Die EU-Kommission hat nach den EU-Beihilfevorschriften ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse („IPCEI“ für das englische „Important Project of Common European Interest“) genehmigt, um die Forschung, Innovation und erste industrielle Nutzung in den Bereichen Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie in der gesamten Wertschöpfungskette zu unterstützen. Das Projekt mit der Bezeichnung „IPCEI ME/CT“ wurde von vierzehn Mitgliedstaaten gemeinsam vorbereitet und angemeldet – dazu gehört auch Deutschland.
Die Mitgliedstaaten werden bis zu 8,1 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln bereitstellen, wodurch zusätzliche private Investitionen im Umfang von 13,7 Milliarden Euro mobilisiert werden dürften. Im Rahmen dieses IPCEI werden 56 Unternehmen, darunter kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Start-up-Unternehmen, 68 Vorhaben durchführen.
Margrethe Vestager, für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, wies darauf hin, dass es sich bei diesem IPCEI um das bislang größte handelt. „Innovationen sind von entscheidender Bedeutung, damit die europäische Wirtschaft grüner und krisenfester wird. Innovation kann jedoch Risiken bergen, die der Markt allein nicht eingehen kann. Deshalb sollten staatliche Beihilfen bereitgestellt werden, um eine solche Lücke zu schließen.“ EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton: „Dieses jüngste IPCEI, das heute genehmigt wurde, ist ein weiterer Beleg für das Chip-Gesetz der EU, das bereits erhebliche öffentliche und private Investitionen in der gesamten europäischen Halbleiter-Wertschöpfungskette nach sich zieht: vom Werkstoff bis zum Entwurf, von der Ausrüstung bis hin zur fortgeschrittenen Verpackung.“
Das IPCEI ME/C
Das IPCEI ME/CT betrifft Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie in der gesamten Wertschöpfungskette, von Materialien und Werkzeugen bis hin zu Chipdesign und Herstellungsprozessen.
Diese Vorhaben zielen darauf ab, den digitalen und ökologischen Wandel zu ermöglichen, indem i) innovative Mikroelektronik- und Kommunikationslösungen und ii) energieeffiziente und ressourcensparende Elektroniksysteme und Herstellungsmethoden konzipiert werden. Sie werden zum technologischen Fortschritt in vielen Branchen beitragen, darunter Kommunikation (5G und 6G), autonomes Fahren, künstliche Intelligenz und Quanteninformatik. Diese Vorhaben werden auch Unternehmen, die in den Bereichen Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung tätig sind, die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft erleichtern.
Erste neuartige Produkte können bereits 2025 auf den Markt gebracht werden. Der Abschluss des Gesamtvorhabens ist für 2032 geplant, wobei die Fristen je nach Projekt und beteiligten Unternehmen variieren. Es wird erwartet, dass rund 8.700 direkte Arbeitsplätze und viele weitere indirekte Arbeitsplätze geschaffen werden.
Das IPCEI ME/CT schließt sich an das erste IPCEI zur Unterstützung von Forschung und Innovation auf dem Gebiet der Mikroelektronik an, das von der Kommission im Dezember 2018 genehmigt wurde.
Bewertung durch die Kommission
Die Kommission hat das geplante IPCEI nach den EU-Beihilfevorschriften und insbesondere ihrer Mitteilung über wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse aus dem Jahr 2021 geprüft. Wenn es wegen der signifikanten Risiken solcher Vorhaben an privaten Initiativen zur Förderung bahnbrechender Innovationen fehlt, können die Mitgliedstaaten gemäß der IPCEI-Regeln diesem signifikanten Marktversagen begegnen, indem sie die Finanzierungslücke gemeinsam schließen. Gleichzeitig stellen die IPCEI-Regeln sicher, dass die EU-Wirtschaft insgesamt von den geförderten Investitionen profitiert und mögliche Wettbewerbsverzerrungen begrenzt werden.
Die Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass „IPCEI ME/CT“ alle in der Mitteilung festgelegten Voraussetzungen erfüllt und mit dem EU-Beihilferecht in Einklang steht.
Insbesondere stellte die Kommission Folgendes fest:
- Das IPCEI ME/CT trägt unmittelbar zur Verwirklichung mehrerer EU-Ziele im Hinblick auf eine grünere, digitale, sicherere, krisenfestere und souveräne Wirtschaft bei, die in wichtigen politischen Initiativen der EU, wie Europas digitaler Dekade und dem europäischen Grünen Deal, verankert sind.
- Alle 68 Vorhaben, die Teil des IPCEI sind, sind sehr ambitioniert, da sie auf die Entwicklung von Technik abzielen, die über das hinausgeht, was der Markt derzeit bietet, und wesentliche Verbesserungen ermöglichen, insbesondere in den Bereichen Sensoren, Hochleistungsprozessoren, Mikroprozessoren einschließlich künstlicher Intelligenz, Aktuatoren und Kommunikationsmitteln für einen sicheren Datenaustausch.
- Das IPCEI birgt auch erhebliche technologische und finanzielle Risiken. Die öffentliche Unterstützung ist daher erforderlich, um den Unternehmen Investitionsanreize zu bieten.
- Beihilfen für einzelne Unternehmen sind auf das erforderliche und angemessene Maß beschränkt und bewirken daher keine übermäßige Verfälschung des Wettbewerbs. Die Kommission hat sich ins besondere vergewissert, dass die geplanten Beihilfehöchstbeträge mit den beihilfefähigen Kosten der Vorhaben und den Finanzierungslücken übereinstimmen. Außerdem gibt es einen Rückforderungsmechanismus, da die Unternehmen einen Teil der erhaltenen Beihilfen an die betreffenden Mitgliedstaaten zurückzahlen werden, wenn große Vorhaben im Rahmen des IPCEI sehr erfolgreich sind und zusätzliche Nettoerträge abwerfen.
- Die Ergebnisse des Vorhabens werden von den beteiligten Unternehmen, die die öffentliche Förderung erhalten, an die europäische Wissenschaftsgemeinschaft und die Industrie über die Unternehmen und Länder hinaus, die Teil des IPCEI sind, umfassend geteilt, weitergegeben. Das geschieht u. a. durch Konferenzen, Veröffentlichungen, den Zugang zu Pilot- und Produktionsanlagen oder die Lizenzierung von Rechten des geistigen Eigentums. Auf diese Weise werden in ganz Europa positive Ausstrahlungseffekte erzielt.
Finanzierung, Teilnehmer und Struktur des IPCEI
Das IPCEI umfasst 68 Vorhaben von 56 Unternehmen. Die direkten Teilnehmer werden untereinander und in über 180 geplanten länderübergreifenden Vorhaben eng zusammenarbeiten.
Die 68 Vorhaben sind Teil des umfassenderen IPCEI ME/CT-Ökosystems mit über 30 Teilnehmern, darunter Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus fünf weiteren EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Lettland, Portugal, Slowenien und Ungarn) sowie aus Norwegen. Die öffentliche Förderung von Vorhaben, die von Forschungseinrichtungen durchgeführt werden, bedarf keiner Genehmigung durch die Kommission, da sie nicht als Beihilfe einzustufen ist. Die Unternehmen, die begrenzte Beihilfebeträge beantragen, können die öffentliche Förderung im Rahmen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung erhalten; die betreffenden Beihilfen müssen nicht bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet werden. Ihre innovativen Projekte gelten als solche nicht als Teil des IPCEI.
Darüber wirken über 600 indirekte Partner mit, bei denen es sich um Unternehmen oder Organisationen handelt, die Kooperationsvereinbarungen mit einem oder mehreren direkten Teilnehmern von IPCEI ME/CT geschlossen haben und daher von den verschiedenen Verbreitungsaktivitäten profitieren können.
Mehrere Mitgliedstaaten (Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Österreich, Rumänien, die Slowakei Spanien und Tschechien) haben ihre Teilnahme am IPCEI ME/CT in ihre Aufbau- und Resilienzpläne aufgenommen. Damit haben diese Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihre Projekte teilweiseüber die Aufbau- und Resilienzfazilität zu finanzieren.
Weitere Informationen über die Höhe der Beihilfen für die einzelnen Teilnehmer werden in der öffentlich zugänglichen Fassung des Kommissionsbeschlusses veröffentlicht, sobald noch offene Vertraulichkeitsfragenmit den Mitgliedstaaten und Dritten geklärt worden sind.
Weitere Informationen
Vollständige Pressemitteilung vom 8. Juni
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 8. Juni 2023
- Autor
- Vertretung in Deutschland