Die Europäische Kommission hat im Rahmen ihrer monatlichen Entscheidungen zu Vertragsverletzungsverfahren auch Beschlüsse zu Deutschland getroffen. In einem ursprünglich von Polen gegen Deutschland eingeleitetem Verfahren wegen der illegalen Verbringung von Abfällen von Deutschland nach Polen hat die Kommission eine sogenannte mit Gründen versehene Stellungnahme gegen Deutschland abgegeben. Aus Sicht der Kommission hat Deutschland in bestimmten Fällen gegen seine Verpflichtung verstoßen, Abfälle innerhalb der Frist von 30 Tagen zurückzunehmen. Die Kommission konnte aber keine mangelnde loyale Zusammenarbeit Deutschlands mit Polen feststellen. In einem zweiten Verfahren geht es um Verfahrensgarantien für Kinder in Strafverfahren. Die Kommission ist der Auffassung, dass Deutschland die geltende Richtlinie, die Mindeststandards für Kinder in Strafverfahren gewährleistet, noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt hat.
Umwelt: Illegale Verbringung von Abfällen von Deutschland nach Polen
Polen macht geltend, dass Deutschland gegen Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungsverordnung) sowie gegen Artikel 4 Absatz 3 AUV (Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit) verstoßen hat, da es die Rücknahme illegal an sieben Standorte in Polen verbrachter Abfälle verweigert.
Die Kommission vertritt in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme die Auffassung, dass Deutschland hinsichtlich Standort 1 (Tuplice) und teilweise hinsichtlich Standort 2 (Stary Jawor) gegen seine Verpflichtung aus Artikel 24 Absatz 2 der Abfallverbringungsverordnung, Abfälle innerhalb der Frist von 30 Tagen zurückzunehmen, verstoßen hat. Die Feststellung in Bezug auf den Standort 2 betrifft lediglich Verbringungen durch einige Betreiber, die offensichtlich wussten, dass der Empfänger der Abfälle nicht über die erforderliche Genehmigung verfügte.
Die Kommission hat bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine hinreichenden Beweise für die Illegalität der anderen vom Beschwerdeführer angeführten Verbringungen gefunden. Polen hatte insbesondere beanstandet, dass Deutschland die Rücknahme von Abfall von den anderen Standorten innerhalb der Frist von 30 Tagen verweigert hatte. Die Kommission hat außerdem festgestellt, dass das Vorbringen der Republik Polen, die Bundesrepublik Deutschland habe gegen Artikel 28 Absatz 2 der Abfallverbringungsverordnung verstoßen, da sie die Einstufung der Abfälle an einigen Standorten abgelehnt habe, unbegründet ist, da die Herkunft der Abfälle aus Deutschland strittig ist. Ferner konnte die Kommission keine mangelnde loyale Zusammenarbeit Deutschlands mit Polen feststellen.
Nach Artikel 259 AEUV kann jeder Mitgliedstaat den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Zuvor muss der Mitgliedstaat jedoch die Kommission mit der Angelegenheit befassen, die eine mit Gründen versehene Stellungnahme erlässt, nachdem sie den beteiligten Staaten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
Polen hat am 26. Juli 2023 eine Beschwerde gegen Deutschland eingereicht. Die Kommission hat sowohl Polen als auch Deutschland am 20. September 2023 angehört. Nach dem Erlass der mit Gründen versehenen Stellungnahme durch die Kommission kann Polen beschließen, den Fall vor den Gerichtshof der Europäischen Union zu bringen.
Verfahrensgarantien für Kinder in Strafverfahren
Die Kommission fordert Deutschland zudem auf, die Richtlinie über Verfahrensgarantien für Kinder in Strafverfahren (Richtlinie (EU) 2016/800) vollständig in nationales Recht umzusetzen. Die Kommission hat dazu ein ergänzendes Aufforderungsschreiben an Deutschland (INFR(2019)0183) geschickt. Ziel dieser Richtlinie ist es, gemeinsame Mindeststandards für die Rechte von Kindern, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, auf ein faires Verfahren in der gesamten EU zu gewährleisten.
Neben Deutschland fordert die Kommission auch Ungarn, die Niederlande, Österreich, Rumänien, die Slowakei und Schweden auf, die Richtlinie umzusetzen. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese sieben Mitgliedstaaten einige Anforderungen der Richtlinie in Bezug auf materielle Rechte nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Die Mitgliedstaaten haben zudem die Anforderung nicht erfüllt, in die Umsetzungsmaßnahmen oder die Begleitmaßnahmen einen Verweis auf die Richtlinie aufzunehmen.
Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um die notwendigen Maßnahmen zur Behebung der von der Kommission festgestellten Mängel zu ergreifen. Andernfalls kann die Kommission mit Gründen versehene Stellungnahmen übermitteln.
Weitere Informationen
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 18. Oktober 2023
- Autor
- Vertretung in Deutschland