Die Europäische Kommission hat im Rahmen ihrer monatlichen Entscheidungen zu Vertragsverletzungen rechtliche Schritte gegen Mitgliedstaaten beschlossen, die ihren Verpflichtungen aus dem EU-Recht nicht nachkommen. Deutschland ist in fünf Fällen betroffen. In Bezug auf die EU-Rechtsvorschriften über die Anerkennung von Berufsqualifikationen hat die EU-Kommission die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland und 21 weitere Mitgliedstaaten eingeleitet. In vier weitere Fällen hat die Kommission die Verfahren gegen Deutschland verschärft: wegen der unvollständigen Umsetzung der Verordnung über europäische Daten-Governance, der Verordnung über Hafendienste, der Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und der Richtlinie über die Straffung von Maßnahmen zur besseren Umsetzung von Projekten des transeuropäischen Verkehrsnetzes.
Mit den Vertragsverletzungsverfahren, die verschiedene Mitgliedstaaten, Sektoren und EU-Politikfelder betreffen, soll eine korrekte und vollständige Anwendung des EU-Rechts im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen gewährleistet werden.
Entscheidungen zu Deutschland
Kommission fordert Deutschland und 2 weitere Mitgliedstaaten auf, ihre nationalen Rechtsvorschriften zur Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen vollständig mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen
Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an Deutschland (INFR(2020)2103), Estland (INFR(2020)2117) und Polen (INFR(2021)2067) zu richten, weil es die Länder versäumt haben, ihre nationalen Rechtsvorschriften vollständig mit der Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen („Seveso III“) (Richtlinie 2012/18/EU) in Einklang zu bringen. Die Richtlinie gilt für mehr als 12.000 Industrieanlagen in der Europäischen Union, in denen gefährliche Stoffe in großen Mengen verwendet oder gelagert werden. Sie enthält außerdem Vorschriften zur Verhütung schwerer Industrieunfälle und zur Minimierung ihrer schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. In ihren Anwendungsbereich fallen Wirtschaftszweige wie die chemische und petrochemische Industrie, der Kraftstoffgroßhandel und Kraftstofflager. Je nach der Menge der vorhandenen gefährlichen Stoffe sind unterschiedliche Sicherheitsregelungen vorgeschrieben, wobei für Anlagen mit großen Mengen strengere gesetzliche Anforderungen gelten. Die Kommission hatte im Mai 2020 bzw. im Juni 2021 Aufforderungsschreiben an Deutschland und Estland bzw. an Polen gerichtet. Infolgedessen haben diese Mitgliedstaaten die Umsetzung der Richtlinie in gewissem Umfang verbessert. Es gibt jedoch nach wie vor Verstöße, und die vollständige Einhaltung der Vorschriften wurde noch nicht erreicht. Die Kommission hat daher beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an Deutschland, Estland und Polen zu richten, die nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.
Kommission fordert Deutschland zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie über die Straffung von Maßnahmen zur besseren Umsetzung von Projekten des transeuropäischen Verkehrsnetzes auf
Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland (INFR(2023)0200) zu richten, weil das Land die Richtlinie über die Straffung von Maßnahmen (Richtlinie (EU) 2021/1187) nicht vollständig umgesetzt hat. Diese Richtlinie trat am 9. August 2021 in Kraft und zielt darauf ab, die Vollendung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) durch Vereinfachung und Präzisierung der Genehmigungs- und Vergabeverfahren zu beschleunigen. Sie betrifft Vorhaben des TEN-V-Kernnetzes mit hoher Priorität, grenzüberschreitende Initiativen und europäische Verkehrskorridore mit einem Umfang von mehr als 300 Mio. EUR. Hierfür werden in der Richtlinie vier Kernanforderungen für die Mitgliedstaaten festgelegt: Zuweisung einer benannten Behörde für jedes Projekt, Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, damit die Verfahren nicht mehr als vier Jahre dauern, Transparenz der Verfahren und Verbesserung der grenzüberschreitenden Koordinierung. Deutschland hat der Kommission nicht mitgeteilt, welche Maßnahmen es zur Umsetzung der Richtlinie ergriffen hat. Daher hat die Kommission beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Land zu richten, das nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.
Kommission fordert Deutschland nachdrücklich auf, ein effizientes und unabhängiges, den EU-Vorschriften über Hafendienste entsprechendes Beschwerdeverfahren einzurichten
Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland (INFR(2021)2041) zu richten, weil das Land in Bezug auf seine Beschwerdeverfahren gegen Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung über Hafendienste (Verordnung (EU) 2017/352) verstößt. Der genannte Artikel sieht die Einrichtung eines wirksamen Beschwerdeverfahrens vor, um Fragen im Zusammenhang mit den Vorschriften für Hafendienste zu regeln. Dieses Verfahren soll Interessenkonflikte vermeiden und unparteiisch und unabhängig von den Leitungsorganen des Hafens oder Hafendiensteanbietern durchgeführt werden. In dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme wird berücksichtigt, dass Deutschland seinen Mitteilungspflichten gemäß Artikel 16 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2017/352 nachgekommen ist. Deutschland hatte diese Umsetzungsmaßnahmen nach der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission im Jahr 2023 mitgeteilt, allerdings keine Maßnahmen zu Artikel 16 Absatz 2. Daher hat die Kommission beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Land zu richten, das nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.
Kommission fordert Deutschland und weitere 9 Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Verordnung über europäische Daten-Governance auf
Die Europäische Kommission hat heute beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an Tschechien (INFR(2024)2057), Deutschland (INFR(2024)2060), Estland (INFR(2024)2058), Griechenland (INFR(2024)2061), Zypern (INFR(2024)2056), Luxemburg (INFR(2024)2063), Österreich (INFR(2024)2054), Polen (INFR(2024)2066), Portugal (INFR(2024)2067) und Slowenien (INFR(2024)2070) zu richten, weil diese Länder keine zuständige Behörde für die Durchführung der Verordnung über europäische Daten-Governance benannt oder nicht nachgewiesen haben, dass die zuständigen Behörden zur Ausführung der im Rechtsakt vorgeschriebenen Aufgaben befugt sind. Die Verordnung über europäische Daten-Governance erleichtert die sektor- und grenzübergreifende gemeinsame Datennutzung zwischen EU-Mitgliedstaaten, was Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen zugutekommen soll. Die Verordnung soll das Vertrauen in die gemeinsame Datennutzung stärken, indem Regeln für die Neutralität von Anbietern von Datenvermittlungsdiensten eingeführt werden, die Unternehmen und natürliche Personen mit Datennutzern verbinden. Am 23. Mai 2024 hatte die Kommission Aufforderungsschreiben an Tschechien, Deutschland, Estland, Griechenland, Zypern, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal und Slowenien übermittelt. Zwar haben einige Mitgliedstaaten die Kommission über die Benennung der zuständigen Behörden informiert, jedoch hat kein Mitgliedstaat diese uneingeschränkt ermächtigt, die Verordnung umzusetzen. Die Kommission hat daher beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an diese Mitgliedstaaten zu richten, die nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.
Kommission fordert Deutschland und 21 weitere Mitgliedstaaten auf, den Aufwand für qualifizierte Berufsangehörige zu verringern, die vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen erbringen möchten
Die Europäische Kommission hat beschlossen, mit der Übermittlung von Aufforderungsschreiben Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien, Finnland und Schweden einzuleiten, weil diese Länder den EU-Rechtsvorschriften über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Richtlinie 2005/36/EG) nicht nachkommen.
Diese Vorschriften erleichtern es Berufsangehörigen, ihre Dienstleistungen vorübergehend und gelegentlich in verschiedenen Mitgliedstaaten zu erbringen, und gewährleisten gleichzeitig den Schutz der Verbraucher/innen und Bürger/innen.
In Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten bei Berufen, die die öffentliche Gesundheit und Sicherheit berühren, die Qualifikationen nachprüfen, bevor sie die Erbringung von Dienstleistungen gestatten. Solche Nachprüfungen können die Aufnahme der Tätigkeiten erheblich verzögern und sind daher nur unter strengen Bedingungen erlaubt, insbesondere wenn eine fehlende Berufsqualifikation eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Gesundheit oder Sicherheit des Dienstleistungsempfängers verursachen könnte. Nach Auffassung der Kommission schreiben diese 22 Mitgliedstaaten zu Unrecht Nachprüfungen für mehrere Berufe vor, die die Bedingungen für derartige Nachprüfungen nicht erfüllen, und zwar hauptsächlich in drei wichtigen Branchen (Bau, Verkehr und Unternehmensdienstleistungen).
Die Kommission übermittelt daher ein Aufforderungsschreiben an Belgien, Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien, Finnland und Schweden, die nun zwei Monate Zeit haben, um zu antworten und die von der Kommission festgestellten Mängel zu beheben. Andernfalls kann sie beschließen, mit Gründen versehene Stellungnahmen zu übermitteln.
Weitere Informationen
Fragen und Antworten zu Vertragsverletzungsverfahren
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Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 16. Dezember 2024
- Autor
- Vertretung in Deutschland