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Vertretung in Deutschland
Presseartikel13. Juli 2017Vertretung in DeutschlandLesedauer: 4 Min

Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen Hochschulgesetz und NGO-Gesetz

Die EU-Kommission geht weiter gegen EU-Rechtsverstöße durch die ungarische Regierung vor. Im Zusammenhang mit dem ungarischen Hochschulgesetz leitete die Kommission heute (Donnerstag) die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens ein. Wegen des...

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(13.07.2017) - Der erste Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans erklärte dazu: „Das ungarische Hochschulgesetz bringt für die Hochschulen in EU- und Nicht-EU-Ländern unverhältnismäßige Einschränkungen mit sich und muss so rasch wie möglich wieder mit EU-Recht in Einklang gebracht werden. Wir erwarten eine Reaktion der ungarischen Behörden innerhalb eines Monats. Wenn diese Reaktion nicht zufriedenstellend ausfällt, kann die Kommission beschließen, beim Gerichtshof Klage zu erheben.“

Die Kommission hat beschlossen, Ungarn eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln und damit die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens einzuleiten. Das geänderte Gesetz vom 4. April 2017 ist nämlich ein Verstoß gegen die Freiheit von Hochschuleinrichtungen, in der gesamten EU Dienstleistungen anzubieten oder sich niederzulassen. Zudem ist die Kommission nach wie vor der Meinung, dass die neuen Rechtsvorschriften dem Recht auf akademische Freiheit, dem Recht auf Bildung und der unternehmerischen Freiheit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, sowie den rechtlichen Verpflichtungen der EU gemäß dem internationalen Handelsrecht zuwiderlaufen.

Nach einer gründlichen Analyse der Antwort Ungarns auf das Aufforderungsschreiben der Kommission vom 27. April hält die Kommission an ihren Schlussfolgerungen fest, die bei der eingehenden Rechtsprüfung und der Debatte im Kollegium am 12. April und 26. April 2017 gezogen wurden und zur Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens führten. Ungarn hat nun einen Monat Zeit, um der Kommission mitzuteilen, welche Maßnahmen zur Behebung dieses Problems ergriffen wurden. Andernfalls kann die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage erheben.

Vertragsverletzungsverfahren wegen Gesetzes über nichtstaatliche Organisationen

Das neue Gesetz über nichtstaatliche Organisationen, die aus dem Ausland finanziert werden wurde am 13. Juni verabschiedet. Nach dem neuen Gesetz müssen sich bestimmte Gruppen von nichtstaatlichen Organisationen, die jährlich mehr als 7,2 Mio. Ungarische Forint (rund 24.000 Euro) an Geldern aus dem Ausland erhalten, als „vom Ausland unterstützte Organisationen“ registrieren lassen und dies auch in sämtlichen Veröffentlichungen, auf Websites und Pressematerial vermerken. Zudem müssen sie bei den ungarischen Behörden spezifische Angaben zu den Geldern aus dem Ausland machen. Wenn diese Organisationen die neuen Berichts- und Transparenzauflagen nicht erfüllen, drohen ihnen Sanktionen.

Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Kommission, erklärte dazu: „Die Zivilgesellschaft ist das Gerüst unserer demokratischen Gesellschaften. Deshalb darf sie in ihrem Wirken nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Wir haben das neue Gesetz über nichtstaatliche Organisationen gründlich geprüft und sind zu dem Schluss gelangt, dass es nicht im Einklang mit dem EU-Recht steht. Wir gehen davon aus, dass die ungarische Regierung das Gespräch suchen wird, um diese Angelegenheit so rasch wie möglich zu klären. Wir erwarten binnen eines Monats eine Reaktion der ungarischen Behörden.“

Aus Sicht der Europäischen Kommission ist das Gesetz aus folgenden Gründen nicht mit dem EU-Recht vereinbar:

  • Das Gesetz greift ungebührlich in die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte ein, insbesondere in das Recht auf Vereinigungsfreiheit. Das neue Gesetz könnte nichtstaatliche Organisationen daran hindern, Gelder einzuwerben und ihren Aufgaben nachzukommen.
  • Das Gesetz bewirkt eine nicht gerechtfertigte und unverhältnismäßige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, wie er im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert ist. Die in dem neuen Gesetz vorgesehenen Auflagen für die Registrierung, Berichterstattung und Veröffentlichung sind diskriminierend und belasten diese Organisationen – zum einen, was ihren guten Ruf angeht, zum anderen verwaltungstechnisch. Die Maßnahmen können eine abschreckende Wirkung auf Geldgeber aus dem Ausland haben und es den betroffenen Organisationen erschweren, Mittel aus ausländischen Quellen zu erhalten.
  • Das Gesetz ist zudem bedenklich, was die Wahrung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten angeht. Das Verhältnis zwischen dem Interesse an Transparenz und dem Recht von Mittelgebern und -empfängern auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ist nicht ausgewogen. Das gilt insbesondere für die Auflage, den ungarischen Behörden die genaue Höhe von Überweisungen sowie detaillierte Informationen über die Geldgeber zur Verfügung zu stellen, die im Anschluss von den Behörden veröffentlicht werden.

Daher ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass Ungarn seinen Verpflichtungen im Rahmen der EU-Verträge und der Grundrechte-Charta der Europäischen Union nicht nachkommt.

Deshalb hat die Kommission Ungarn heute ein Aufforderungsschreiben übermittelt. Die ungarischen Behörden haben einen Monat Zeit, darauf zu reagieren. Die Kommission ist bereit, die Behörden in Ungarn bei der Lösung des Problems zu unterstützen.

Weitere Informationen:

Pressemitteilung: Kommission leitet zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Hochschulgesetz ein

Pressemitteilung: Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen Gesetzes über nichtstaatliche Organisationen

Übersicht über die wichtigsten Beschlüssen in den Vertragsverletzungsverfahren im Juli 2017

Übersicht zu den Vertragsverletzungsverfahren (nur Aufforderungsschreiben) vom Juli 2017

Zu Vertragsverletzungsverfahren allgemein

Pressekontakt: katrin [dot] ABELEatec [dot] europa [dot] eu (Katrin Abele), Tel.: +49 (30) 2280-2140

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
13. Juli 2017
Autor
Vertretung in Deutschland