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Vertretung in Deutschland
  • Presseartikel
  • 21. Dezember 2016
  • Vertretung in Deutschland
  • Lesedauer: 4 Min

Katainen beim Bürgerdialog: Starke Argumente für ein vereintes Europa offen vorbringen

In Berlin diskutierte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Jyrki Katainen, am Montag mit 120 Gästen über die Zukunft der EU und den Zulauf für populistische Parteien. Dem Publikum ging es vor allem um eine Frage: Wie umgehen mit den EU...

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(21.12.2016) – Die Räume der Ausstellung „Erlebnis Europa“ sind mit 120 Gästen gut gefüllt. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, der Finne Jyrki Katainen, sucht den Dialog mit den europäischen Bürgern. Vor allem junge Menschen, Schüler und Studenten, sind zur Veranstaltung der Kommission und der Schwarzkopf-Stiftung gekommen. Die erste Frage der Moderatorin: Was können Bürger tun, die populistische Positionen ablehnen? Katainen betont zunächst, dass es Gründe gebe, warum die Menschen für solche Parteien stimmten. Es sei aber richtig zu zeigen, dass man statt vermeintlich einfacher Lösungen auf verantwortliches Handeln setze. „Eine der besten Möglichkeiten dafür sind Wahlen, die demnächst in Frankreich und den Niederlanden anstehen. Das ist eine exzellente Möglichkeit zu zeigen, wer wir sind“, sagte Katainen. Die „schweigende Mehrheit“ sei nach wie vor von der europäischen Idee überzeugt und müsse sich wehren.

Als Ministerpräsident war Katainen im eigenen Land mit der populistischen Partei „Die Finnen“ konfrontiert. Seine Beobachtung: Am besten konnte man ihre Positionen widerlegen, nachdem sie ins Parlament eingezogen waren, „das war eine großartige Gelegenheit, mit ihnen auf einer gemeinsamen, offenen und transparenten Plattform zu diskutieren“. In einer liberalen Gesellschaft müsse man akzeptieren, dass es verschiedene Ansichten gebe. Aber vernünftige Positionen setzten sich schließlich durch. „Unsere Argumente für ein vereinigtes Europa sind so stark, dass wir damit überzeugen und gewinnen können. Aber wir müssen aufstehen. Wir müssen unseren Standpunkt offen vorbringen“, forderte er.

Gute Ausbildung entscheidend für Zuversicht in die Zukunft

Auf mehrere Nachfragen aus dem Publikum führte Katainen diese Position weiter aus. Ein Schüler eines Berliner Gymnasiums wollte wissen: Was soll man Menschen antworten, die bezweifeln, dass sie von der Europäischen Union profitieren? Ein Beispiel sei der gemeinsame europäische Binnenmarkt, von dem alle profitierten, so der Kommissionsvizepräsident. Dafür brauche es aber Regeln. Und diese müssten von demokratischen europäischen Strukturen festgelegt werden. Ähnlich sei es beim Klimawandel: Auch dort könne Europa nur gemeinsam handlungsfähig sein. Katainen räumte ein: Viele europäische Themen sind abstrakt. Es gebe aber auch ganz konkrete Vorteile. „Meine Familie hatte nicht das Geld, mir als Student einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen. Das Erasmus-Programm hat das möglich gemacht“, sagte er.

Die EU sei aber nicht die einzige Institution, die in den vergangenen zehn Jahren unter Druck geraten sei, so Katainen. „Die Macht vieler Institutionen ist geschrumpft.“ Die Zahl der Kirchenmitglieder sei gesunken. Mehr Eltern lehnten Impfungen für ihre Kinder und damit den ärztlichen Konsens ab. „Der Status Quo wird in Frage gestellt“, sagte Katainen.

Warum gibt es aber sogar junge Menschen, die sich vom Populismus angezogen fühlen, wollte ein Berliner Student wissen. Viele, so Katainen, hätten reale Probleme. Viele Menschen in Großbritannien hätten zum Beispiel gegen den Verbleib in der EU gestimmt, weil sie in ihrem Leben nicht viel Anlass für Hoffnung sehen. Es gebe die Meinung, dass zum Beispiel freier Handel nur für eine Handvoll Menschen Reichtum kreiere und dieser nicht fair verteilt werde – auch wenn vom freien Handel alle profitieren, etwa durch günstige Preise für Waren und Dienstleistungen.

Gute Ausbildung sei für die Zukunftshoffnungen der Menschen absolut entscheidend. Die vierte industrielle Revolution, also die Digitalisierung vieler Wirtschaftszweige, sei im Gange. „Das bedeutet, dass auch manche Bürger aus der Mittelschicht, die gut ausgebildet und fleißig sind, ihre Jobs verlieren werden.“ Je besser das Bildungssystem sei, desto besser könnten sich Menschen auch während des Berufslebens auf diese Entwicklung einstellen. Die EU-Kommission habe das Erasmus-Programm für Menschen in Ausbildung ausgeweitet. Ebenso habe die Kommission das Europäische Solidaritätskorps eingerichtet, das Menschen von 18-30 Jahren dabei unterstützt, mit Freiwilligenarbeit oder im Beruf Auslandserfahrungen zu sammeln.

Zum Schluss der Veranstaltung wurde Katainen gefragt: Wie optimistisch ist er, auf einer Skala von eins bis zehn, dass Europa eine Zukunft hat? Ziemlich optimistisch: Katainen vergab eine acht. „Der gesunde Menschenverstand wird sich am Ende durchsetzen. Das ist der einzige Weg, wie es vorwärts gehen kann“, sagte er.

Deutschland kann mehr tun, um Investitionen anzuschieben

In seiner Funktion als Vizepräsident für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit nahm Katainen am Montag in Berlin auch an einem hochrangigen Workshop mit Fachleuten zu Investitionen teil. Das Wachstum in der Europäischen Union ist in den vergangenen Jahren eher enttäuschend ausgefallen. Eines der drängendsten Probleme sind zu niedrige Investitionen, sowohl von Seiten des Privatsektors als auch durch den Staat. Wie können Investitionen angeschoben werden, um das Wirtschaftswachstum zu stärken und die EU zukunftsfest zu machen? Welche Rolle spielen die Fiskalpolitik und Strukturreformen? Auf dem Workshop in Berlin, organisiert durch die Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin sowie die Europäische Investitionsbank (EIB), wurden diese Fragen von Teilnehmern aus europäischer und deutscher Politik, öffentlichen und privaten Finanzinstitutionen und Think-Tanks diskutiert. Das Fazit: Deutschland steht besser da als die meisten anderen europäischen Länder, kann aber noch deutlich mehr tun, um Investitionen zu stärken.

Weitere Informationen:

Konferenzbericht: Investitionen in Europa anschieben – für Wachstum, Innovation und Produktivität

Pressekontakt: reinhard [dot] hoenighausatec [dot] europa [dot] eu (Reinhard Hönighaus), Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per frageaterlebnis-europa [dot] eu (E-Mail) oder telefonisch unter (030) 2280 2900.

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Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
21. Dezember 2016
Autor
Vertretung in Deutschland