig ist, dass Polen dann auch Erstattungen für Investitionen im Rahmen der Kohäsionspolitik beantragen kann.

NextGenerationEU: Bewertung des polnischen Zahlungsantrags abgeschlossen

Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) – dem Herzstück von NextGeneration EU –   hat die Kommission ihre vorläufige Bewertung des ersten Zahlungsantrags Polens abgeschlossen. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Polen die beiden „Super-Meilensteine“ zur Stärkung wichtiger Aspekte der Unabhängigkeit der polnischen Justiz durch die Reform der Disziplinarordnung für Richter in zufriedenstellender Weise erfüllt hat.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist die Verpflichtung Polens, Arachne zu nutzen. Das ist ein IT-Tool, das die Prüfungs- und Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten unterstützt und somit die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Betrug gewährleistet.

Nach Bestätigung durch die Mitgliedstaaten würde die heutige Bewertung der Kommission die Auszahlung von 6,3 Milliarden Euro (abzüglich der Vorfinanzierung) in den kommenden Wochen ermöglichen. Insgesamt stehen Polen im Rahmen der ARF bis zu 59,8 Milliarden Euro zu, darunter 25,3 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und 34,5 Milliarden Euro in Form von Darlehen.

Erfüllung der EU-Grundrechtecharta macht Weg frei für Auszahlung von weiteren Fördermitteln

Die Kommission ist mit Blick auf diese Reformen außerdem der Ansicht, dass Polen nun die horizontale Bedingung der EU-Grundrechtecharta erfüllt. Somit kann das Land bis zu 76,5 Milliarden Euro im Rahmen der Kohäsionspolitik, der Europäischen Meeres- und Fischereipolitik sowie Unterstützung im Bereich Innenpolitik für den Zeitraum 2021-2027 in Anspruch nehmen.

Nach einer gründlichen Bewertung kam die Kommission zu folgendem Schluss: Polen hat die erforderlichen Maßnahmen für Mechanismen und Regelungen ergriffen, die gewährleisten, dass die EU-Grundrechtecharta bei der Konzeption der Programme und während ihrer gesamten Durchführung beachtet wird.

Zum Zeitpunkt der Genehmigung der Programme im Jahr 2022 hatte Polen in seiner Selbstbewertung angegeben, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt sei. Um dies anzugehen, hat Polen nun mehrere Maßnahmen eingeführt:

  • Polen hat wirksame institutionelle und verfahrenstechnische Vorkehrungen getroffen, um die Einhaltung der Charta in allen Phasen der Programmierung und Umsetzung der Finanzierungsprogramme zu gewährleisten. Die Rollen und Zuständigkeiten von Stellen wie dem Menschenrechtsbeauftragten und den Koordinatoren der Charta sind klar definiert. Außerdem wurden ein wirksamer Beschwerdemechanismus und Regelungen für die Berichterstattung eingeführt;
  • Polen hat sich mit Fragen der Unabhängigkeit der Justiz befasst, indem es die Disziplinarordnung für Richter reformiert hat. Darüber hinaus können die polnischen Gerichte Überprüfungsverfahren einleiten, um festzustellen, ob ein Richter die Anforderungen an die Unabhängigkeit erfüllt, die sich aus Artikel 19 EUV zur Rechtsstaatlichkeit ergeben.

Die Kommission begrüßt auch die Zusage der polnischen Regierung, die seit langem bestehenden Bedenken in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit auszuräumen, die über die Empfehlungen der Kommission zur Disziplinarordnung für Richter hinausgehen. Auf der Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ am 20. Februar hatten die polnischen Behörden einen ehrgeizigen Aktionsplan zur Rechtsstaatlichkeit in Polen vorgelegt, um die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 aufgeworfenen Fragen anzugehen.

Maßnahmen zur Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit

Die Kommission kam heute zu dem Schluss, dass mit den zwischen Juni 2022 und Februar 2024 getroffenen Maßnahmen die Disziplinarordnung für polnische Richter umfassend reformiert wurde.

Die von den polnischen Behörden ergriffenen Maßnahmen werden wichtige Aspekte der Unabhängigkeit der polnischen Justiz stärken und das Investitionsklima in Polen insgesamt verbessern:

  • Die Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs wurde abgeschafft und durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht ersetzt, das durch das am 9. Juni 2022 verabschiedete Gesetz geschaffen wurde, nämlich die Berufshaftpflichtkammer (Gesetz vom Juni 2022).
  • Die Disziplinarordnung wurde reformiert, und es wurden Schutzvorkehrungen getroffen, damit Richterinnen und Richter nicht mehr Gefahr laufen, wegen des Inhalts ihrer Urteile oder wegen der Anwendung des EU-Rechts disziplinarisch belangt zu werden. Dies wurde durch das Gesetz vom Juni 2022 und den Erlass des Justizministers vom Februar 2024 erreicht, in dem der Rahmen für die Ernennung von Ad-hoc-Disziplinarkommissaren festgelegt ist, was die Einstellung ungerechtfertigter Disziplinarverfahren ermöglicht.
  • Alle Richter, die von den Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffen waren, hatten das Recht, ihren Fall innerhalb eines klaren Zeitrahmens und auf der Grundlage der im Gesetz vom Juni 2022 festgelegten neuen Regelung von einer neuen Kammer des Obersten Gerichtshofs überprüfen zu lassen. Alle Richter, die zu Unrecht suspendiert worden waren, wurden wieder in ihr Amt eingesetzt.

Darüber hinaus wird in dem von Polen vorgelegten Aktionsplan eindeutig bekräftigt, dass das Land den Vorrang des Unionsrechts und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) respektieren wird. Dazu gehört auch das Urteil des EuGH vom 5. Juni 2023 (Rechtssache C-204/21), in dem einige Bestimmungen des polnischen Gesetzes über Disziplinarvergehen von Richtern für unionsrechtswidrig erklärt werden, was alle nationalen Behörden und insbesondere alle nationalen Gerichte dazu verpflichtet, die Anwendung dieser Bestimmungen rückgängig zu machen.

Polen wird Mitglied der Europäischen Staatsanwaltschaft

Die Kommission hat heute auch einen Beschluss angenommen, der die Beteiligung Polens an der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) bestätigt. Entsprechend dem Antrag Polens an die Kommission wird die EPPO für die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zuständig sein, die nach dem 1. Juni 2021 in Polen begangen werden.

Polen wird zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kommissionsbeschlusses Teil der EPPO. Die Europäische Staatsanwaltschaft wird zwanzig Tage nach der Ernennung des Europäischen Staatsanwalts aus Polen durch den Rat ihre Tätigkeit und ihre Ermittlungen in Polen aufnehmen können.

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Datum der Veröffentlichung
29. Februar 2024
Autor
Vertretung in Deutschland